Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

theils unbemerkt geblieben, theils durch ihre Lage in Privatdomänen geschützt
gewesen, und das in Limburg beschäftigte sich mit der Pflege von Geistes¬
kranken. In den gesammten nördlichen Provinzen bestand 1814 kein einziges
Kloster. Sofort nach dem Abzug der Franzosen aber bezogen die Mitglieder
von sechs Klöstern in Nordbraband und Limburg dieselben eigenmächtig wieder,
und bald nachher nahmen sie auch ihre Ordenskleidung wieder an. Die Re¬
gierung Wilhelms des Ersten bewies keine Neigung, die Wiedererrichtung der
beseitigten Klöster zu gestatten. Doch vergönnte sie den Mönchen und Nonnen,
die wieder in die Klöster eingezogen waren, darin zu bleiben; uur fügte man
die Bedingung hinzu, daß sie keine neuen Mitglieder aufnehmen und mit den
jetzt vorhandenen aussterben sollten. Auch das Zirkular des Generaldirektors
des katholischen Kultus vom Jahre 1820 sprach den Grundsatz aus, daß man
die kontemplativer Klosterorden und diejenigen, welche keinen nützlichen Zweck
hätten, aussterben lassen müsse, und daß auch alle anderen Genossenschaften,
welche im Widerspruch mit dem Gesetze ewige Gelübde forderten, unwider¬
ruflich der Auflösung verfielen. Daß die damalige Regierung überhaupt die
Klostergesetze von französischem Urspungc für verbindlich erachtete, geht schlie߬
lich noch aus Beschlüssen von 1822, 1824 und 1826 hervor. Trotzdem er¬
standen schon unter der Regierung Wilhelms des Ersten eine Anzahl neuer
Klöster. Sie hatten keine gesetzliche Berechtigung zur Existenz, aber die kuria-
listische Politik unseres Jahrhunderts hat es trefflich verstanden, vollendete
Thatsachen zu schaffen, und uuter Wilhelm dem Zweiten gelang ihr dies in
ungewöhnlich hohem Grade. Noch mehr aber war es der Fall seit dem
Kirchengesetz von 1853, welches den kirchlichen Genossenschaften das Recht zu¬
sprach, ihre Kultusaugelegeuheiteu selbständig zu regeln. Was aber die Ge¬
setze auch von da an nicht gestatteten, wurde durch allerlei Ränke, Täuschungen
und Vorstellungen erschlichen. Namentlich erwarben die Klöster gegen das
Gesetz allmählich ein ungeheures Vermögen.

"Ueber den Umfang der Besitzungen der Klöster", sagte Hugenpoth schou
1861: Wir können mit keiner Möglichkeit, selbst nicht bei der gewagtesten Be¬
rechnung, die Schätze bestimmen, welche in diesem Augenblicke von der Kloster-
Hand besessen und durch sie dem Patrimonium der Familien und, als arbei¬
tendes Kapital, der Gesellschaft entzogen werden. Inzwischen, wenn man auch
nur die kostbaren Gebäude, welche sie errichtet haben, die liegenden Gründe,
welche sie auf eignen oder fremden Namen besitzen, nebst der Einrichtung,
welche sie den Klöstern gegeben haben, in Betracht zieht und dabei nur eine
müßige Summe, die jeder Klosteriusasse im Unterhalt kosten muß, kapitalifirt,
so gewinnt man, selbst nach Abzug des Verdienstes, welchen die Schuleinrich-
tungen und die (von den Schulkindern, besonders Mädchen geleisteten) Hand-


theils unbemerkt geblieben, theils durch ihre Lage in Privatdomänen geschützt
gewesen, und das in Limburg beschäftigte sich mit der Pflege von Geistes¬
kranken. In den gesammten nördlichen Provinzen bestand 1814 kein einziges
Kloster. Sofort nach dem Abzug der Franzosen aber bezogen die Mitglieder
von sechs Klöstern in Nordbraband und Limburg dieselben eigenmächtig wieder,
und bald nachher nahmen sie auch ihre Ordenskleidung wieder an. Die Re¬
gierung Wilhelms des Ersten bewies keine Neigung, die Wiedererrichtung der
beseitigten Klöster zu gestatten. Doch vergönnte sie den Mönchen und Nonnen,
die wieder in die Klöster eingezogen waren, darin zu bleiben; uur fügte man
die Bedingung hinzu, daß sie keine neuen Mitglieder aufnehmen und mit den
jetzt vorhandenen aussterben sollten. Auch das Zirkular des Generaldirektors
des katholischen Kultus vom Jahre 1820 sprach den Grundsatz aus, daß man
die kontemplativer Klosterorden und diejenigen, welche keinen nützlichen Zweck
hätten, aussterben lassen müsse, und daß auch alle anderen Genossenschaften,
welche im Widerspruch mit dem Gesetze ewige Gelübde forderten, unwider¬
ruflich der Auflösung verfielen. Daß die damalige Regierung überhaupt die
Klostergesetze von französischem Urspungc für verbindlich erachtete, geht schlie߬
lich noch aus Beschlüssen von 1822, 1824 und 1826 hervor. Trotzdem er¬
standen schon unter der Regierung Wilhelms des Ersten eine Anzahl neuer
Klöster. Sie hatten keine gesetzliche Berechtigung zur Existenz, aber die kuria-
listische Politik unseres Jahrhunderts hat es trefflich verstanden, vollendete
Thatsachen zu schaffen, und uuter Wilhelm dem Zweiten gelang ihr dies in
ungewöhnlich hohem Grade. Noch mehr aber war es der Fall seit dem
Kirchengesetz von 1853, welches den kirchlichen Genossenschaften das Recht zu¬
sprach, ihre Kultusaugelegeuheiteu selbständig zu regeln. Was aber die Ge¬
setze auch von da an nicht gestatteten, wurde durch allerlei Ränke, Täuschungen
und Vorstellungen erschlichen. Namentlich erwarben die Klöster gegen das
Gesetz allmählich ein ungeheures Vermögen.

