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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Dies war im Jahre 1866. Drei Jahre zuvor hatte Artemus Ward
mit großem Erfolge in San Francisco humoristische Vorträge gehalten und war
dann nach Nevada gegangen. Mark Twain beschloß, ihm das nachzuthun. Er
machte erst eine Tour durch Californien und dann nach Osten, wo er in Vir¬
ginia City gute Geschäfte machte, aber infolge eines schlechten Witzes guter
Freunde, die ihm auf der Rückkehr von eiuer einträglichen Vorlesung im
Städtchen Gold Hill als Räuber verkleidet auflauerten, in eine Krankheit ver¬
fiel, die ihn drei Monate ans Bett fesselte. Als er nach San Francisco zu¬
rückgekehrt war, faßte er den Plan zu einer Reise um die Welt. Zuerst sollte
ein Ausflug nach Japan gemacht werden, von da wollte er nach China und
Judien gehen, dann über Aegypten nach Europa, welches er nach verschiedenen
Richtungen zu durchstreifen gedachte, und zuletzt wollte er über das Atlautische
Meer nach Newyork fahren. Der Plan gelangte aber nicht zur Ausführung.
Der Wunsch, seine Verwandten nach siebenjähriger Abwesenheit wiederzusehen,
bewog ihn, seine Absicht zu ändern, und anstatt auf dem Umweg über Japan
und China begab er sich direkt -- diesmal über den Isthmus von Panama
-- nach Newyork.

Er kam in der "Empire City" im Frühjahr 1867 an, und fast unmittel¬
bar nach seinein Eintreffen daselbst finden wir ihn mit der Veröffentlichung
seines ersten Werkes in Buchform, der Sammluug von Schwanken und andern
humoristischen Aufsätzen beschäftigt, die unter dem Titel "Smileys berühmter
Springfrosch und andere Skizzen" in der Grnnowschen Kollektion von Ar¬
beiten amerikanischer Humoristen auch deutsch erschienen ist. Es mag hierzu
bemerkt werden, daß Geschichten von ungewöhnlichen Fröschen in Amerika so
beliebt und so häufig sind, wie Geschichten von außergewöhnlichen Schlangen.
Man ist auf diese Thiere ohne Zweifel deswegen gekommen, weil sie sich mit
ihrem Wesen ganz vorzüglich zu der Art barocker, scherzhaft übertreibender Er¬
zählungen eignen, welche von den Aankees mit dem Terminus "ta.I1 storz^"
bezeichnet werden, und die namentlich im Westen sehr beliebt sind. Es ist
nichts Ungewöhnliches, wenn man in amerikanischen Journalen einem Aufsatze
mit der Ueberschrift: "Wieder eine Froschgeschichte" oder "Ein Seitenstück zu
Twains Springsrosch" begegnet, aber das Original steht hoch über allen diesen
Nachahmungen. Dasselbe wurde sofort in England und bald darauf auch in
Australien nachgedruckt. Ebenso ist das kleine Buch in Indien wohl¬
bekannt, und man sagt, daß einmal ein Parse dasselbe einem kranken
Engländer mit den Worten gebracht habe, es sei das Lustigste, was er
lesen könnte.

Jetzt bot sich unserm Autor Gelegenheit, etwas von der alten Welt zu
sehen und so seinen längst gehegten Wunsch zu befriedige". Im Frühjahr


Dies war im Jahre 1866. Drei Jahre zuvor hatte Artemus Ward
mit großem Erfolge in San Francisco humoristische Vorträge gehalten und war
dann nach Nevada gegangen. Mark Twain beschloß, ihm das nachzuthun. Er
machte erst eine Tour durch Californien und dann nach Osten, wo er in Vir¬
ginia City gute Geschäfte machte, aber infolge eines schlechten Witzes guter
Freunde, die ihm auf der Rückkehr von eiuer einträglichen Vorlesung im
Städtchen Gold Hill als Räuber verkleidet auflauerten, in eine Krankheit ver¬
fiel, die ihn drei Monate ans Bett fesselte. Als er nach San Francisco zu¬
rückgekehrt war, faßte er den Plan zu einer Reise um die Welt. Zuerst sollte
ein Ausflug nach Japan gemacht werden, von da wollte er nach China und
Judien gehen, dann über Aegypten nach Europa, welches er nach verschiedenen
Richtungen zu durchstreifen gedachte, und zuletzt wollte er über das Atlautische
Meer nach Newyork fahren. Der Plan gelangte aber nicht zur Ausführung.
Der Wunsch, seine Verwandten nach siebenjähriger Abwesenheit wiederzusehen,
bewog ihn, seine Absicht zu ändern, und anstatt auf dem Umweg über Japan
und China begab er sich direkt — diesmal über den Isthmus von Panama
— nach Newyork.

