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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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begriffen und selbst die Widerspenstigen fühlten, wie sie ihnen die Seele
bewegten. So kehrten alle, die ihn zu hören gekommen, erbaut und getröstet
heim, und überall nannte man ihn Sugata, "den Willkommnen".

Da die meisten von denen, die sein Gefolge bildeten, arme Leute waren,
nannte man sie Bhikschus, "Bettler", ein Name, der dann von ihm zur Be¬
zeichnung derer gebraucht wurde, die unter ihm als Geistliche lebten. Indem
ihm reichliche Almosen zuflössen, fand er die Mittel, alle Bhikschus, die mit
ihm zogen, zu nähren. Wenn ein solcher zu höherer Erkenntniß gelangte,
wurde er Ssrawaka genannt, und ein noch höherer Grad waren die Arhats,
die "Ehrwürdigen", die zu Vorstehern der in großer Menge entstehenden
buddhistischen Gemeinden ernannt wurden. Während der Regenzeit pflegte
sich der Buddha der Organisation dieser Genossenschaften zu widmen. Indem
er die Eifrigsten der Bhikschus in ein Wihara oder Kloster sammelte, lehrte
er ihnen dort den Weg zu ekstatischer Beschaulichkeit, wo die Seele sich von
den Banden des Stofflichen losmacht, oder er erging sich über einen Punkt
seines Systems in Zwiegesprächen mit ihnen, welche sie vorbereiteten, das Wohl¬
wollen gegen alle Menschen, das Almosengeben, die Geduld, die Demuth und
andere Tugenden zu predigen Wenn dann die trockne Jahreszeit wiederkehrte,
begann er seine Wanderungen wieder. Auf diese Art durchzog er das ganze
mittlere und westliche Indien, indem er seine Rede stets dem Volksverständ¬
nisse anpaßte und meist in Gleichnissen sprach. Wunderbar groß war infolge
dessen allenthalben der Zulauf zu seinen Predigten, massenhaft erfolgten die
Bekehrungen, sein Wort war von so hinreißender Wärme, daß man die Leute
sagen hörte: "Die Götter steigen vom Himmel, um ihn zu sehen und zu hören."
Umsonst versuchten die Bramanen der Ausbreitung des buddhistischen Evan¬
geliums Einhalt zu thun. Die Könige schützten den Buddha, auch wo sie seine
Botschaft von der Gleichheit der Menschen nicht annahmen; denn sie waren
meist aus der Kriegerkaste und sahen mit Freuden, wie in die Vorrechte der
über ihnen stehenden Bramanen Bresche gelegt wurde. Das gemeine Volk war
durchgehends für seinen Heiland, und die Priester sahen sich gezwungen, Zorn
im Herzen, aber mit geduldiger Miene zuzuschauen, wie man scharenweise ihrer
Zucht entlief, um sich dem großen Lehrer von der Gleichheit aller Menschen
anzuschließen.¬

In Waranaßi kehrte der Buddha selten und nie lange ein, da die Bra
manen hier zu zahlreich waren. Dagegen war er besonders häufig in
Radjagriha, der Hauptstadt von Magadha, und nördlich vom Ganges in
Ssrawasti, der Residenz des Königs von Kossala. An jenem Orte bekehrte
er nach einander den König Bimbasarn, der damals der mächtigste der indischen
Fürsten war, und dessen Sohn und Nachfolger Adjataßatru zu seiner Lehre.


begriffen und selbst die Widerspenstigen fühlten, wie sie ihnen die Seele
bewegten. So kehrten alle, die ihn zu hören gekommen, erbaut und getröstet
heim, und überall nannte man ihn Sugata, „den Willkommnen".

Da die meisten von denen, die sein Gefolge bildeten, arme Leute waren,
nannte man sie Bhikschus, „Bettler", ein Name, der dann von ihm zur Be¬
zeichnung derer gebraucht wurde, die unter ihm als Geistliche lebten. Indem
ihm reichliche Almosen zuflössen, fand er die Mittel, alle Bhikschus, die mit
ihm zogen, zu nähren. Wenn ein solcher zu höherer Erkenntniß gelangte,
wurde er Ssrawaka genannt, und ein noch höherer Grad waren die Arhats,
die „Ehrwürdigen", die zu Vorstehern der in großer Menge entstehenden
buddhistischen Gemeinden ernannt wurden. Während der Regenzeit pflegte
sich der Buddha der Organisation dieser Genossenschaften zu widmen. Indem
er die Eifrigsten der Bhikschus in ein Wihara oder Kloster sammelte, lehrte
er ihnen dort den Weg zu ekstatischer Beschaulichkeit, wo die Seele sich von
den Banden des Stofflichen losmacht, oder er erging sich über einen Punkt
seines Systems in Zwiegesprächen mit ihnen, welche sie vorbereiteten, das Wohl¬
wollen gegen alle Menschen, das Almosengeben, die Geduld, die Demuth und
andere Tugenden zu predigen Wenn dann die trockne Jahreszeit wiederkehrte,
begann er seine Wanderungen wieder. Auf diese Art durchzog er das ganze
mittlere und westliche Indien, indem er seine Rede stets dem Volksverständ¬
nisse anpaßte und meist in Gleichnissen sprach. Wunderbar groß war infolge
dessen allenthalben der Zulauf zu seinen Predigten, massenhaft erfolgten die
Bekehrungen, sein Wort war von so hinreißender Wärme, daß man die Leute
sagen hörte: „Die Götter steigen vom Himmel, um ihn zu sehen und zu hören."
Umsonst versuchten die Bramanen der Ausbreitung des buddhistischen Evan¬
geliums Einhalt zu thun. Die Könige schützten den Buddha, auch wo sie seine
Botschaft von der Gleichheit der Menschen nicht annahmen; denn sie waren
meist aus der Kriegerkaste und sahen mit Freuden, wie in die Vorrechte der
über ihnen stehenden Bramanen Bresche gelegt wurde. Das gemeine Volk war
durchgehends für seinen Heiland, und die Priester sahen sich gezwungen, Zorn
im Herzen, aber mit geduldiger Miene zuzuschauen, wie man scharenweise ihrer
Zucht entlief, um sich dem großen Lehrer von der Gleichheit aller Menschen
anzuschließen.¬

