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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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edle Thier ist zu Hause." Ein junger Mann, stark gebaut, mit rothem Gesicht,
hellen Haaren, blitzenden Augen, der nichts vom Gelehrten, aber viel von einem
Bergmann an sich hatte, ein Mann, der aussah, als ob er bei einem Streite
seinen Mann stehen und ebenso gut zuschlagen als sich dentlich ausdrücken
könnte, fidel, flott, gutherzig -- ein Maun der Art stand in Mark Twain vor
mir. Aus dem Fenster der Redaktion sah man hinaus in die große ameri¬
kanische Wüste, in welcher keine zehn Meilen vom Hause zwischen den Salbei¬
büschen Indianer ihr Lager hatten. Die Stadt wimmelte von Bergleuten,
Abenteurern, Spielern, jüdischen Handelsleuten und dem ganzen Menschen¬
getümmel, welches el',!e Bergwerksstadt in einem neuen Territorium in sich
sammelt. Natürlich geht in einer solchen Welt der Reporter nicht in gelben
Glacehandschuhen und mit einem Notizbuch mit goldbcschlagnen Ecken herum,
wenn er seiue Nachrichten zusammensucht. Ju Mark Twain fand ich genan
den Mann, den ich zu sehen erwartet, eine Blume der Wildniß, gefärbt mit
der Farbe des Bodens, einen Mann des Denkens und einen Mann des Handelns
in Eius verschmolzen, er war Humorist, aber zugleich ein Mensch, der schwer
arbeitete, Moinus in Filzhut und Aufschlagstiefelu."

Sechs Monate nachdem Mark Twain sich dem Stäbe der "Enterprise"
angeschlossen, begannen in Nevada die "flotten Zeiten", um ohne Abschwächung
drei Jahre lang fortzudauern. Die Stadt Virginia wuchs täglich an Größe.
Hunderte von Plänen zu raschem Gelderwerb waren in der Ausführung be¬
griffen, alle Tage wurden neue Gesellschaften zu diesem Zwecke gegründet.
Wagen mußten oft eine halbe Stunde lang in der Hauptstraße halten bleiben,
so groß war das Gedränge. Dabei hatte der Reporter fortwährend Gelegen¬
heit, Neuigkeiten zu sammeln, und hänfig geschah es, daß Mark Twain für
eine Notiz, die er in sein Blatt brachte, einen Antheil an einem werthvollen
Kuxe geschenkt bekam, sodciß er zuletzt einen halben Koffer voll solcher Antheil¬
scheine besaß, von denen jeder einen Marktwerth von vierhundert bis sechs¬
hundert Dollars hatte. Brauchte er dann Geld, so trug er ein paar davon
zum Makler und erhielt den Werth dafür. Trotzdem empfand unser Freund
nach einiger Zeit das Verlangen nach Veränderung. Er sehnte sich, nach
Californien zu gehen und die Wunder der Küste des Stillen Meeres zu sehen.
Bald fand sich dazu eine gute Gelegenheit, indem zwei Bergleute die Absicht
hatten, mit einem Manne von Weltkenntniß nach Newyork zu reisen und dort
eine reiche Silbergrnbe auf den Markt zu bringen. Es wurde vermittelt,
daß Mark Twain sie von San Francisco aus begleiten und dafür einen be¬
trächtlichen Antheil an dem Erlös des Bergwerks erhalten sollte. Er ging
nach San Francisco, stattete sich elegant aus, lebte eine Zeit lang herrlich und
in Freuden von dem Inhalt seines Koffers und wartete ans die Verkäufer der


edle Thier ist zu Hause." Ein junger Mann, stark gebaut, mit rothem Gesicht,
hellen Haaren, blitzenden Augen, der nichts vom Gelehrten, aber viel von einem
Bergmann an sich hatte, ein Mann, der aussah, als ob er bei einem Streite
seinen Mann stehen und ebenso gut zuschlagen als sich dentlich ausdrücken
könnte, fidel, flott, gutherzig — ein Maun der Art stand in Mark Twain vor
mir. Aus dem Fenster der Redaktion sah man hinaus in die große ameri¬
kanische Wüste, in welcher keine zehn Meilen vom Hause zwischen den Salbei¬
büschen Indianer ihr Lager hatten. Die Stadt wimmelte von Bergleuten,
Abenteurern, Spielern, jüdischen Handelsleuten und dem ganzen Menschen¬
getümmel, welches el',!e Bergwerksstadt in einem neuen Territorium in sich
sammelt. Natürlich geht in einer solchen Welt der Reporter nicht in gelben
Glacehandschuhen und mit einem Notizbuch mit goldbcschlagnen Ecken herum,
wenn er seiue Nachrichten zusammensucht. Ju Mark Twain fand ich genan
den Mann, den ich zu sehen erwartet, eine Blume der Wildniß, gefärbt mit
der Farbe des Bodens, einen Mann des Denkens und einen Mann des Handelns
in Eius verschmolzen, er war Humorist, aber zugleich ein Mensch, der schwer
arbeitete, Moinus in Filzhut und Aufschlagstiefelu."

Sechs Monate nachdem Mark Twain sich dem Stäbe der „Enterprise"
angeschlossen, begannen in Nevada die „flotten Zeiten", um ohne Abschwächung
drei Jahre lang fortzudauern. Die Stadt Virginia wuchs täglich an Größe.
Hunderte von Plänen zu raschem Gelderwerb waren in der Ausführung be¬
griffen, alle Tage wurden neue Gesellschaften zu diesem Zwecke gegründet.
Wagen mußten oft eine halbe Stunde lang in der Hauptstraße halten bleiben,
so groß war das Gedränge. Dabei hatte der Reporter fortwährend Gelegen¬
heit, Neuigkeiten zu sammeln, und hänfig geschah es, daß Mark Twain für
eine Notiz, die er in sein Blatt brachte, einen Antheil an einem werthvollen
Kuxe geschenkt bekam, sodciß er zuletzt einen halben Koffer voll solcher Antheil¬
scheine besaß, von denen jeder einen Marktwerth von vierhundert bis sechs¬
hundert Dollars hatte. Brauchte er dann Geld, so trug er ein paar davon
zum Makler und erhielt den Werth dafür. Trotzdem empfand unser Freund
nach einiger Zeit das Verlangen nach Veränderung. Er sehnte sich, nach
Californien zu gehen und die Wunder der Küste des Stillen Meeres zu sehen.
Bald fand sich dazu eine gute Gelegenheit, indem zwei Bergleute die Absicht
hatten, mit einem Manne von Weltkenntniß nach Newyork zu reisen und dort
eine reiche Silbergrnbe auf den Markt zu bringen. Es wurde vermittelt,
daß Mark Twain sie von San Francisco aus begleiten und dafür einen be¬
trächtlichen Antheil an dem Erlös des Bergwerks erhalten sollte. Er ging
nach San Francisco, stattete sich elegant aus, lebte eine Zeit lang herrlich und
in Freuden von dem Inhalt seines Koffers und wartete ans die Verkäufer der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/507>, abgerufen am 23.07.2024.