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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Die Präsidentenwahl in den Gereinigten Staaten.

Der Schlußakt des lang ausgesponnenen Dramas der Präsidentenwahl in
den Vereinigten Staaten hat seine Endschaft erreicht. Der Kandidat der re¬
publikanischen Partei, Rutherford B. Hayes, bisher Gouverneur des
Staates Ohio, ist der Nachfolger von U. S. Grant; er tritt sein hohes, ver¬
antwortliches Amt unter Umständen an, die in politischer und nationalöko-
nomischer Beziehung die größten Schwierigkeiten mit sich bringen.

Die Art und Weise, wie Hayes den Präsidentenstuhl der Vereinigten
Staaten bestieg, steht einzig in der Geschichte dieser Republik da. Nach deu
Bestimmungen der Bundesverfassung und den ergänzenden Gesetzen mußte der
Präsident des Buudesseuats am zweiten Mittwoch im Februar des Jahres,
in welchem der neugewählte Präsident der Union sein Amt anzutreten hatte,
in gemeinsamer Sitzung der beiden Kongreßhäuser die aus den verschiedenen
Unionsstaaten an ihn eingesandten (Zertifikate und Abstimmungslisteu der Prä-
sidentenwahlmänner oder Elektoren eröffnen und zählen lassen und, nachdem
dies geschehen, diejenige Person, welche die höchste Zahl der Stimmen für das
Präsidentenamt erhalten, als erwählten Präsidenten proklamiren, wenn selbige
Zahl eine Mehrheit der ganzen Anzahl der Elektoren ausmachte. Es war
jedoch in diesem Jahre vorauszusehen, daß -- bei dem geringen Unterschiede
der Zahl der Wahlmännerstimmen (184 zu 185) und bei den mangelhaften
Bestimmungen der Bundesverfassung in Bezug auf das Auszählen der Elektoral-
stimmen -- während des offiziellen Zählnngsaktes zwischen dem in seiner
Mehrheit republikanisch gesinnten Senate und dem in seiner Mehrheit demo¬
kratisch gesinnten Repräsentantenhause die heftigsten, die ganze hochwichtige
Handlung vielleicht störenden Scenen stattgefunden haben würden. In Er¬
wägung dieses Umstandes faßte daher, nach längeren Diskussionen in der Presse
und in der Nativnalgesetzgebung, der Kongreß den Beschluß, ein gemeinsames
Könnt) (^vint, Lvmmitwe) aus den Mitgliedern des Senats und des Re-
Präseutauteuhauses zu erwählen und damit zu betrauen, einen Plan ausfindig
zu machen, wie die verwickelte Präsideuteustreitfrage in billiger, gerechter und
möglichst unparteiischer Weise gelöst werden könnte. Von Seiten des Senats
wurden in dieses aus vierzehn Mitgliedern bestehende Komik6 gewählt die Re¬
publikaner George F. Edmunds, Oliver P. Morton, Fr. I. Frelinghuysen und
Roseoe Conkling und die Demokraten A. G. Thürmen, T. F. Bayard und
M. W. Ransom; das Repräsentantenhaus bestimmte dazu die vier Demokraten
H. B. Payne, E. Hnnton, A. S. Hewit und Wen. M. Springer, sowie die


Die Präsidentenwahl in den Gereinigten Staaten.

Der Schlußakt des lang ausgesponnenen Dramas der Präsidentenwahl in
den Vereinigten Staaten hat seine Endschaft erreicht. Der Kandidat der re¬
publikanischen Partei, Rutherford B. Hayes, bisher Gouverneur des
Staates Ohio, ist der Nachfolger von U. S. Grant; er tritt sein hohes, ver¬
antwortliches Amt unter Umständen an, die in politischer und nationalöko-
nomischer Beziehung die größten Schwierigkeiten mit sich bringen.

