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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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wider den Andern." "Geh, verbanne alle Zweifel; ich will Euch glücklich
machen, Du, Faust, Dein Sohn sollen meine Freunde sein. Ihr könnt Eure
Tage im Schoße des Vergnügens zubringen, kein Maugel, keine Krankheit,
keine Sorge soll Eure Liebe unterbrechen, ich will Euer Schutzgott, Euer
Vater sein, aber ich fordere Gehorsam. Eile, vollzieh meinen Befehl! Wo
nicht, so zittere für Dich, für Deinen Freund, für Deinen Sohn. Entschließ
Dich, nimm diesen Dolch, er ist mit Stärke und Tod bewaffnet. Sobald die
DSinmerung diesen Palast verfinstert, werde ich Dir die Beute überliefern.
Dein Sohn bleibt meine Geißel." Damit geht er. Helena aber hält nun
folgendes Selbstgespräch: "Ich trage dieses höllische Mordeiseu in meinen
Händen. -- Wie zittert meine Hand! -- Welche schwarze Wetter sind rings
um mich! -- Mein schwacher Geist verliert sich. Was seh ich: die Blitze
leuchte", die Donner brüllen, die entfesselten Winde heulen, die Erdklöße er¬
heben sich, Himmel und Wasser sind vermischt, die Erde trauet mich zu ver¬
schlingen, der Sturmwind reißt mich fort. -- Wo bin ich? -- Ha, ich bin
allein, er ist fort, der Verführer. -- Mein Sohn, mein Freund, wo seid Ihr?
Kommt mir zu Hülfe, unterstützt mich, ich falle. -- Was seh ich? -- Man
reißt sie fort! Ja, die Hölle speit hungrige Tiger aus -- sie eilen auf uns
zu. Mein Geliebter, mein Sohn! Haltet ein! Es fließt schon ihr Blut. --
Ha, ich eile, ich rette Euch! --Er soll sterben! -- Wo gehe ich hin? --Helena,
wo bist Dn? Deine Seele verliert sich -- ich bin entkräftet -- ich Elende,
was soll ich entschließen? -- Mein Herz ist getheilt. Ich will, ich muß sie
retten. Stirb, stirb! -- Grausame, sieh diesen armen Greisen, wie er Dich
segnet, wie er Dich anspricht: Tochter, warum tödtest Du mich? -- Nein, lebe,
ich kann Dich nicht beleidigen. -- So stirbt Dein Sohn, so ist Dein Freund
das Schlachtopfer der Hölle. Ihr Blut, ihr theures Blut ruht auf Dir. Meine
Seele schwimmt in einem Meere von Zweifeln. Wer kommt? Ich zittere."

Der Kommende ist Faust. Er erklärt ihr, daß es für ihn keine Rettung mehr
gebe, und bittet sie, ihn seinem Jammer zu überlassen und zu gehen. Sie
weigert sich und will mit ihn: sterben, mit ihm verloren sein. Er räth ihr
wiederholt zur Flucht und ruft ihr Lebewohl auf ewig zu. Sie erwidert,
daß sie ihn retten will. Er fragt, wie das möglich sei. Sie läßt ihn im
Ungewissen und entfernt sich, Faust bleibt in Verzweiflung zurück. In der
letzten Scene dieses Aktes nimmt er dann unter allerlei Ermahnungen von
seinem Diener Wagner Abschied.

Im fünften Aufzuge tritt zuerst Helena mit dem Dolche in einem Saale
vor der Kammer auf, in welcher Theodor schläft. Sie schwankt von Neuem.
"Es zittert meine Hand. -- Das Herz pocht. -- Ha, schwarze Schatten sind
rings um mich! Nacht, bedecke meine Schande, Mond, entflieh und sei kein


wider den Andern." „Geh, verbanne alle Zweifel; ich will Euch glücklich
machen, Du, Faust, Dein Sohn sollen meine Freunde sein. Ihr könnt Eure
Tage im Schoße des Vergnügens zubringen, kein Maugel, keine Krankheit,
keine Sorge soll Eure Liebe unterbrechen, ich will Euer Schutzgott, Euer
Vater sein, aber ich fordere Gehorsam. Eile, vollzieh meinen Befehl! Wo
nicht, so zittere für Dich, für Deinen Freund, für Deinen Sohn. Entschließ
Dich, nimm diesen Dolch, er ist mit Stärke und Tod bewaffnet. Sobald die
DSinmerung diesen Palast verfinstert, werde ich Dir die Beute überliefern.
Dein Sohn bleibt meine Geißel." Damit geht er. Helena aber hält nun
folgendes Selbstgespräch: „Ich trage dieses höllische Mordeiseu in meinen
Händen. — Wie zittert meine Hand! — Welche schwarze Wetter sind rings
um mich! — Mein schwacher Geist verliert sich. Was seh ich: die Blitze
leuchte», die Donner brüllen, die entfesselten Winde heulen, die Erdklöße er¬
heben sich, Himmel und Wasser sind vermischt, die Erde trauet mich zu ver¬
schlingen, der Sturmwind reißt mich fort. — Wo bin ich? — Ha, ich bin
allein, er ist fort, der Verführer. — Mein Sohn, mein Freund, wo seid Ihr?
Kommt mir zu Hülfe, unterstützt mich, ich falle. — Was seh ich? — Man
reißt sie fort! Ja, die Hölle speit hungrige Tiger aus — sie eilen auf uns
zu. Mein Geliebter, mein Sohn! Haltet ein! Es fließt schon ihr Blut. —
Ha, ich eile, ich rette Euch! —Er soll sterben! — Wo gehe ich hin? —Helena,
wo bist Dn? Deine Seele verliert sich — ich bin entkräftet — ich Elende,
was soll ich entschließen? — Mein Herz ist getheilt. Ich will, ich muß sie
retten. Stirb, stirb! — Grausame, sieh diesen armen Greisen, wie er Dich
segnet, wie er Dich anspricht: Tochter, warum tödtest Du mich? — Nein, lebe,
ich kann Dich nicht beleidigen. — So stirbt Dein Sohn, so ist Dein Freund
das Schlachtopfer der Hölle. Ihr Blut, ihr theures Blut ruht auf Dir. Meine
Seele schwimmt in einem Meere von Zweifeln. Wer kommt? Ich zittere."

