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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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arbeiten hier so gut wie anderswo abwerfen, eine so große Anzahl Millionen
Gulden, daß es wirklich Zeit wird, gesetzliche Maßregeln zu treffen, um den
Staat vor Schaden und die Familien vor Verarmung zu bewahren. Der
Artikel im bürgerlichen Gesetzbuche, nach welchem es gottesdienstlichen Stif¬
tungen verboten ist, ohne Ermächtigung des Königs Schenkungen anzunehmen,
ist, was die Klöster betrifft, vollständig illusorisch; erstlich, weil die den geist¬
lichen Stiftungen gemachten Schenkungen in der Regel auf allerhaud Umwege"
geschehen, so daß die Genehmigung des Königs überflüssig erscheint, sodann,
weil die Klostergenossenschaften in den Niederlanden sich nicht als geistliche
Stiftung zu erkennen geben, sich nicht durch die Staatsbehörde als solche
haben anerkennen lassen und sich deshalb nicht für verpflichtet halten, bei der
Annahme von Schenkungen die Erlaubniß des Königs zu erbitten, endlich
aber, weil zur Annahme von Schenkungen von Hand zu Hand eine Zustimmung
der Regierung nicht erforderlich ist".

Den beiden letzten Kapiteln des Nippoldschen Buches mit ihren interessanten
Einzelheiten können wir nicht mit der Ausführlichkeit folgen wie den früheren.
Aus dein vorletzten nur noch die Bemerkung, daß die Proselitenmacherei außer
der Bekehrung des Amorie van der Hvevens keine des Aufhebens werthen Er¬
folge zu verzeichnen hat, daß die propagandistische Thätigkeit sich aber sehr
rege erweist. "Bereits erstreckt sie sich, der englischen Methode entsprechend,
in die höchsten gesellschaftlichen Kreise. An Anhaltspunkten fehlt es auch in
Holland nicht. Und wie delikat die Erwähnung solcher Verhältnisse auch ist,
so glauben wir uns doch derselben nicht völlig entschlagen zu dürfen. Denn
wenn auch herkömmlicher Weise die geschichtliche Darstellung der Gegenwart
die regierenden Persönlichkeiten außer Betracht zu lassen Pflegt*), so dürste
das doch seit der Konversion der Königin Witwe von Baiern nicht mehr zu¬
lässig sein. Wohin nun aber die Sympathien einer Reihe anderer, nicht blos
wie jene durch hohe Geburt, sondern ebenso durch hohe Talente hervorragender
Damen gerichtet sind, haben diese selber nicht verhehlt. In Holland speziell
ist zudem der Einfluß der mit der Nuntiatur im Haag zusammenhängenden
Persönlichkeiten auf die tonangebenden Kreise der Residenz nur zu sehr er¬
wiesen". Chantepie de Saussaye sagt über diese Kreise: "Ein Greuel ist es,
daß holländischer Adel, unserm reformirten Ursprung, unsern Befreiungskrieg,
unsern traditionellen Abscheu vor kirchlicher Gewalt, vor allem christlichem oder
unchristlichen Absolutismus in Kirche und Staat vergessend, für die durch und
durch cmtireformirten und unholländischen Anschauungen eines v. Hodenberg



*) Wir halten und kehren uns auch nicht in dem Maße wie der Verfasser an das Her¬
kommen und sagen, die Königin von Holland ist hier gemeint.

arbeiten hier so gut wie anderswo abwerfen, eine so große Anzahl Millionen
Gulden, daß es wirklich Zeit wird, gesetzliche Maßregeln zu treffen, um den
Staat vor Schaden und die Familien vor Verarmung zu bewahren. Der
Artikel im bürgerlichen Gesetzbuche, nach welchem es gottesdienstlichen Stif¬
tungen verboten ist, ohne Ermächtigung des Königs Schenkungen anzunehmen,
ist, was die Klöster betrifft, vollständig illusorisch; erstlich, weil die den geist¬
lichen Stiftungen gemachten Schenkungen in der Regel auf allerhaud Umwege»
geschehen, so daß die Genehmigung des Königs überflüssig erscheint, sodann,
weil die Klostergenossenschaften in den Niederlanden sich nicht als geistliche
Stiftung zu erkennen geben, sich nicht durch die Staatsbehörde als solche
haben anerkennen lassen und sich deshalb nicht für verpflichtet halten, bei der
Annahme von Schenkungen die Erlaubniß des Königs zu erbitten, endlich
aber, weil zur Annahme von Schenkungen von Hand zu Hand eine Zustimmung
der Regierung nicht erforderlich ist".

Den beiden letzten Kapiteln des Nippoldschen Buches mit ihren interessanten
Einzelheiten können wir nicht mit der Ausführlichkeit folgen wie den früheren.
Aus dein vorletzten nur noch die Bemerkung, daß die Proselitenmacherei außer
der Bekehrung des Amorie van der Hvevens keine des Aufhebens werthen Er¬
folge zu verzeichnen hat, daß die propagandistische Thätigkeit sich aber sehr
rege erweist. „Bereits erstreckt sie sich, der englischen Methode entsprechend,
in die höchsten gesellschaftlichen Kreise. An Anhaltspunkten fehlt es auch in
Holland nicht. Und wie delikat die Erwähnung solcher Verhältnisse auch ist,
so glauben wir uns doch derselben nicht völlig entschlagen zu dürfen. Denn
wenn auch herkömmlicher Weise die geschichtliche Darstellung der Gegenwart
die regierenden Persönlichkeiten außer Betracht zu lassen Pflegt*), so dürste
das doch seit der Konversion der Königin Witwe von Baiern nicht mehr zu¬
lässig sein. Wohin nun aber die Sympathien einer Reihe anderer, nicht blos
wie jene durch hohe Geburt, sondern ebenso durch hohe Talente hervorragender
Damen gerichtet sind, haben diese selber nicht verhehlt. In Holland speziell
ist zudem der Einfluß der mit der Nuntiatur im Haag zusammenhängenden
Persönlichkeiten auf die tonangebenden Kreise der Residenz nur zu sehr er¬
wiesen". Chantepie de Saussaye sagt über diese Kreise: „Ein Greuel ist es,
daß holländischer Adel, unserm reformirten Ursprung, unsern Befreiungskrieg,
unsern traditionellen Abscheu vor kirchlicher Gewalt, vor allem christlichem oder
unchristlichen Absolutismus in Kirche und Staat vergessend, für die durch und
durch cmtireformirten und unholländischen Anschauungen eines v. Hodenberg



*) Wir halten und kehren uns auch nicht in dem Maße wie der Verfasser an das Her¬
kommen und sagen, die Königin von Holland ist hier gemeint.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/114>, abgerufen am 26.06.2024.