In Waranaßi kehrte der Buddha selten und nie lange ein, da die Bra
manen hier zu zahlreich waren. Dagegen war er besonders häufig in
Radjagriha, der Hauptstadt von Magadha, und nördlich vom Ganges in
Ssrawasti, der Residenz des Königs von Kossala. An jenem Orte bekehrte
er nach einander den König Bimbasarn, der damals der mächtigste der indischen
Fürsten war, und dessen Sohn und Nachfolger Adjataßatru zu seiner Lehre.


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[0142] begriffen und selbst die Widerspenstigen fühlten, wie sie ihnen die Seele bewegten. So kehrten alle, die ihn zu hören gekommen, erbaut und getröstet heim, und überall nannte man ihn Sugata, „den Willkommnen". Da die meisten von denen, die sein Gefolge bildeten, arme Leute waren, nannte man sie Bhikschus, „Bettler", ein Name, der dann von ihm zur Be¬ zeichnung derer gebraucht wurde, die unter ihm als Geistliche lebten. Indem ihm reichliche Almosen zuflössen, fand er die Mittel, alle Bhikschus, die mit ihm zogen, zu nähren. Wenn ein solcher zu höherer Erkenntniß gelangte, wurde er Ssrawaka genannt, und ein noch höherer Grad waren die Arhats, die „Ehrwürdigen", die zu Vorstehern der in großer Menge entstehenden buddhistischen Gemeinden ernannt wurden. Während der Regenzeit pflegte sich der Buddha der Organisation dieser Genossenschaften zu widmen. Indem er die Eifrigsten der Bhikschus in ein Wihara oder Kloster sammelte, lehrte er ihnen dort den Weg zu ekstatischer Beschaulichkeit, wo die Seele sich von den Banden des Stofflichen losmacht, oder er erging sich über einen Punkt seines Systems in Zwiegesprächen mit ihnen, welche sie vorbereiteten, das Wohl¬ wollen gegen alle Menschen, das Almosengeben, die Geduld, die Demuth und andere Tugenden zu predigen Wenn dann die trockne Jahreszeit wiederkehrte, begann er seine Wanderungen wieder. Auf diese Art durchzog er das ganze mittlere und westliche Indien, indem er seine Rede stets dem Volksverständ¬ nisse anpaßte und meist in Gleichnissen sprach. Wunderbar groß war infolge dessen allenthalben der Zulauf zu seinen Predigten, massenhaft erfolgten die Bekehrungen, sein Wort war von so hinreißender Wärme, daß man die Leute sagen hörte: „Die Götter steigen vom Himmel, um ihn zu sehen und zu hören." Umsonst versuchten die Bramanen der Ausbreitung des buddhistischen Evan¬ geliums Einhalt zu thun. Die Könige schützten den Buddha, auch wo sie seine Botschaft von der Gleichheit der Menschen nicht annahmen; denn sie waren meist aus der Kriegerkaste und sahen mit Freuden, wie in die Vorrechte der über ihnen stehenden Bramanen Bresche gelegt wurde. Das gemeine Volk war durchgehends für seinen Heiland, und die Priester sahen sich gezwungen, Zorn im Herzen, aber mit geduldiger Miene zuzuschauen, wie man scharenweise ihrer Zucht entlief, um sich dem großen Lehrer von der Gleichheit aller Menschen anzuschließen.¬ In Waranaßi kehrte der Buddha selten und nie lange ein, da die Bra manen hier zu zahlreich waren. Dagegen war er besonders häufig in Radjagriha, der Hauptstadt von Magadha, und nördlich vom Ganges in Ssrawasti, der Residenz des Königs von Kossala. An jenem Orte bekehrte er nach einander den König Bimbasarn, der damals der mächtigste der indischen Fürsten war, und dessen Sohn und Nachfolger Adjataßatru zu seiner Lehre.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/142>, abgerufen am 03.07.2024.