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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Allein der Indianer hatte Recht. Wir kletterten fast den ganzen Tag auf dem
Berge von unten bis oben umher, untersuchten gegen dreißig Löcher mit ihren
Halden und brachten nach den verschiedensten Richtungen die Schüsse ein; über¬
all zeigte sich taubes Trachytgestein. Die Oeffnungen, ebenfalls Piques, waren,
wie es schien, ohne Sprengung mit Keilarbeit eingetrieben und durchschnittlich
kaum drei Meter tief; einige am Fuße des Berges maßen jedoch fünf und
sechs Meter. Im losen Gerolle über den ganzen Berg verbreitet, fanden wir
nur Auripigment oder Rauschgelb in Krystallen bis zur Erbsengröße, welches
bekanntlich aus Arsenik und Schwefel besteht und früher als Malerfarbe benutzt
wurde. Daß dieses Gegenstand einer so ausgedehnten Arbeit gewesen sein
sollte, ist kaum anzunehmen, und müssen wir uns daher vorläufig mit der Aus¬
sage des Indianers begnügen.

Was nun endlich die Vergangenheit der Grube der Dürrerze betrifft, so
muß der Betrieb derselben, wie der Indianer ausrechnete, schon längere Zeit
vor dem Regierungsantritt des peruanischen Generals Gamarra (1839), viel¬
leicht schon Mitte der Dreißiger unseres Jahrhunderts begonnen haben. (Die
Indianer rechnen selten nach der Jahreszahl, sondern bedienen sich als Zeit¬
bestimmung meist der nennen der verschiedenen Präsidenten ihres Landes.
Mau könnte diese Eigenthümlichkeit fast als eine Ironie auf den häufigen
Wechsel der letzteren ansehen.) Der erste Besitzer der Grube sei ein Cura aus
Velcn gewesen, welcher so viel Silber gewann, daß er in kurzer Zeit ein
reicher Mann wurde. Als sich größere Mengen von Wasser einstellten, habe
er die Gruben an zwei Spanier verkauft. Sein Glück soll er jedoch in Ver¬
schwendungen aller Art wieder verscherzt haben, sodaß er als armer Mann
gestorben sei.. Ein Administrator, Namens Armstrong, habe den Betrieb für
Rechnung der Spanier geleitet, die Schächte weiter abgeteuft und mit Pumpen
versehen und den Stollen angefangen. Sechs Jahre habe dieser bedeutende
Ausbeute erzielt, sich dann aber dem Trunke und einem übermäßigen Genusse
von Coca ergeben und dadurch die Arbeit gänzlich vernachlässigt, sodaß die
Spanier an seine Stelle einen andern geschickt hätten. In heftigen Streit ge¬
rathen, hätten beide einander mit Waffen mehrere Tage in den Bergen ver¬
folgt, Armstrong sei dann schwer verwundet zurückgekehrt und bald darauf ge¬
storben Auf dem Sterbebette habe er zuvor den Mord des andern gestanden
und den Wunsch geäußert, daß man von diesem Vorfalle deu Herren der Grube
nichts verrathen und seiue Leiche hier in aller Stille des Nachts begraben
solle. Das sei auch geschehen; die Grube aber sei von der Stunde an
ersoffen.

Als wir am dritten Tage unsere Rückreise von Chocvlimpe antraten, führte
uns der alte Indianer nochmals um der Kirche vorüber und zeigte uns in ge-


Allein der Indianer hatte Recht. Wir kletterten fast den ganzen Tag auf dem
Berge von unten bis oben umher, untersuchten gegen dreißig Löcher mit ihren
Halden und brachten nach den verschiedensten Richtungen die Schüsse ein; über¬
all zeigte sich taubes Trachytgestein. Die Oeffnungen, ebenfalls Piques, waren,
wie es schien, ohne Sprengung mit Keilarbeit eingetrieben und durchschnittlich
kaum drei Meter tief; einige am Fuße des Berges maßen jedoch fünf und
sechs Meter. Im losen Gerolle über den ganzen Berg verbreitet, fanden wir
nur Auripigment oder Rauschgelb in Krystallen bis zur Erbsengröße, welches
bekanntlich aus Arsenik und Schwefel besteht und früher als Malerfarbe benutzt
wurde. Daß dieses Gegenstand einer so ausgedehnten Arbeit gewesen sein
sollte, ist kaum anzunehmen, und müssen wir uns daher vorläufig mit der Aus¬
sage des Indianers begnügen.

