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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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wohlwollend in einer Audienz empfangen. Ob einer von ihnen erröthete,
darüber sagen die Akten nichts. Hoffen wir es von beiden. --

Galilei lehrte dann, wohl in der Ueberzeugung, den Schein gerettet zu
haben, in sein altes Verhältniß zum Herzog von Toskana zurück, und lebte
ganz den Wissenschaften. Daß er seinen zu Rom gegebenen Eidschwur brach
und sogar neue Anhänger seiner Lehre warb und bildete, wissen wir aus deu
Memoiren eben dieser Anhänger. Sicher war man auch zu Rom sehr wohl von
all diesen Vorgängen unterrichtet, und wenn man trotzdem nicht gegen Galilei
als rückfälligen Ketzer einschritt, so war der Grund wohl weniger in dem
Hauche christlicher Milde und verzeihender Liebe zu suchen, als darin, daß
Galilei, nur auf mündlichen Verkehr sich beschränkend, seinen Gegnern es nicht
leicht machte, Beweise seiner Handlungen zu beschaffen. Sein Werk "it K-ZWia,-
tortZ" war zwar voll prickelnder Satire gegen seine Gegner, enthielt aber nichts,
was das verbotene Sonnensystem direkt berührte.

Da trat ein Ereigniß ein, das Galilei zu den kühnsten Hoffnungen ent¬
flammte. Ein neuer Papst wurde gewühlt. Urban der Achte, aus dem flo-
rentinischen Geschlecht der Barberini stammend, war ein alter Bekannter des
Gelehrten, ja, als Kardinal hatte er sogar ein Lobgedicht auf deu Entdecker
neuer Welten gemacht. Galilei, als echter Italiener feiner Zeit, eilte mit der
größten Harmlosigkeit wieder uach Rom, nöthigte den Papst, die alte Jugend-
freundschaft wieder aufzufrischen, erhielt von demselben Geschenke und "erbat",
wollen wir höflicher Weise sagen, für seinen Sohn sogar eine Pension! Auch
der Gegner des Papstthums wird nicht umhin können, dieses Verhalten Urbans
des Achten als ein echt fürstliches anzuerkennen, vornehm im besten Sinne
des Wortes, das um so schärfer deu Kontrast mit deu darauf folgenden Hand¬
lungen Galileis hervortreten läßt. Der aufgeklärte, feingebildete Fürst der
Kirche, durchdrungen von dem Gefühl, daß nnter seinem Vorgänger ein grober
und beklagenswerther Mißgriff vorgekommen sei, hat sich offenbar bemüht,
foweit er persönlich konnte, Galilei zu entschädigen. Andrerseits Hütte der
hohe Verstand und die lange Erfahrung des Letzteren im Hof- und Staatsleben
dem Gelehrten deutlich machen sollen, daß das Wohlwollen des Papstes ge¬
wisse Grenzen nicht überschreiten durfte, daß der Papst als solcher unter Um¬
ständen anch eine Lehre verwerfen und verfolgen mußte, die der Fürst Barberini
als Kardinal geistreich gefunden, vielleicht auch später noch unter vier Augen
gebilligt hatte.

An all das dachte jedoch Galilei nicht, als er sein Werk herausgab:
"Unterhaltungen über die beiden großen Weltsysteme." Er zwang dadurch den
Papst, dem, was man damals Recht nannte, seinen Lauf zu lasten.


Grmzbvtlm I, 1377.

wohlwollend in einer Audienz empfangen. Ob einer von ihnen erröthete,
darüber sagen die Akten nichts. Hoffen wir es von beiden. —

Galilei lehrte dann, wohl in der Ueberzeugung, den Schein gerettet zu
haben, in sein altes Verhältniß zum Herzog von Toskana zurück, und lebte
ganz den Wissenschaften. Daß er seinen zu Rom gegebenen Eidschwur brach
und sogar neue Anhänger seiner Lehre warb und bildete, wissen wir aus deu
Memoiren eben dieser Anhänger. Sicher war man auch zu Rom sehr wohl von
all diesen Vorgängen unterrichtet, und wenn man trotzdem nicht gegen Galilei
als rückfälligen Ketzer einschritt, so war der Grund wohl weniger in dem
Hauche christlicher Milde und verzeihender Liebe zu suchen, als darin, daß
Galilei, nur auf mündlichen Verkehr sich beschränkend, seinen Gegnern es nicht
leicht machte, Beweise seiner Handlungen zu beschaffen. Sein Werk „it K-ZWia,-
tortZ" war zwar voll prickelnder Satire gegen seine Gegner, enthielt aber nichts,
was das verbotene Sonnensystem direkt berührte.

