Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.Und keine mühelose Sache war's, Die Schauspiele haben wieder begonnen, aber schon redet man von einer Auch Casanova, der berühmte und berüchtigte Abade und Abenteurer, der "Ich miethete für eine Woche im Karneval einen viersitzigen Wagen, um 1771 traf Casanova mit zwei hervorragenden Persönlichkeiten, dem Kar¬ Greiizboten 7. 1877. 59
Und keine mühelose Sache war's, Die Schauspiele haben wieder begonnen, aber schon redet man von einer Auch Casanova, der berühmte und berüchtigte Abade und Abenteurer, der „Ich miethete für eine Woche im Karneval einen viersitzigen Wagen, um 1771 traf Casanova mit zwei hervorragenden Persönlichkeiten, dem Kar¬ Greiizboten 7. 1877. 59
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137646"/> <quote> Und keine mühelose Sache war's,<lb/> Dasz doch dem Teufel endlich blieb die Oberhand.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1528"> Die Schauspiele haben wieder begonnen, aber schon redet man von einer<lb/> neuen Unterbrechung. Bei dieser Wirthschaft geht meine Geduld<lb/> auf die Neige; der heilige Vater sollte sich wirklich uach der<lb/> einen oder der andern Seite entschließen. Glaubt er, daß ich<lb/> Zeit zum Warten habe und dreißig Jahre hier bleiben will?<lb/> Alle Morgen sende ich um Nachrichten uach Monte Cavallo......— End¬<lb/> lich hat der treue Perret, als er heute morgen in mein Zimmer trat, die<lb/> Nachricht gebracht, daß es zu Ende ist mit dxm Statthalter Christi. Er ist<lb/> zwischen sieben und acht Uhr gestorben. Ich will mich auf der Stelle ankleiden<lb/> und nach Monte Cavallo gehen. Schon höre ich die Glocke des Kapitols läuten<lb/> und in unserm Quartier die Trommel schlagen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1529"> Auch Casanova, der berühmte und berüchtigte Abade und Abenteurer, der<lb/> mehrmals den römischen Karneval gewählt hat, um seinen Liebhabereien<lb/> nachzugehen, erzählt uns davon in seinen Memoiren. Vom Jahre 1761 be¬<lb/> richtet er:</p><lb/> <p xml:id="ID_1530"> „Ich miethete für eine Woche im Karneval einen viersitzigen Wagen, um<lb/> täglich drei Stunden auf dem Corso spazieren zu fahren. Dort schwärmen<lb/> mit unbeschreiblichem Lärm Scharen von Masken aller Art zu Fuß und zu<lb/> Wagen. Die Confetti, die satirischen Gedichte, die Pasquinaden regnen von<lb/> allen Seiten. Hier mischt sich die ganze vornehme und glänzende Welt von<lb/> Rom mit der Volksmenge. Die Rennpferde, zwischen zwei Wagenreihen hin-<lb/> stnrmend, jagen blitzschnell dem Ziele zu. Am Abend erdrückt sich das Volk in<lb/> der Oper, den Komödien, den Pantomimen und bei den Seiltänzern. In den<lb/> Wirthshäusern nud Weinstuben sind alle Räume und Tische besetzt; Alles ißt<lb/> und trinkt, als wäre es das letzte Mal im Leben."</p><lb/> <p xml:id="ID_1531" next="#ID_1532"> 1771 traf Casanova mit zwei hervorragenden Persönlichkeiten, dem Kar¬<lb/> dinal Bernis und der Prinzessin Santa-Croce, beim römischen Karneval zu¬<lb/> sammen. Er wohnte einem großen Gastmahle bei, über welches er erzählt:<lb/> „ . . . . Man unterhielt sich während des Essens vom Tanz. Er ist die<lb/> Leidenschaft der römischen Mädchen, und meine Begleiterinnen waren ganz<lb/> von ihr ergriffen: das versteht sich wohl. Der Papst Rezzonieo (Clemens<lb/> XIII.) wollte das Vergnügen des Tanzes während seiner Regierung untersagen.<lb/> Er gestattete Hazardspiele ohne Unterschied, verbot aber den Tanz. — Sein<lb/> Nachfolger Ganganelli that gerade das Entgegengesetzte, da er keinen Grund<lb/> sah, seine Unterthanen zu hindern, nach ihrem Gefallen zu tanzen. Ich ver¬<lb/> sprach meinen Festgenossinnen, sie auf einen Ball zu führen, sobald es ge¬<lb/> lungen sein würde, eine Festlichkeit dieser Art ausfindig zu machen, bei der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Greiizboten 7. 1877. 59</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0473]
Und keine mühelose Sache war's,
Dasz doch dem Teufel endlich blieb die Oberhand.