Die Art und Weise, wie Hayes den Präsidentenstuhl der Vereinigten
Staaten bestieg, steht einzig in der Geschichte dieser Republik da. Nach deu
Bestimmungen der Bundesverfassung und den ergänzenden Gesetzen mußte der
Präsident des Buudesseuats am zweiten Mittwoch im Februar des Jahres,
in welchem der neugewählte Präsident der Union sein Amt anzutreten hatte,
in gemeinsamer Sitzung der beiden Kongreßhäuser die aus den verschiedenen
Unionsstaaten an ihn eingesandten (Zertifikate und Abstimmungslisteu der Prä-
sidentenwahlmänner oder Elektoren eröffnen und zählen lassen und, nachdem
dies geschehen, diejenige Person, welche die höchste Zahl der Stimmen für das
Präsidentenamt erhalten, als erwählten Präsidenten proklamiren, wenn selbige
Zahl eine Mehrheit der ganzen Anzahl der Elektoren ausmachte. Es war
jedoch in diesem Jahre vorauszusehen, daß — bei dem geringen Unterschiede
der Zahl der Wahlmännerstimmen (184 zu 185) und bei den mangelhaften
Bestimmungen der Bundesverfassung in Bezug auf das Auszählen der Elektoral-
stimmen — während des offiziellen Zählnngsaktes zwischen dem in seiner
Mehrheit republikanisch gesinnten Senate und dem in seiner Mehrheit demo¬
kratisch gesinnten Repräsentantenhause die heftigsten, die ganze hochwichtige
Handlung vielleicht störenden Scenen stattgefunden haben würden. In Er¬
wägung dieses Umstandes faßte daher, nach längeren Diskussionen in der Presse
und in der Nativnalgesetzgebung, der Kongreß den Beschluß, ein gemeinsames
Könnt) (^vint, Lvmmitwe) aus den Mitgliedern des Senats und des Re-
Präseutauteuhauses zu erwählen und damit zu betrauen, einen Plan ausfindig
zu machen, wie die verwickelte Präsideuteustreitfrage in billiger, gerechter und
möglichst unparteiischer Weise gelöst werden könnte. Von Seiten des Senats
wurden in dieses aus vierzehn Mitgliedern bestehende Komik6 gewählt die Re¬
publikaner George F. Edmunds, Oliver P. Morton, Fr. I. Frelinghuysen und
Roseoe Conkling und die Demokraten A. G. Thürmen, T. F. Bayard und
M. W. Ransom; das Repräsentantenhaus bestimmte dazu die vier Demokraten
H. B. Payne, E. Hnnton, A. S. Hewit und Wen. M. Springer, sowie die


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[0475] Die Präsidentenwahl in den Gereinigten Staaten. Der Schlußakt des lang ausgesponnenen Dramas der Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten hat seine Endschaft erreicht. Der Kandidat der re¬ publikanischen Partei, Rutherford B. Hayes, bisher Gouverneur des Staates Ohio, ist der Nachfolger von U. S. Grant; er tritt sein hohes, ver¬ antwortliches Amt unter Umständen an, die in politischer und nationalöko- nomischer Beziehung die größten Schwierigkeiten mit sich bringen. Die Art und Weise, wie Hayes den Präsidentenstuhl der Vereinigten Staaten bestieg, steht einzig in der Geschichte dieser Republik da. Nach deu Bestimmungen der Bundesverfassung und den ergänzenden Gesetzen mußte der Präsident des Buudesseuats am zweiten Mittwoch im Februar des Jahres, in welchem der neugewählte Präsident der Union sein Amt anzutreten hatte, in gemeinsamer Sitzung der beiden Kongreßhäuser die aus den verschiedenen Unionsstaaten an ihn eingesandten (Zertifikate und Abstimmungslisteu der Prä- sidentenwahlmänner oder Elektoren eröffnen und zählen lassen und, nachdem dies geschehen, diejenige Person, welche die höchste Zahl der Stimmen für das Präsidentenamt erhalten, als erwählten Präsidenten proklamiren, wenn selbige Zahl eine Mehrheit der ganzen Anzahl der Elektoren ausmachte. Es war jedoch in diesem Jahre vorauszusehen, daß — bei dem geringen Unterschiede der Zahl der Wahlmännerstimmen (184 zu 185) und bei den mangelhaften Bestimmungen der Bundesverfassung in Bezug auf das Auszählen der Elektoral- stimmen — während des offiziellen Zählnngsaktes zwischen dem in seiner Mehrheit republikanisch gesinnten Senate und dem in seiner Mehrheit demo¬ kratisch gesinnten Repräsentantenhause die heftigsten, die ganze hochwichtige Handlung vielleicht störenden Scenen stattgefunden haben würden. In Er¬ wägung dieses Umstandes faßte daher, nach längeren Diskussionen in der Presse und in der Nativnalgesetzgebung, der Kongreß den Beschluß, ein gemeinsames Könnt) (^vint, Lvmmitwe) aus den Mitgliedern des Senats und des Re- Präseutauteuhauses zu erwählen und damit zu betrauen, einen Plan ausfindig zu machen, wie die verwickelte Präsideuteustreitfrage in billiger, gerechter und möglichst unparteiischer Weise gelöst werden könnte. Von Seiten des Senats wurden in dieses aus vierzehn Mitgliedern bestehende Komik6 gewählt die Re¬ publikaner George F. Edmunds, Oliver P. Morton, Fr. I. Frelinghuysen und Roseoe Conkling und die Demokraten A. G. Thürmen, T. F. Bayard und M. W. Ransom; das Repräsentantenhaus bestimmte dazu die vier Demokraten H. B. Payne, E. Hnnton, A. S. Hewit und Wen. M. Springer, sowie die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/475>, abgerufen am 23.07.2024.