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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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jugendlichen Regenten (geb. 9. September 1826) nicht erspart sein; die ihn
näher kannten, setzten Hoffnungen auf ihn, in denen sie sich nicht täuschten.

Es war eine trübe Zeit der deutschen Geschichte. Die große politische
Erhebung und Bewegung, welche gährend und überschäumend zu Ende der
vierziger Jahre ihre Wogen durch die deutschen Lande getragen, hatte nebst
manchen edlen, köstlichen Schätzen, die sie aus der Tiefe des Volksgeistes zu
Tage förderte, doch des trüben Schlammes und der wüsten Gebilde eines
eklen Sumpflebens so überaus viel ans Licht treten lassen, daß man zu ver¬
stehen vermag, wie auch sonst Heller blickende und freier strebende Geister von
Schrecken ergriffen wurden und irre werden wollten an dem Genius des
deutschen Volkes. Und Eines jedenfalls hatte jene Bewegung klar aufgezeigt:
die absolute Ohnmacht und Unfähigkeit des Deutschland genannten Völker-
und Länderkonglomerats, sich mit den damals zur Verfügung stehenden
Kräften und Potenzen eine machtvolle Einheit nach außen zu beschaffen und
ein freies Volksleben im Innern zu begründen. Preußen war unter Man-
teuffels Führung nach Olmütz gegangen, und nachdem die Dresdener Kon¬
ferenzen viel "schätzbares Material" zu einer neuen Bundesverfassung geliefert
hatten, war Handumkehr dem kreißenden Berg als graues häßliches Mäuslein
die Restitution des alten Bundestages entschlüpft. Die Reaktion legte nun
eisern schwer die gewassnete Hand auf die deutschen Staaten. Es galt, die
Einheitsbestrebungen zu vernichten, es sollten die politischen Freiheitsgelüste er-
tödtet werden. Der politische Ausschuß des Bundestags, in Volkes Mund
Reaktionscmsschuß genannt, verstand seine Aufgabe trefflich, und die Fürsten,
hangend daß der scharfe Zug der Einheit da und dort einen nicht mehr ganz
festgefügten Splitter des Thrones hinwegführen möchte, waren gehorsam und
willig. Die Dinge gingen nach Wunsch. Holstein wurde an Dänemark zu¬
rückgegeben, und wenige Tage, ehe Prinz Friedrich als Regent den badischen
Thron bestieg, hatte der Bundestag den Beschluß gefaßt, die deutsche Flotte
unter den Hammer zu bringen. Mit Erfolg dirigirten die Herren v. der
Pfordten und v. Beust die mittelstaatliche Koalition gegen Preußen, drückend
schwül lagerte die Reaktion im Innern ertödtenden Hauch auf das Leben des
Volkes. Vor allem trübe lagen die Verhältnisse in Baden. Der Aufstand
des Jahres 1849 war durch die Macht der preußischen Waffen niedergeschlagen
worden, und am 18. August des gleichen Jahres hatte Großherzog Leopold
Zwischen einem Spalier preußischer Truppen seinen Wiedereinzug in die Resi¬
denz gehalten. Hier war der Boden für die Reaktion ganz besonders günstig
vorbereitet. Die Saat wurde denn auch reichlich ausgestreut.

Prinzregent Friedrich betrat die vor ihm geöffnete Bahn der Restauration,
und, auf derselben weiter schreitend, sanktionirte er vor allem die zur Bändigung


jugendlichen Regenten (geb. 9. September 1826) nicht erspart sein; die ihn
näher kannten, setzten Hoffnungen auf ihn, in denen sie sich nicht täuschten.