„Ueber den Umfang der Besitzungen der Klöster", sagte Hugenpoth schou
1861: Wir können mit keiner Möglichkeit, selbst nicht bei der gewagtesten Be¬
rechnung, die Schätze bestimmen, welche in diesem Augenblicke von der Kloster-
Hand besessen und durch sie dem Patrimonium der Familien und, als arbei¬
tendes Kapital, der Gesellschaft entzogen werden. Inzwischen, wenn man auch
nur die kostbaren Gebäude, welche sie errichtet haben, die liegenden Gründe,
welche sie auf eignen oder fremden Namen besitzen, nebst der Einrichtung,
welche sie den Klöstern gegeben haben, in Betracht zieht und dabei nur eine
müßige Summe, die jeder Klosteriusasse im Unterhalt kosten muß, kapitalifirt,
so gewinnt man, selbst nach Abzug des Verdienstes, welchen die Schuleinrich-
tungen und die (von den Schulkindern, besonders Mädchen geleisteten) Hand-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137814"/>
          <p xml:id="ID_271" prev="#ID_270"> theils unbemerkt geblieben, theils durch ihre Lage in Privatdomänen geschützt<lb/>
gewesen, und das in Limburg beschäftigte sich mit der Pflege von Geistes¬<lb/>
kranken. In den gesammten nördlichen Provinzen bestand 1814 kein einziges<lb/>
Kloster. Sofort nach dem Abzug der Franzosen aber bezogen die Mitglieder<lb/>
von sechs Klöstern in Nordbraband und Limburg dieselben eigenmächtig wieder,<lb/>
und bald nachher nahmen sie auch ihre Ordenskleidung wieder an. Die Re¬<lb/>
gierung Wilhelms des Ersten bewies keine Neigung, die Wiedererrichtung der<lb/>
beseitigten Klöster zu gestatten. Doch vergönnte sie den Mönchen und Nonnen,<lb/>
die wieder in die Klöster eingezogen waren, darin zu bleiben; uur fügte man<lb/>
die Bedingung hinzu, daß sie keine neuen Mitglieder aufnehmen und mit den<lb/>
jetzt vorhandenen aussterben sollten. Auch das Zirkular des Generaldirektors<lb/>
des katholischen Kultus vom Jahre 1820 sprach den Grundsatz aus, daß man<lb/>
die kontemplativer Klosterorden und diejenigen, welche keinen nützlichen Zweck<lb/>
hätten, aussterben lassen müsse, und daß auch alle anderen Genossenschaften,<lb/>
welche im Widerspruch mit dem Gesetze ewige Gelübde forderten, unwider¬<lb/>
ruflich der Auflösung verfielen. Daß die damalige Regierung überhaupt die<lb/>
Klostergesetze von französischem Urspungc für verbindlich erachtete, geht schlie߬<lb/>
lich noch aus Beschlüssen von 1822, 1824 und 1826 hervor. Trotzdem er¬<lb/>
standen schon unter der Regierung Wilhelms des Ersten eine Anzahl neuer<lb/>
Klöster. Sie hatten keine gesetzliche Berechtigung zur Existenz, aber die kuria-<lb/>
listische Politik unseres Jahrhunderts hat es trefflich verstanden, vollendete<lb/>
Thatsachen zu schaffen, und uuter Wilhelm dem Zweiten gelang ihr dies in<lb/>
ungewöhnlich hohem Grade. Noch mehr aber war es der Fall seit dem<lb/>
Kirchengesetz von 1853, welches den kirchlichen Genossenschaften das Recht zu¬<lb/>
sprach, ihre Kultusaugelegeuheiteu selbständig zu regeln. Was aber die Ge¬<lb/>
setze auch von da an nicht gestatteten, wurde durch allerlei Ränke, Täuschungen<lb/>
und Vorstellungen erschlichen. Namentlich erwarben die Klöster gegen das<lb/>
Gesetz allmählich ein ungeheures Vermögen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_272" next="#ID_273"> &#x201E;Ueber den Umfang der Besitzungen der Klöster", sagte Hugenpoth schou<lb/>
1861: Wir können mit keiner Möglichkeit, selbst nicht bei der gewagtesten Be¬<lb/>
rechnung, die Schätze bestimmen, welche in diesem Augenblicke von der Kloster-<lb/>
Hand besessen und durch sie dem Patrimonium der Familien und, als arbei¬<lb/>
