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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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lesbar machte. Weit weniger Begeisterung, als diese Jnhrmarktstückchen, erregte
indeß sein Versuch, seine Ansichten über das Planetensystem "populär" zu
machen, wie wir hente sagen würden. Es gab zwar helle Köpfe genug
unter seinen Zuhörern, aber auch genug Andere unter der römischen Klerisei,
die da meinten, so lauge diese Wahrheit mir unter den Gelehrten, gewisser¬
maßen als eine mathematische oder astronomische Schrulle eirkulirte, oder nur
drüben bei den Ketzern, die doch keine der dermaligen Petcrspfennige in Form
von Ablaßzetteln zahlten, könne mau ein Ange zudrücken. Nun aber, da die Sache
hier in Rom, am Herzen des heiligen Vaters nnter die Leute komme, da sei
es ganz was andres. So fragte denn zuerst der Kardinal Bellarmin, vor¬
läufig ohne deu nennen Galileis zu nennen, bei dem gedachten Collegio an,
was es von den und den Ansichten halte, die kürzlich ein bedeutender Gelehrter
geäußert habe. Mau kann sich die Antwort denken, von Köpfen, die in ihrer
Jugend den Verstand geschärft hatten an den Fragen der Scholastiker: Hatte
Adam schon einen Nabel? Was war die Weise Melchisedeks für eine Weise?
Wusch Pilatus die Hände mit Seife? n. dergl., deren Phantasie sich mit den
obseönsten Zoten gesättigt hatte, mit denen ein Sanchez soeben erst (1(!t)7) die
frommen Kirchenväter so sehr erbaut hatte, daß der päpstliche Censor unter
seinen Folianten as. s. in^trimonio 8i^ra,molto die schamlose Censur setzte:
Jogi et pvrlkgi maxima. can vowMt". Die Sache war ihnen zu hoch, sie
fanden nichts Verdächtiges in den Aufsätzen über die Jnpitermonde, die Ober¬
fläche des Mondes, über die Veränderungen der Venus und des Saturn. Die
klügeren Ankläger im Hintergründe mußten erst für bessere Ankläger sorgen.

Während der Papst Galilei mit großer Aufmerksamkeit behandelte, alle
Höflinge vor ihm sich krümmten, zog über ihn schon die Wetterwolke heran.
Hinter seinem Rücken frug mau vou Rom aus bei Gelegenheit eines andern
Prozesses bei dem geistlichen Gerichtshof zu Padua an, ob man dort nichts
Verdächtiges an Galileis Schriften gefunden habe. Zwar konnte auch vou
hier aus nicht offen gegen ihn vorgegangen werden, aber man war nun einmal
auf ihn aufmerksam geworden.

Eine plumpe Attacke, von seinen Gegnern vielleicht als Fühler voraus¬
gesendet, traf ihn bei seiner Rückkehr in Florenz. Dort lebte er ans des
Herzogs schönem Landsitz Belriguardo, in reichem geistigen Verkehr unter zahl¬
reichen Anhängern und Verehrern sich eine Schule gründend, nach Art der
Meister seiner Zeit. Ein Dominikanermönch, der wohl von einem derartigen
Disput einige Sätze aufgeschnappt hatte, vielleicht auch gehetzt vou einem seiner
Herren, riß bei einer Predigt den an sich gar nicht Übeln Mönchswitz im
blühendsten Klosterlatein, als er die Sage erwähnte von der'Sonne Josuas:
"Viii Snlilaei, cMck Stalls ".Meieutes in coelum?" Des kreischenden


lesbar machte. Weit weniger Begeisterung, als diese Jnhrmarktstückchen, erregte
indeß sein Versuch, seine Ansichten über das Planetensystem „populär" zu
machen, wie wir hente sagen würden. Es gab zwar helle Köpfe genug
unter seinen Zuhörern, aber auch genug Andere unter der römischen Klerisei,
die da meinten, so lauge diese Wahrheit mir unter den Gelehrten, gewisser¬
maßen als eine mathematische oder astronomische Schrulle eirkulirte, oder nur
drüben bei den Ketzern, die doch keine der dermaligen Petcrspfennige in Form
von Ablaßzetteln zahlten, könne mau ein Ange zudrücken. Nun aber, da die Sache
hier in Rom, am Herzen des heiligen Vaters nnter die Leute komme, da sei
es ganz was andres. So fragte denn zuerst der Kardinal Bellarmin, vor¬
läufig ohne deu nennen Galileis zu nennen, bei dem gedachten Collegio an,
was es von den und den Ansichten halte, die kürzlich ein bedeutender Gelehrter
geäußert habe. Mau kann sich die Antwort denken, von Köpfen, die in ihrer
Jugend den Verstand geschärft hatten an den Fragen der Scholastiker: Hatte
Adam schon einen Nabel? Was war die Weise Melchisedeks für eine Weise?
Wusch Pilatus die Hände mit Seife? n. dergl., deren Phantasie sich mit den
obseönsten Zoten gesättigt hatte, mit denen ein Sanchez soeben erst (1(!t)7) die
frommen Kirchenväter so sehr erbaut hatte, daß der päpstliche Censor unter
seinen Folianten as. s. in^trimonio 8i^ra,molto die schamlose Censur setzte:
Jogi et pvrlkgi maxima. can vowMt«. Die Sache war ihnen zu hoch, sie
fanden nichts Verdächtiges in den Aufsätzen über die Jnpitermonde, die Ober¬
fläche des Mondes, über die Veränderungen der Venus und des Saturn. Die
klügeren Ankläger im Hintergründe mußten erst für bessere Ankläger sorgen.

Während der Papst Galilei mit großer Aufmerksamkeit behandelte, alle
Höflinge vor ihm sich krümmten, zog über ihn schon die Wetterwolke heran.
Hinter seinem Rücken frug mau vou Rom aus bei Gelegenheit eines andern
Prozesses bei dem geistlichen Gerichtshof zu Padua an, ob man dort nichts
Verdächtiges an Galileis Schriften gefunden habe. Zwar konnte auch vou
hier aus nicht offen gegen ihn vorgegangen werden, aber man war nun einmal
auf ihn aufmerksam geworden.

Eine plumpe Attacke, von seinen Gegnern vielleicht als Fühler voraus¬
gesendet, traf ihn bei seiner Rückkehr in Florenz. Dort lebte er ans des
Herzogs schönem Landsitz Belriguardo, in reichem geistigen Verkehr unter zahl¬
reichen Anhängern und Verehrern sich eine Schule gründend, nach Art der
Meister seiner Zeit. Ein Dominikanermönch, der wohl von einem derartigen
Disput einige Sätze aufgeschnappt hatte, vielleicht auch gehetzt vou einem seiner
Herren, riß bei einer Predigt den an sich gar nicht Übeln Mönchswitz im
blühendsten Klosterlatein, als er die Sage erwähnte von der'Sonne Josuas:
„Viii Snlilaei, cMck Stalls «.Meieutes in coelum?" Des kreischenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/492>, abgerufen am 23.07.2024.