Es war eine trübe Zeit der deutschen Geschichte. Die große politische
Erhebung und Bewegung, welche gährend und überschäumend zu Ende der
vierziger Jahre ihre Wogen durch die deutschen Lande getragen, hatte nebst
manchen edlen, köstlichen Schätzen, die sie aus der Tiefe des Volksgeistes zu
Tage förderte, doch des trüben Schlammes und der wüsten Gebilde eines
eklen Sumpflebens so überaus viel ans Licht treten lassen, daß man zu ver¬
stehen vermag, wie auch sonst Heller blickende und freier strebende Geister von
Schrecken ergriffen wurden und irre werden wollten an dem Genius des
deutschen Volkes. Und Eines jedenfalls hatte jene Bewegung klar aufgezeigt:
die absolute Ohnmacht und Unfähigkeit des Deutschland genannten Völker-
und Länderkonglomerats, sich mit den damals zur Verfügung stehenden
Kräften und Potenzen eine machtvolle Einheit nach außen zu beschaffen und
ein freies Volksleben im Innern zu begründen. Preußen war unter Man-
teuffels Führung nach Olmütz gegangen, und nachdem die Dresdener Kon¬
ferenzen viel „schätzbares Material" zu einer neuen Bundesverfassung geliefert
hatten, war Handumkehr dem kreißenden Berg als graues häßliches Mäuslein
die Restitution des alten Bundestages entschlüpft. Die Reaktion legte nun
eisern schwer die gewassnete Hand auf die deutschen Staaten. Es galt, die
Einheitsbestrebungen zu vernichten, es sollten die politischen Freiheitsgelüste er-
tödtet werden. Der politische Ausschuß des Bundestags, in Volkes Mund
Reaktionscmsschuß genannt, verstand seine Aufgabe trefflich, und die Fürsten,
hangend daß der scharfe Zug der Einheit da und dort einen nicht mehr ganz
festgefügten Splitter des Thrones hinwegführen möchte, waren gehorsam und
willig. Die Dinge gingen nach Wunsch. Holstein wurde an Dänemark zu¬
rückgegeben, und wenige Tage, ehe Prinz Friedrich als Regent den badischen
Thron bestieg, hatte der Bundestag den Beschluß gefaßt, die deutsche Flotte
unter den Hammer zu bringen. Mit Erfolg dirigirten die Herren v. der
Pfordten und v. Beust die mittelstaatliche Koalition gegen Preußen, drückend
schwül lagerte die Reaktion im Innern ertödtenden Hauch auf das Leben des
Volkes. Vor allem trübe lagen die Verhältnisse in Baden. Der Aufstand
des Jahres 1849 war durch die Macht der preußischen Waffen niedergeschlagen
worden, und am 18. August des gleichen Jahres hatte Großherzog Leopold
Zwischen einem Spalier preußischer Truppen seinen Wiedereinzug in die Resi¬
denz gehalten. Hier war der Boden für die Reaktion ganz besonders günstig
vorbereitet. Die Saat wurde denn auch reichlich ausgestreut.

Prinzregent Friedrich betrat die vor ihm geöffnete Bahn der Restauration,
und, auf derselben weiter schreitend, sanktionirte er vor allem die zur Bändigung


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[0167] jugendlichen Regenten (geb. 9. September 1826) nicht erspart sein; die ihn näher kannten, setzten Hoffnungen auf ihn, in denen sie sich nicht täuschten. Es war eine trübe Zeit der deutschen Geschichte. Die große politische Erhebung und Bewegung, welche gährend und überschäumend zu Ende der vierziger Jahre ihre Wogen durch die deutschen Lande getragen, hatte nebst manchen edlen, köstlichen Schätzen, die sie aus der Tiefe des Volksgeistes zu Tage förderte, doch des trüben Schlammes und der wüsten Gebilde eines eklen Sumpflebens so überaus viel ans Licht treten lassen, daß man zu ver¬ stehen vermag, wie auch sonst Heller blickende und freier strebende Geister von Schrecken ergriffen wurden und irre werden wollten an dem Genius des deutschen Volkes. Und Eines jedenfalls hatte jene Bewegung klar aufgezeigt: die absolute Ohnmacht und Unfähigkeit des Deutschland genannten Völker- und Länderkonglomerats, sich mit den damals zur Verfügung stehenden Kräften und Potenzen eine machtvolle Einheit nach außen zu beschaffen und ein freies Volksleben im Innern zu begründen. Preußen war unter Man- teuffels Führung nach Olmütz gegangen, und nachdem die Dresdener Kon¬ ferenzen viel „schätzbares Material" zu einer neuen Bundesverfassung geliefert hatten, war Handumkehr dem kreißenden Berg als graues häßliches Mäuslein die Restitution des alten Bundestages entschlüpft. Die Reaktion legte nun eisern schwer die gewassnete Hand auf die deutschen Staaten. Es galt, die Einheitsbestrebungen zu vernichten, es sollten die politischen Freiheitsgelüste er- tödtet werden. Der politische Ausschuß des Bundestags, in Volkes Mund Reaktionscmsschuß genannt, verstand seine Aufgabe trefflich, und die Fürsten, hangend daß der scharfe Zug der Einheit da und dort einen nicht mehr ganz festgefügten Splitter des Thrones hinwegführen möchte, waren gehorsam und willig. Die Dinge gingen nach Wunsch. Holstein wurde an Dänemark zu¬ rückgegeben, und wenige Tage, ehe Prinz Friedrich als Regent den badischen Thron bestieg, hatte der Bundestag den Beschluß gefaßt, die deutsche Flotte unter den Hammer zu bringen. Mit Erfolg dirigirten die Herren v. der Pfordten und v. Beust die mittelstaatliche Koalition gegen Preußen, drückend schwül lagerte die Reaktion im Innern ertödtenden Hauch auf das Leben des Volkes. Vor allem trübe lagen die Verhältnisse in Baden. Der Aufstand des Jahres 1849 war durch die Macht der preußischen Waffen niedergeschlagen worden, und am 18. August des gleichen Jahres hatte Großherzog Leopold Zwischen einem Spalier preußischer Truppen seinen Wiedereinzug in die Resi¬ denz gehalten. Hier war der Boden für die Reaktion ganz besonders günstig vorbereitet. Die Saat wurde denn auch reichlich ausgestreut. Prinzregent Friedrich betrat die vor ihm geöffnete Bahn der Restauration, und, auf derselben weiter schreitend, sanktionirte er vor allem die zur Bändigung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/167>, abgerufen am 26.06.2024.