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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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beschrieben. Fügen wir nur noch hinzu, daß- der "Gärtner" einzelne Stücke
des Gartens mit Kartoffeln, Wrncken u. dergl. besetzen ließ.

Wenn man aus dem dargestellten Zustand der Gärten schließen wollte,
daß die Polen keinen Sinn für die lieblichen Kinder Floras, für wohlgepflegte
Rasenplätze, für die Pracht alter Ulmen oder Linden besitzen, so würde man
irren. Ich habe polnische Edelleute einen sehr bescheidenen, aber sorgfältig
behandelten Garten eines deutschen Gutsbesitzers mit aufrichtiger Bewunderung
und Freude betrachten sehen. Mit Worten und Blicken fragten sie den Deut¬
schen, wie er einen solchen Zauber herzustellen im Stande sei. Der hielt denn
auch mit seiner Antwort nicht zurück. "Wir Deutsche" erklärte er thuen
"werden schon mit mehr Interesse als die Polen für dergleichen erzogen, wir
verbringen von früh an nicht soviel Zeit mit Tanzen, Pfänderspielen, nach¬
barlichen Besuchen und andern Zerstreuungen, die uns von dem Ernst des
Lebens abhalten, später ebenfalls mit der, Geselligkeit, dann mit Karten¬
spiel, mit der Flasche, mit Reisen nach den Städten, um dort unser Vier¬
gespann, unsere prunkende Livree und unsre möglichst blanke Kutsche zu
zeigen. Wir verachten das alles meistens auch nicht, aber das Wichtigste,
ist uns immer die Arbeit und die Sorge sür Haus und Hof. So finden wir
auch Zeit, uns mit dein Garten zu beschäftigen, unterstützt von unsern Frauen,
die in weniger wohlhabenden Familien oft ganz die Stelle der Gärtner -ver¬
treten." Die polnischen Herren hörten diese Auslassung deutscher Gradheit
schweigend an. Zu Herzen haben sie dieselbe nicht genommen.

Für die Bewirthschaftung von Zahlenan besaß ich in meiner damaligen
frühen Jugend zu wenig Verständniß, um darüber urtheilen zu können. Ueber
polnische Land wirthschaft ein andermal.




Literatur.
Geschichten aus Tirol und Oberbaiern von Josef Friedrich Lentner.
Zweite Auslage, Herausgegeben von P. K. Roseggcr, Magdeburg,
Verlag von E. Baensch.

Lentner, ein geborener Münchener, der als Landschaftsmaler viele Jahre
in Tirol lebte und vor einigen zwanziger Jahren in Meran starb, hat auch
verschiedene andere Sachen, darunter den Roman "Ritter und Bauer" (1844)
geschrieben. Dieselben sind jetzt vergessen, vielleicht mit Unrecht; denn die
neuen hier vorliegenden Erzählungen sind recht hübsch. Den Stoffen, die er
behandelt, und der Sprache nach, in der er uns seine Geschichten vortrüge, ge¬
hört er zu deu Volksschriftstellern, die in der Weise Hebels dichteten. Die
Mehrzahl der hier gebotenen Stücke sind Sagen und Märchen, die sich anhören,


beschrieben. Fügen wir nur noch hinzu, daß- der „Gärtner" einzelne Stücke
des Gartens mit Kartoffeln, Wrncken u. dergl. besetzen ließ.

Wenn man aus dem dargestellten Zustand der Gärten schließen wollte,
daß die Polen keinen Sinn für die lieblichen Kinder Floras, für wohlgepflegte
Rasenplätze, für die Pracht alter Ulmen oder Linden besitzen, so würde man
irren. Ich habe polnische Edelleute einen sehr bescheidenen, aber sorgfältig
behandelten Garten eines deutschen Gutsbesitzers mit aufrichtiger Bewunderung
und Freude betrachten sehen. Mit Worten und Blicken fragten sie den Deut¬
schen, wie er einen solchen Zauber herzustellen im Stande sei. Der hielt denn
auch mit seiner Antwort nicht zurück. „Wir Deutsche" erklärte er thuen
„werden schon mit mehr Interesse als die Polen für dergleichen erzogen, wir
verbringen von früh an nicht soviel Zeit mit Tanzen, Pfänderspielen, nach¬
barlichen Besuchen und andern Zerstreuungen, die uns von dem Ernst des
Lebens abhalten, später ebenfalls mit der, Geselligkeit, dann mit Karten¬
spiel, mit der Flasche, mit Reisen nach den Städten, um dort unser Vier¬
gespann, unsere prunkende Livree und unsre möglichst blanke Kutsche zu
zeigen. Wir verachten das alles meistens auch nicht, aber das Wichtigste,
ist uns immer die Arbeit und die Sorge sür Haus und Hof. So finden wir
auch Zeit, uns mit dein Garten zu beschäftigen, unterstützt von unsern Frauen,
die in weniger wohlhabenden Familien oft ganz die Stelle der Gärtner -ver¬
treten." Die polnischen Herren hörten diese Auslassung deutscher Gradheit
schweigend an. Zu Herzen haben sie dieselbe nicht genommen.

Für die Bewirthschaftung von Zahlenan besaß ich in meiner damaligen
frühen Jugend zu wenig Verständniß, um darüber urtheilen zu können. Ueber
polnische Land wirthschaft ein andermal.




Literatur.
Geschichten aus Tirol und Oberbaiern von Josef Friedrich Lentner.
Zweite Auslage, Herausgegeben von P. K. Roseggcr, Magdeburg,
Verlag von E. Baensch.

Lentner, ein geborener Münchener, der als Landschaftsmaler viele Jahre
in Tirol lebte und vor einigen zwanziger Jahren in Meran starb, hat auch
verschiedene andere Sachen, darunter den Roman „Ritter und Bauer" (1844)
geschrieben. Dieselben sind jetzt vergessen, vielleicht mit Unrecht; denn die
neuen hier vorliegenden Erzählungen sind recht hübsch. Den Stoffen, die er
behandelt, und der Sprache nach, in der er uns seine Geschichten vortrüge, ge¬
hört er zu deu Volksschriftstellern, die in der Weise Hebels dichteten. Die
Mehrzahl der hier gebotenen Stücke sind Sagen und Märchen, die sich anhören,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/87>, abgerufen am 23.07.2024.