tendes Kapital, der Gesellschaft entzogen werden. Inzwischen, wenn man auch<lb/>
nur die kostbaren Gebäude, welche sie errichtet haben, die liegenden Gründe,<lb/>
welche sie auf eignen oder fremden Namen besitzen, nebst der Einrichtung,<lb/>
welche sie den Klöstern gegeben haben, in Betracht zieht und dabei nur eine<lb/>
müßige Summe, die jeder Klosteriusasse im Unterhalt kosten muß, kapitalifirt,<lb/>
so gewinnt man, selbst nach Abzug des Verdienstes, welchen die Schuleinrich-<lb/>
tungen und die (von den Schulkindern, besonders Mädchen geleisteten) Hand-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] theils unbemerkt geblieben, theils durch ihre Lage in Privatdomänen geschützt gewesen, und das in Limburg beschäftigte sich mit der Pflege von Geistes¬ kranken. In den gesammten nördlichen Provinzen bestand 1814 kein einziges Kloster. Sofort nach dem Abzug der Franzosen aber bezogen die Mitglieder von sechs Klöstern in Nordbraband und Limburg dieselben eigenmächtig wieder, und bald nachher nahmen sie auch ihre Ordenskleidung wieder an. Die Re¬ gierung Wilhelms des Ersten bewies keine Neigung, die Wiedererrichtung der beseitigten Klöster zu gestatten. Doch vergönnte sie den Mönchen und Nonnen, die wieder in die Klöster eingezogen waren, darin zu bleiben; uur fügte man die Bedingung hinzu, daß sie keine neuen Mitglieder aufnehmen und mit den jetzt vorhandenen aussterben sollten. Auch das Zirkular des Generaldirektors des katholischen Kultus vom Jahre 1820 sprach den Grundsatz aus, daß man die kontemplativer Klosterorden und diejenigen, welche keinen nützlichen Zweck hätten, aussterben lassen müsse, und daß auch alle anderen Genossenschaften, welche im Widerspruch mit dem Gesetze ewige Gelübde forderten, unwider¬ ruflich der Auflösung verfielen. Daß die damalige Regierung überhaupt die Klostergesetze von französischem Urspungc für verbindlich erachtete, geht schlie߬ lich noch aus Beschlüssen von 1822, 1824 und 1826 hervor. Trotzdem er¬ standen schon unter der Regierung Wilhelms des Ersten eine Anzahl neuer Klöster. Sie hatten keine gesetzliche Berechtigung zur Existenz, aber die kuria- listische Politik unseres Jahrhunderts hat es trefflich verstanden, vollendete Thatsachen zu schaffen, und uuter Wilhelm dem Zweiten gelang ihr dies in ungewöhnlich hohem Grade. Noch mehr aber war es der Fall seit dem Kirchengesetz von 1853, welches den kirchlichen Genossenschaften das Recht zu¬ sprach, ihre Kultusaugelegeuheiteu selbständig zu regeln. Was aber die Ge¬ setze auch von da an nicht gestatteten, wurde durch allerlei Ränke, Täuschungen und Vorstellungen erschlichen. Namentlich erwarben die Klöster gegen das Gesetz allmählich ein ungeheures Vermögen. „Ueber den Umfang der Besitzungen der Klöster", sagte Hugenpoth schou 1861: Wir können mit keiner Möglichkeit, selbst nicht bei der gewagtesten Be¬ rechnung, die Schätze bestimmen, welche in diesem Augenblicke von der Kloster- Hand besessen und durch sie dem Patrimonium der Familien und, als arbei¬ tendes Kapital, der Gesellschaft entzogen werden. Inzwischen, wenn man auch nur die kostbaren Gebäude, welche sie errichtet haben, die liegenden Gründe, welche sie auf eignen oder fremden Namen besitzen, nebst der Einrichtung, welche sie den Klöstern gegeben haben, in Betracht zieht und dabei nur eine müßige Summe, die jeder Klosteriusasse im Unterhalt kosten muß, kapitalifirt, so gewinnt man, selbst nach Abzug des Verdienstes, welchen die Schuleinrich- tungen und die (von den Schulkindern, besonders Mädchen geleisteten) Hand-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/113>, abgerufen am 28.09.2024.