Was nun endlich die Vergangenheit der Grube der Dürrerze betrifft, so
muß der Betrieb derselben, wie der Indianer ausrechnete, schon längere Zeit
vor dem Regierungsantritt des peruanischen Generals Gamarra (1839), viel¬
leicht schon Mitte der Dreißiger unseres Jahrhunderts begonnen haben. (Die
Indianer rechnen selten nach der Jahreszahl, sondern bedienen sich als Zeit¬
bestimmung meist der nennen der verschiedenen Präsidenten ihres Landes.
Mau könnte diese Eigenthümlichkeit fast als eine Ironie auf den häufigen
Wechsel der letzteren ansehen.) Der erste Besitzer der Grube sei ein Cura aus
Velcn gewesen, welcher so viel Silber gewann, daß er in kurzer Zeit ein
reicher Mann wurde. Als sich größere Mengen von Wasser einstellten, habe
er die Gruben an zwei Spanier verkauft. Sein Glück soll er jedoch in Ver¬
schwendungen aller Art wieder verscherzt haben, sodaß er als armer Mann
gestorben sei.. Ein Administrator, Namens Armstrong, habe den Betrieb für
Rechnung der Spanier geleitet, die Schächte weiter abgeteuft und mit Pumpen
versehen und den Stollen angefangen. Sechs Jahre habe dieser bedeutende
Ausbeute erzielt, sich dann aber dem Trunke und einem übermäßigen Genusse
von Coca ergeben und dadurch die Arbeit gänzlich vernachlässigt, sodaß die
Spanier an seine Stelle einen andern geschickt hätten. In heftigen Streit ge¬
rathen, hätten beide einander mit Waffen mehrere Tage in den Bergen ver¬
folgt, Armstrong sei dann schwer verwundet zurückgekehrt und bald darauf ge¬
storben Auf dem Sterbebette habe er zuvor den Mord des andern gestanden
und den Wunsch geäußert, daß man von diesem Vorfalle deu Herren der Grube
nichts verrathen und seiue Leiche hier in aller Stille des Nachts begraben
solle. Das sei auch geschehen; die Grube aber sei von der Stunde an
ersoffen.

Als wir am dritten Tage unsere Rückreise von Chocvlimpe antraten, führte
uns der alte Indianer nochmals um der Kirche vorüber und zeigte uns in ge-


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[0522] Allein der Indianer hatte Recht. Wir kletterten fast den ganzen Tag auf dem Berge von unten bis oben umher, untersuchten gegen dreißig Löcher mit ihren Halden und brachten nach den verschiedensten Richtungen die Schüsse ein; über¬ all zeigte sich taubes Trachytgestein. Die Oeffnungen, ebenfalls Piques, waren, wie es schien, ohne Sprengung mit Keilarbeit eingetrieben und durchschnittlich kaum drei Meter tief; einige am Fuße des Berges maßen jedoch fünf und sechs Meter. Im losen Gerolle über den ganzen Berg verbreitet, fanden wir nur Auripigment oder Rauschgelb in Krystallen bis zur Erbsengröße, welches bekanntlich aus Arsenik und Schwefel besteht und früher als Malerfarbe benutzt wurde. Daß dieses Gegenstand einer so ausgedehnten Arbeit gewesen sein sollte, ist kaum anzunehmen, und müssen wir uns daher vorläufig mit der Aus¬ sage des Indianers begnügen. Was nun endlich die Vergangenheit der Grube der Dürrerze betrifft, so muß der Betrieb derselben, wie der Indianer ausrechnete, schon längere Zeit vor dem Regierungsantritt des peruanischen Generals Gamarra (1839), viel¬ leicht schon Mitte der Dreißiger unseres Jahrhunderts begonnen haben. (Die Indianer rechnen selten nach der Jahreszahl, sondern bedienen sich als Zeit¬ bestimmung meist der nennen der verschiedenen Präsidenten ihres Landes. Mau könnte diese Eigenthümlichkeit fast als eine Ironie auf den häufigen Wechsel der letzteren ansehen.) Der erste Besitzer der Grube sei ein Cura aus Velcn gewesen, welcher so viel Silber gewann, daß er in kurzer Zeit ein reicher Mann wurde. Als sich größere Mengen von Wasser einstellten, habe er die Gruben an zwei Spanier verkauft. Sein Glück soll er jedoch in Ver¬ schwendungen aller Art wieder verscherzt haben, sodaß er als armer Mann gestorben sei.. Ein Administrator, Namens Armstrong, habe den Betrieb für Rechnung der Spanier geleitet, die Schächte weiter abgeteuft und mit Pumpen versehen und den Stollen angefangen. Sechs Jahre habe dieser bedeutende Ausbeute erzielt, sich dann aber dem Trunke und einem übermäßigen Genusse von Coca ergeben und dadurch die Arbeit gänzlich vernachlässigt, sodaß die Spanier an seine Stelle einen andern geschickt hätten. In heftigen Streit ge¬ rathen, hätten beide einander mit Waffen mehrere Tage in den Bergen ver¬ folgt, Armstrong sei dann schwer verwundet zurückgekehrt und bald darauf ge¬ storben Auf dem Sterbebette habe er zuvor den Mord des andern gestanden und den Wunsch geäußert, daß man von diesem Vorfalle deu Herren der Grube nichts verrathen und seiue Leiche hier in aller Stille des Nachts begraben solle. Das sei auch geschehen; die Grube aber sei von der Stunde an ersoffen. Als wir am dritten Tage unsere Rückreise von Chocvlimpe antraten, führte uns der alte Indianer nochmals um der Kirche vorüber und zeigte uns in ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/522>, abgerufen am 23.07.2024.