Der Kommende ist Faust. Er erklärt ihr, daß es für ihn keine Rettung mehr
gebe, und bittet sie, ihn seinem Jammer zu überlassen und zu gehen. Sie
weigert sich und will mit ihn: sterben, mit ihm verloren sein. Er räth ihr
wiederholt zur Flucht und ruft ihr Lebewohl auf ewig zu. Sie erwidert,
daß sie ihn retten will. Er fragt, wie das möglich sei. Sie läßt ihn im
Ungewissen und entfernt sich, Faust bleibt in Verzweiflung zurück. In der
letzten Scene dieses Aktes nimmt er dann unter allerlei Ermahnungen von
seinem Diener Wagner Abschied.

Im fünften Aufzuge tritt zuerst Helena mit dem Dolche in einem Saale
vor der Kammer auf, in welcher Theodor schläft. Sie schwankt von Neuem.
„Es zittert meine Hand. — Das Herz pocht. — Ha, schwarze Schatten sind
rings um mich! Nacht, bedecke meine Schande, Mond, entflieh und sei kein


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[0462] wider den Andern." „Geh, verbanne alle Zweifel; ich will Euch glücklich machen, Du, Faust, Dein Sohn sollen meine Freunde sein. Ihr könnt Eure Tage im Schoße des Vergnügens zubringen, kein Maugel, keine Krankheit, keine Sorge soll Eure Liebe unterbrechen, ich will Euer Schutzgott, Euer Vater sein, aber ich fordere Gehorsam. Eile, vollzieh meinen Befehl! Wo nicht, so zittere für Dich, für Deinen Freund, für Deinen Sohn. Entschließ Dich, nimm diesen Dolch, er ist mit Stärke und Tod bewaffnet. Sobald die DSinmerung diesen Palast verfinstert, werde ich Dir die Beute überliefern. Dein Sohn bleibt meine Geißel." Damit geht er. Helena aber hält nun folgendes Selbstgespräch: „Ich trage dieses höllische Mordeiseu in meinen Händen. — Wie zittert meine Hand! — Welche schwarze Wetter sind rings um mich! — Mein schwacher Geist verliert sich. Was seh ich: die Blitze leuchte», die Donner brüllen, die entfesselten Winde heulen, die Erdklöße er¬ heben sich, Himmel und Wasser sind vermischt, die Erde trauet mich zu ver¬ schlingen, der Sturmwind reißt mich fort. — Wo bin ich? — Ha, ich bin allein, er ist fort, der Verführer. — Mein Sohn, mein Freund, wo seid Ihr? Kommt mir zu Hülfe, unterstützt mich, ich falle. — Was seh ich? — Man reißt sie fort! Ja, die Hölle speit hungrige Tiger aus — sie eilen auf uns zu. Mein Geliebter, mein Sohn! Haltet ein! Es fließt schon ihr Blut. — Ha, ich eile, ich rette Euch! —Er soll sterben! — Wo gehe ich hin? —Helena, wo bist Dn? Deine Seele verliert sich — ich bin entkräftet — ich Elende, was soll ich entschließen? — Mein Herz ist getheilt. Ich will, ich muß sie retten. Stirb, stirb! — Grausame, sieh diesen armen Greisen, wie er Dich segnet, wie er Dich anspricht: Tochter, warum tödtest Du mich? — Nein, lebe, ich kann Dich nicht beleidigen. — So stirbt Dein Sohn, so ist Dein Freund das Schlachtopfer der Hölle. Ihr Blut, ihr theures Blut ruht auf Dir. Meine Seele schwimmt in einem Meere von Zweifeln. Wer kommt? Ich zittere." Der Kommende ist Faust. Er erklärt ihr, daß es für ihn keine Rettung mehr gebe, und bittet sie, ihn seinem Jammer zu überlassen und zu gehen. Sie weigert sich und will mit ihn: sterben, mit ihm verloren sein. Er räth ihr wiederholt zur Flucht und ruft ihr Lebewohl auf ewig zu. Sie erwidert, daß sie ihn retten will. Er fragt, wie das möglich sei. Sie läßt ihn im Ungewissen und entfernt sich, Faust bleibt in Verzweiflung zurück. In der letzten Scene dieses Aktes nimmt er dann unter allerlei Ermahnungen von seinem Diener Wagner Abschied. Im fünften Aufzuge tritt zuerst Helena mit dem Dolche in einem Saale vor der Kammer auf, in welcher Theodor schläft. Sie schwankt von Neuem. „Es zittert meine Hand. — Das Herz pocht. — Ha, schwarze Schatten sind rings um mich! Nacht, bedecke meine Schande, Mond, entflieh und sei kein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/462>, abgerufen am 03.07.2024.