Er kam in der „Empire City" im Frühjahr 1867 an, und fast unmittel¬
bar nach seinein Eintreffen daselbst finden wir ihn mit der Veröffentlichung
seines ersten Werkes in Buchform, der Sammluug von Schwanken und andern
humoristischen Aufsätzen beschäftigt, die unter dem Titel „Smileys berühmter
Springfrosch und andere Skizzen" in der Grnnowschen Kollektion von Ar¬
beiten amerikanischer Humoristen auch deutsch erschienen ist. Es mag hierzu
bemerkt werden, daß Geschichten von ungewöhnlichen Fröschen in Amerika so
beliebt und so häufig sind, wie Geschichten von außergewöhnlichen Schlangen.
Man ist auf diese Thiere ohne Zweifel deswegen gekommen, weil sie sich mit
ihrem Wesen ganz vorzüglich zu der Art barocker, scherzhaft übertreibender Er¬
zählungen eignen, welche von den Aankees mit dem Terminus „ta.I1 storz^"
bezeichnet werden, und die namentlich im Westen sehr beliebt sind. Es ist
nichts Ungewöhnliches, wenn man in amerikanischen Journalen einem Aufsatze
mit der Ueberschrift: „Wieder eine Froschgeschichte" oder „Ein Seitenstück zu
Twains Springsrosch" begegnet, aber das Original steht hoch über allen diesen
Nachahmungen. Dasselbe wurde sofort in England und bald darauf auch in
Australien nachgedruckt. Ebenso ist das kleine Buch in Indien wohl¬
bekannt, und man sagt, daß einmal ein Parse dasselbe einem kranken
Engländer mit den Worten gebracht habe, es sei das Lustigste, was er
lesen könnte.

Jetzt bot sich unserm Autor Gelegenheit, etwas von der alten Welt zu
sehen und so seinen längst gehegten Wunsch zu befriedige». Im Frühjahr


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[0509] Dies war im Jahre 1866. Drei Jahre zuvor hatte Artemus Ward mit großem Erfolge in San Francisco humoristische Vorträge gehalten und war dann nach Nevada gegangen. Mark Twain beschloß, ihm das nachzuthun. Er machte erst eine Tour durch Californien und dann nach Osten, wo er in Vir¬ ginia City gute Geschäfte machte, aber infolge eines schlechten Witzes guter Freunde, die ihm auf der Rückkehr von eiuer einträglichen Vorlesung im Städtchen Gold Hill als Räuber verkleidet auflauerten, in eine Krankheit ver¬ fiel, die ihn drei Monate ans Bett fesselte. Als er nach San Francisco zu¬ rückgekehrt war, faßte er den Plan zu einer Reise um die Welt. Zuerst sollte ein Ausflug nach Japan gemacht werden, von da wollte er nach China und Judien gehen, dann über Aegypten nach Europa, welches er nach verschiedenen Richtungen zu durchstreifen gedachte, und zuletzt wollte er über das Atlautische Meer nach Newyork fahren. Der Plan gelangte aber nicht zur Ausführung. Der Wunsch, seine Verwandten nach siebenjähriger Abwesenheit wiederzusehen, bewog ihn, seine Absicht zu ändern, und anstatt auf dem Umweg über Japan und China begab er sich direkt — diesmal über den Isthmus von Panama — nach Newyork. Er kam in der „Empire City" im Frühjahr 1867 an, und fast unmittel¬ bar nach seinein Eintreffen daselbst finden wir ihn mit der Veröffentlichung seines ersten Werkes in Buchform, der Sammluug von Schwanken und andern humoristischen Aufsätzen beschäftigt, die unter dem Titel „Smileys berühmter Springfrosch und andere Skizzen" in der Grnnowschen Kollektion von Ar¬ beiten amerikanischer Humoristen auch deutsch erschienen ist. Es mag hierzu bemerkt werden, daß Geschichten von ungewöhnlichen Fröschen in Amerika so beliebt und so häufig sind, wie Geschichten von außergewöhnlichen Schlangen. Man ist auf diese Thiere ohne Zweifel deswegen gekommen, weil sie sich mit ihrem Wesen ganz vorzüglich zu der Art barocker, scherzhaft übertreibender Er¬ zählungen eignen, welche von den Aankees mit dem Terminus „ta.I1 storz^" bezeichnet werden, und die namentlich im Westen sehr beliebt sind. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn man in amerikanischen Journalen einem Aufsatze mit der Ueberschrift: „Wieder eine Froschgeschichte" oder „Ein Seitenstück zu Twains Springsrosch" begegnet, aber das Original steht hoch über allen diesen Nachahmungen. Dasselbe wurde sofort in England und bald darauf auch in Australien nachgedruckt. Ebenso ist das kleine Buch in Indien wohl¬ bekannt, und man sagt, daß einmal ein Parse dasselbe einem kranken Engländer mit den Worten gebracht habe, es sei das Lustigste, was er lesen könnte. Jetzt bot sich unserm Autor Gelegenheit, etwas von der alten Welt zu sehen und so seinen längst gehegten Wunsch zu befriedige». Im Frühjahr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/509>, abgerufen am 03.07.2024.