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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Dabei ist aber immer erst Einiges von dem Vielen hervorgehoben, wo
Roms Hand in der politischen Geschichte der letzten fünfzig Jahre sichtbar wurde.
Die Mignelistische Aera in Portugal, die Karlistenkriege in Spanien, die un¬
aufhörlichen Aufstände klerikaler Prätendenten in den südlichen Republiken
Amerikas, der schweizer Sonderbnndskrieg, die zum Krimkriege führende Frage
der heiligen Stätten, die Wirren im Libanon, die Proklamation Franz Josefs
im italienischen Kriege, die Art des Sturzes Gladstones, die Verquickung dei
Orientkrise mit der Person Monsignore Hassuus, die Amuestiruug der gerichtlich
verurtheilten brasilischen Bischöfe -- sie verrathen insgesammt die alten Künste
der römischen Politik, die, wie ihre offiziellen Erlasse und Organe seit Jahren
schon offen eingestehen, Unterwerfung der Staaten und Fürsten aller Völker
nnter den Willen des Papstes als des von Gott eingesetzten Universalmonarche"
im Ange hat.

Auch das ist uoch nicht alles, was zu beachten ist, wenn wir uns ver¬
gegenwärtigen wollen, was der Ultramontanismus in den letzten Jahrzehnten
erstrebt und zum Theil erreicht hat. Mit vollem Rechte macht unsere Schrift
auf die vielen Uebertritte hochstehender Personen zum Katholizismus auf¬
merksam, die unser Jahrhundert bis auf den heutigen Tag aufzuweisen h^'
sowie auf die Emissäre im Unterrock, die an den Höfen zu diesem Zoe^
thätig sind und auch an unserm Kaiser Hofe nicht fehlen. Die Zahl jener
Konvertiten ist fast so groß wie im siebzehnten Jahrhundert, und es figuriren uno
ihnen, wenn wir nur an die letzten Jahre denken, eine Königin Witwe von
Baiern, ein halb souveräner Graf Schönburg, ein Graf Blome, ein Gagern,
die Lords Bude und Ripon und neben den mecklenburgischen Pfarrern Me'N
hold und Haager uoch ein paar Dutzend andere Geistliche, welche einst gr^
Lichter der lutherischen Rechtgläubigkeit waren. Und dabei verwandeln steh
diese Bekehrten in der Regel sofort nach ihrem Uebertritt in die eifrigste"
Bekehrer.

Noch um vieles ernster aber ist die heutige Gestaltung des Ordenswesens,
welches seit der Restauration des Papstthums von Jahr zu Jahr mehr dem
Prinzip des Jesuitismus angepaßt und der jesuitische" Oberleitung verfallen
ist. Die einzelnen Orden haben seit 1848 in geradezu kolossaler Weise zuge¬
nommen, und alle werden von einem Mittelpunkte aus zum Angriffe auf den mo-
dernen Staat geleitet. 'Ganz ebenso aber ist die Weltgeistlichkeit in eine Abhangs
keit der Bischöfe von diesem Centrum gebracht worden, von der man früh^
keine Ahnung hatte. Wie die Selbständigkeit der Bischöfe gebrochen wurde, so
wurden die Pfarrer der "unendlich höheren Jurisdiktion" der Bischöfe unterworfen
und so der Gesammtklerns dem "Mittelpunkt der katholischen Einheit" zur Ver¬
fügung gestellt. Um die unabhängige Handlungsweise der Bischöfe zu untere


Dabei ist aber immer erst Einiges von dem Vielen hervorgehoben, wo
Roms Hand in der politischen Geschichte der letzten fünfzig Jahre sichtbar wurde.
Die Mignelistische Aera in Portugal, die Karlistenkriege in Spanien, die un¬
aufhörlichen Aufstände klerikaler Prätendenten in den südlichen Republiken
Amerikas, der schweizer Sonderbnndskrieg, die zum Krimkriege führende Frage
der heiligen Stätten, die Wirren im Libanon, die Proklamation Franz Josefs
im italienischen Kriege, die Art des Sturzes Gladstones, die Verquickung dei
Orientkrise mit der Person Monsignore Hassuus, die Amuestiruug der gerichtlich
verurtheilten brasilischen Bischöfe — sie verrathen insgesammt die alten Künste
der römischen Politik, die, wie ihre offiziellen Erlasse und Organe seit Jahren
schon offen eingestehen, Unterwerfung der Staaten und Fürsten aller Völker
nnter den Willen des Papstes als des von Gott eingesetzten Universalmonarche"
im Ange hat.

Auch das ist uoch nicht alles, was zu beachten ist, wenn wir uns ver¬
gegenwärtigen wollen, was der Ultramontanismus in den letzten Jahrzehnten
erstrebt und zum Theil erreicht hat. Mit vollem Rechte macht unsere Schrift
auf die vielen Uebertritte hochstehender Personen zum Katholizismus auf¬
merksam, die unser Jahrhundert bis auf den heutigen Tag aufzuweisen h^'
sowie auf die Emissäre im Unterrock, die an den Höfen zu diesem Zoe^
thätig sind und auch an unserm Kaiser Hofe nicht fehlen. Die Zahl jener
Konvertiten ist fast so groß wie im siebzehnten Jahrhundert, und es figuriren uno
ihnen, wenn wir nur an die letzten Jahre denken, eine Königin Witwe von
Baiern, ein halb souveräner Graf Schönburg, ein Graf Blome, ein Gagern,
die Lords Bude und Ripon und neben den mecklenburgischen Pfarrern Me'N
hold und Haager uoch ein paar Dutzend andere Geistliche, welche einst gr^
Lichter der lutherischen Rechtgläubigkeit waren. Und dabei verwandeln steh
diese Bekehrten in der Regel sofort nach ihrem Uebertritt in die eifrigste"
Bekehrer.

Noch um vieles ernster aber ist die heutige Gestaltung des Ordenswesens,
welches seit der Restauration des Papstthums von Jahr zu Jahr mehr dem
Prinzip des Jesuitismus angepaßt und der jesuitische» Oberleitung verfallen
ist. Die einzelnen Orden haben seit 1848 in geradezu kolossaler Weise zuge¬
nommen, und alle werden von einem Mittelpunkte aus zum Angriffe auf den mo-
dernen Staat geleitet. 'Ganz ebenso aber ist die Weltgeistlichkeit in eine Abhangs
keit der Bischöfe von diesem Centrum gebracht worden, von der man früh^
keine Ahnung hatte. Wie die Selbständigkeit der Bischöfe gebrochen wurde, so
wurden die Pfarrer der „unendlich höheren Jurisdiktion" der Bischöfe unterworfen
und so der Gesammtklerns dem „Mittelpunkt der katholischen Einheit" zur Ver¬
fügung gestellt. Um die unabhängige Handlungsweise der Bischöfe zu untere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/102>, abgerufen am 26.06.2024.