Die Schauspiele haben wieder begonnen, aber schon redet man von einer
neuen Unterbrechung. Bei dieser Wirthschaft geht meine Geduld
auf die Neige; der heilige Vater sollte sich wirklich uach der
einen oder der andern Seite entschließen. Glaubt er, daß ich
Zeit zum Warten habe und dreißig Jahre hier bleiben will?
Alle Morgen sende ich um Nachrichten uach Monte Cavallo......— End¬
lich hat der treue Perret, als er heute morgen in mein Zimmer trat, die
Nachricht gebracht, daß es zu Ende ist mit dxm Statthalter Christi. Er ist
zwischen sieben und acht Uhr gestorben. Ich will mich auf der Stelle ankleiden
und nach Monte Cavallo gehen. Schon höre ich die Glocke des Kapitols läuten
und in unserm Quartier die Trommel schlagen."
Auch Casanova, der berühmte und berüchtigte Abade und Abenteurer, der
mehrmals den römischen Karneval gewählt hat, um seinen Liebhabereien
nachzugehen, erzählt uns davon in seinen Memoiren. Vom Jahre 1761 be¬
richtet er:
„Ich miethete für eine Woche im Karneval einen viersitzigen Wagen, um
täglich drei Stunden auf dem Corso spazieren zu fahren. Dort schwärmen
mit unbeschreiblichem Lärm Scharen von Masken aller Art zu Fuß und zu
Wagen. Die Confetti, die satirischen Gedichte, die Pasquinaden regnen von
allen Seiten. Hier mischt sich die ganze vornehme und glänzende Welt von
Rom mit der Volksmenge. Die Rennpferde, zwischen zwei Wagenreihen hin-
stnrmend, jagen blitzschnell dem Ziele zu. Am Abend erdrückt sich das Volk in
der Oper, den Komödien, den Pantomimen und bei den Seiltänzern. In den
Wirthshäusern nud Weinstuben sind alle Räume und Tische besetzt; Alles ißt
und trinkt, als wäre es das letzte Mal im Leben."
1771 traf Casanova mit zwei hervorragenden Persönlichkeiten, dem Kar¬
dinal Bernis und der Prinzessin Santa-Croce, beim römischen Karneval zu¬
sammen. Er wohnte einem großen Gastmahle bei, über welches er erzählt:
„ . . . . Man unterhielt sich während des Essens vom Tanz. Er ist die
Leidenschaft der römischen Mädchen, und meine Begleiterinnen waren ganz
von ihr ergriffen: das versteht sich wohl. Der Papst Rezzonieo (Clemens
XIII.) wollte das Vergnügen des Tanzes während seiner Regierung untersagen.
Er gestattete Hazardspiele ohne Unterschied, verbot aber den Tanz. — Sein
Nachfolger Ganganelli that gerade das Entgegengesetzte, da er keinen Grund
sah, seine Unterthanen zu hindern, nach ihrem Gefallen zu tanzen. Ich ver¬
sprach meinen Festgenossinnen, sie auf einen Ball zu führen, sobald es ge¬
lungen sein würde, eine Festlichkeit dieser Art ausfindig zu machen, bei der
Greiizboten 7. 1877. 59
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