Da trat ein Ereigniß ein, das Galilei zu den kühnsten Hoffnungen ent¬
flammte. Ein neuer Papst wurde gewühlt. Urban der Achte, aus dem flo-
rentinischen Geschlecht der Barberini stammend, war ein alter Bekannter des
Gelehrten, ja, als Kardinal hatte er sogar ein Lobgedicht auf deu Entdecker
neuer Welten gemacht. Galilei, als echter Italiener feiner Zeit, eilte mit der
größten Harmlosigkeit wieder uach Rom, nöthigte den Papst, die alte Jugend-
freundschaft wieder aufzufrischen, erhielt von demselben Geschenke und „erbat",
wollen wir höflicher Weise sagen, für seinen Sohn sogar eine Pension! Auch
der Gegner des Papstthums wird nicht umhin können, dieses Verhalten Urbans
des Achten als ein echt fürstliches anzuerkennen, vornehm im besten Sinne
des Wortes, das um so schärfer deu Kontrast mit deu darauf folgenden Hand¬
lungen Galileis hervortreten läßt. Der aufgeklärte, feingebildete Fürst der
Kirche, durchdrungen von dem Gefühl, daß nnter seinem Vorgänger ein grober
und beklagenswerther Mißgriff vorgekommen sei, hat sich offenbar bemüht,
foweit er persönlich konnte, Galilei zu entschädigen. Andrerseits Hütte der
hohe Verstand und die lange Erfahrung des Letzteren im Hof- und Staatsleben
dem Gelehrten deutlich machen sollen, daß das Wohlwollen des Papstes ge¬
wisse Grenzen nicht überschreiten durfte, daß der Papst als solcher unter Um¬
ständen anch eine Lehre verwerfen und verfolgen mußte, die der Fürst Barberini
als Kardinal geistreich gefunden, vielleicht auch später noch unter vier Augen
gebilligt hatte.

An all das dachte jedoch Galilei nicht, als er sein Werk herausgab:
„Unterhaltungen über die beiden großen Weltsysteme." Er zwang dadurch den
Papst, dem, was man damals Recht nannte, seinen Lauf zu lasten.


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[0497] wohlwollend in einer Audienz empfangen. Ob einer von ihnen erröthete, darüber sagen die Akten nichts. Hoffen wir es von beiden. — Galilei lehrte dann, wohl in der Ueberzeugung, den Schein gerettet zu haben, in sein altes Verhältniß zum Herzog von Toskana zurück, und lebte ganz den Wissenschaften. Daß er seinen zu Rom gegebenen Eidschwur brach und sogar neue Anhänger seiner Lehre warb und bildete, wissen wir aus deu Memoiren eben dieser Anhänger. Sicher war man auch zu Rom sehr wohl von all diesen Vorgängen unterrichtet, und wenn man trotzdem nicht gegen Galilei als rückfälligen Ketzer einschritt, so war der Grund wohl weniger in dem Hauche christlicher Milde und verzeihender Liebe zu suchen, als darin, daß Galilei, nur auf mündlichen Verkehr sich beschränkend, seinen Gegnern es nicht leicht machte, Beweise seiner Handlungen zu beschaffen. Sein Werk „it K-ZWia,- tortZ" war zwar voll prickelnder Satire gegen seine Gegner, enthielt aber nichts, was das verbotene Sonnensystem direkt berührte. Da trat ein Ereigniß ein, das Galilei zu den kühnsten Hoffnungen ent¬ flammte. Ein neuer Papst wurde gewühlt. Urban der Achte, aus dem flo- rentinischen Geschlecht der Barberini stammend, war ein alter Bekannter des Gelehrten, ja, als Kardinal hatte er sogar ein Lobgedicht auf deu Entdecker neuer Welten gemacht. Galilei, als echter Italiener feiner Zeit, eilte mit der größten Harmlosigkeit wieder uach Rom, nöthigte den Papst, die alte Jugend- freundschaft wieder aufzufrischen, erhielt von demselben Geschenke und „erbat", wollen wir höflicher Weise sagen, für seinen Sohn sogar eine Pension! Auch der Gegner des Papstthums wird nicht umhin können, dieses Verhalten Urbans des Achten als ein echt fürstliches anzuerkennen, vornehm im besten Sinne des Wortes, das um so schärfer deu Kontrast mit deu darauf folgenden Hand¬ lungen Galileis hervortreten läßt. Der aufgeklärte, feingebildete Fürst der Kirche, durchdrungen von dem Gefühl, daß nnter seinem Vorgänger ein grober und beklagenswerther Mißgriff vorgekommen sei, hat sich offenbar bemüht, foweit er persönlich konnte, Galilei zu entschädigen. Andrerseits Hütte der hohe Verstand und die lange Erfahrung des Letzteren im Hof- und Staatsleben dem Gelehrten deutlich machen sollen, daß das Wohlwollen des Papstes ge¬ wisse Grenzen nicht überschreiten durfte, daß der Papst als solcher unter Um¬ ständen anch eine Lehre verwerfen und verfolgen mußte, die der Fürst Barberini als Kardinal geistreich gefunden, vielleicht auch später noch unter vier Augen gebilligt hatte. An all das dachte jedoch Galilei nicht, als er sein Werk herausgab: „Unterhaltungen über die beiden großen Weltsysteme." Er zwang dadurch den Papst, dem, was man damals Recht nannte, seinen Lauf zu lasten. Grmzbvtlm I, 1377.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/497>, abgerufen am 23.07.2024.