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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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sprechung vor: Preußen müsse sofort handeln und sich mit Oesterreich zur Her¬
beiführung einer bewaffneten Vermittlung verbinden; ihre Zurückweisung müsse
als Kriegserklärung betrachtet werden. Der König, sollte sodann nach Schlesien
gehen und sich so frei machen vom französischen Drucke. Zugleich aber müsse
man den Schein des französischen Bündnisses wahren. Der König billigte im
ganzen diese Vorschläge,^ nnr wollte er den Krieg im Norden geführt wissen,
weil hier Rußland , Schweden und England eingreifen könnten. Er selbst
stellte dann zwei Möglichkeiten auf: greife Rußland an, so sollten Preußen und
Oesterreich sofort losschlagen; lasse es Frankreich wieder bis an die Weichsel
vordringen, sich beide im Rücken der Franzosen erheben *).

Es kam nur darauf an, wie Oesterreich sich zu diesem Plane stellen werde.
Hier zu wirken war Knesebecks Aufgabe, der am 4. Januar 131-3 unter dem
Namen eines Kaufmanns Hellwig nach Wien abging. Er hatte zunächst auf
sofortige Kooperation beider Mächte im Sinne der bewaffneten Vermittlung
zu dringen; war Oesterreich zu einer solchen jetzt nicht bereit und ebensowenig
zum Losschlagen, im Falle sie scheiterte, so sollte es sich wenigstens bestimmt
darüber erklären, wie es einen dann eventuell nothwendig werdenden Anschluß
Preußens an Rußland auffasse; denn nicht.ohne seine Zustimmung wollte der
König zu einem solchen sich verstehen. Als Ziele des allgemeinen Friedens
hatte Knesebeck die Rheingrenze, die Auslösung des Rheinbundes und die mili¬
tärische Hegemonie Preußens über die Länder nördlich des Mains, die Oester¬
reichs über Süddeutschland zu bezeichnen. So faßte man von Anfang an die
Lösung der deutschen Verfassungsfrage ins Auge, ein ehrendes Zeugniß für
das Selbstbewußtsein des doch so tief gebeugten Staates, wenn auch die vor¬
geschlagene Lösung in der That nur eine unheilvolle hätte sein können**).
Nach Paris aber eilte gleichzeitig General Krusemark (3. Januar); er über¬
brachte die Antwort des Königs auf den Dresdner Brief Napoleons: er sei
bereit zu Rüstungen für Frankreich, zur Ansammlung eines Corps um Graudenz;
doch fühle er sich dazu außer Stande, wenn Napoleon nicht wenigstens einen
Theil der weit über die vertragsmäßigen Lieferungen und über die Kontri¬
bution gemachten Vorschüsse an die preußische Staatskasse zurückerstatte***). Ein
verschlagenes Doppelspiel war es, das Hardenberg hier leitete: eben die voraus¬
zusehende Verzögerung jener Zahlungen bot den Vorwand, nichts für Frankreich
zu, thun, und die Bundespflicht wiederum, an der man festzuhalten schien, war
die Maske, welche die Rüstungen zum Abfall deckte, denn sie schienen für
Napoleon zu geschehen.





*) Duncker 459 f.
**
) Duncker 461 f. Oncken 118 ff, Hardenberg - Ranke IV, 343 f.
***) Duncker 461 f. Häußer 41 f.

sprechung vor: Preußen müsse sofort handeln und sich mit Oesterreich zur Her¬
beiführung einer bewaffneten Vermittlung verbinden; ihre Zurückweisung müsse
als Kriegserklärung betrachtet werden. Der König, sollte sodann nach Schlesien
gehen und sich so frei machen vom französischen Drucke. Zugleich aber müsse
man den Schein des französischen Bündnisses wahren. Der König billigte im
ganzen diese Vorschläge,^ nnr wollte er den Krieg im Norden geführt wissen,
weil hier Rußland , Schweden und England eingreifen könnten. Er selbst
stellte dann zwei Möglichkeiten auf: greife Rußland an, so sollten Preußen und
Oesterreich sofort losschlagen; lasse es Frankreich wieder bis an die Weichsel
vordringen, sich beide im Rücken der Franzosen erheben *).

Es kam nur darauf an, wie Oesterreich sich zu diesem Plane stellen werde.
Hier zu wirken war Knesebecks Aufgabe, der am 4. Januar 131-3 unter dem
Namen eines Kaufmanns Hellwig nach Wien abging. Er hatte zunächst auf
sofortige Kooperation beider Mächte im Sinne der bewaffneten Vermittlung
zu dringen; war Oesterreich zu einer solchen jetzt nicht bereit und ebensowenig
zum Losschlagen, im Falle sie scheiterte, so sollte es sich wenigstens bestimmt
darüber erklären, wie es einen dann eventuell nothwendig werdenden Anschluß
Preußens an Rußland auffasse; denn nicht.ohne seine Zustimmung wollte der
König zu einem solchen sich verstehen. Als Ziele des allgemeinen Friedens
hatte Knesebeck die Rheingrenze, die Auslösung des Rheinbundes und die mili¬
tärische Hegemonie Preußens über die Länder nördlich des Mains, die Oester¬
reichs über Süddeutschland zu bezeichnen. So faßte man von Anfang an die
Lösung der deutschen Verfassungsfrage ins Auge, ein ehrendes Zeugniß für
das Selbstbewußtsein des doch so tief gebeugten Staates, wenn auch die vor¬
geschlagene Lösung in der That nur eine unheilvolle hätte sein können**).
Nach Paris aber eilte gleichzeitig General Krusemark (3. Januar); er über¬
brachte die Antwort des Königs auf den Dresdner Brief Napoleons: er sei
bereit zu Rüstungen für Frankreich, zur Ansammlung eines Corps um Graudenz;
doch fühle er sich dazu außer Stande, wenn Napoleon nicht wenigstens einen
Theil der weit über die vertragsmäßigen Lieferungen und über die Kontri¬
bution gemachten Vorschüsse an die preußische Staatskasse zurückerstatte***). Ein
verschlagenes Doppelspiel war es, das Hardenberg hier leitete: eben die voraus¬
zusehende Verzögerung jener Zahlungen bot den Vorwand, nichts für Frankreich
zu, thun, und die Bundespflicht wiederum, an der man festzuhalten schien, war
die Maske, welche die Rüstungen zum Abfall deckte, denn sie schienen für
Napoleon zu geschehen.





*) Duncker 459 f.
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) Duncker 461 f. Oncken 118 ff, Hardenberg - Ranke IV, 343 f.
***) Duncker 461 f. Häußer 41 f.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/12>, abgerufen am 03.07.2024.