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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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eine Säge und schneidet seinen Fuß damit ab, gibt ihn dem Juden (es war
aber lauter Verblendung) mit der Condition, sobald er zu Geld käme, ihn zu
bezahlen, daß er ihm seinen Schenkel wieder zustellen sollte; er wollte sich den¬
selben schon wieder ansetzen. Der Jude war mit diesem Kontrakt wohlzufrieden
und zog mit dem Schenkel davon. Als er nun darob verdrossen und müd
war, und daneben gedachte, was hilft mir ein Schelmenbein, trage ich es heim,
so wird es stinkend; dann ist es anch mißlich wieder anzubellen, und ist dieses
ein schwer Pfand, daß er sich nicht höher hätte verbinden können, denn mit
seinem eignen Gliede, es wird mir doch nichts mehr dafür. Mit solchen und
andern Gedanken gehet er über einen Steg und wirst den Fuß hinein. Dieses
wußte nun Faustus gar wohl, schickete derohalben über drei Tage nach dem
Juden, er wollte ihn bezahlen. Der Jude kommt, Faustus fragt, wo er das
Pfand habe, er solle es ihm wieder zustellen, so wollte er ihn bezahlen. Der
Jude sagte, dieweil es niemand nichts genützt, hätte er's weggeworfen. Doctor
Faustus aber wollte kurzum sein Pfand und Schenkel wieder haben, oder der
Jude sollte ihm seinen Willen darum machen, und wollte der seiner los werden,
mußte er ihm noch sechzig Thaler dazugeben, und hatte doch Doctor Faustus
seinen Schenkel noch."

Einmal ging Faust zu Köln mit einem guten Bekannten spazieren, und
wie sie so mit einander plauderten, "begegnete ihnen ein Pfaffe, der eilete der
Kirche zu und hatte sein Brevier, so fein mit silbernen Buckeln beschlagen, in
der Hand. Fausto gefiel das Büchlein wohl, dachte, du kannst bei einem
Andern ein Deogratias damit verdienen, und sagte zu seinem Gesellen: Schau,
schau den Pfaffen, was für ein geistlich Gebetbuch hat er in der Faust, da
Schellen die Responsoria geben. Dies hört der Pfaffe, sieht auf sein Buch
und wird gewahr, daß es ein Kartenspiel ist. Nun aber hatte er soeben zu
Hause gespielt und meinte, er habe in der Eile die Karten statt des Breviers
ergriffen, wirft es derowegen aus Zorn von sich weg und geht brummend
seines Weges. Faustus und sein Gesell lachten des Pfaffen, hoben das Buch
auf und ließen den Pfaffen laufen und sich ein anderes Brevier kaufen."

Einst kam Faust mit andern Reisenden in Thüringen in ein Wirthshaus,
wo ihnen die Wirthin nichts zu essen geben konnte. "Da sagten Etliche unter
dem Haufen: hätten wir ein Stück oder ein paar von dem Hechte, der uns
heute zu Mittag überblieben. Faustus fagte: Gelüstet euch nach Hechten, so
will ich sehen, was mein Koch vermag. Damit klopfte er mit dem Finger ans
Fenster und sagte: Adfer, bringe, was Du hast. Bald darauf griff er hinaus
und holte eine große Schüssel voll aufs beste abgesottner Hechte sammt einer
großen kupfernen Kanne mit gutem rheinischen Weine herein. Da waren sie
alle fröhlich, weil es so wohl ging."


eine Säge und schneidet seinen Fuß damit ab, gibt ihn dem Juden (es war
aber lauter Verblendung) mit der Condition, sobald er zu Geld käme, ihn zu
bezahlen, daß er ihm seinen Schenkel wieder zustellen sollte; er wollte sich den¬
selben schon wieder ansetzen. Der Jude war mit diesem Kontrakt wohlzufrieden
und zog mit dem Schenkel davon. Als er nun darob verdrossen und müd
war, und daneben gedachte, was hilft mir ein Schelmenbein, trage ich es heim,
so wird es stinkend; dann ist es anch mißlich wieder anzubellen, und ist dieses
ein schwer Pfand, daß er sich nicht höher hätte verbinden können, denn mit
seinem eignen Gliede, es wird mir doch nichts mehr dafür. Mit solchen und
andern Gedanken gehet er über einen Steg und wirst den Fuß hinein. Dieses
wußte nun Faustus gar wohl, schickete derohalben über drei Tage nach dem
Juden, er wollte ihn bezahlen. Der Jude kommt, Faustus fragt, wo er das
Pfand habe, er solle es ihm wieder zustellen, so wollte er ihn bezahlen. Der
Jude sagte, dieweil es niemand nichts genützt, hätte er's weggeworfen. Doctor
Faustus aber wollte kurzum sein Pfand und Schenkel wieder haben, oder der
Jude sollte ihm seinen Willen darum machen, und wollte der seiner los werden,
mußte er ihm noch sechzig Thaler dazugeben, und hatte doch Doctor Faustus
seinen Schenkel noch."

Einmal ging Faust zu Köln mit einem guten Bekannten spazieren, und
wie sie so mit einander plauderten, „begegnete ihnen ein Pfaffe, der eilete der
Kirche zu und hatte sein Brevier, so fein mit silbernen Buckeln beschlagen, in
der Hand. Fausto gefiel das Büchlein wohl, dachte, du kannst bei einem
Andern ein Deogratias damit verdienen, und sagte zu seinem Gesellen: Schau,
schau den Pfaffen, was für ein geistlich Gebetbuch hat er in der Faust, da
Schellen die Responsoria geben. Dies hört der Pfaffe, sieht auf sein Buch
und wird gewahr, daß es ein Kartenspiel ist. Nun aber hatte er soeben zu
Hause gespielt und meinte, er habe in der Eile die Karten statt des Breviers
ergriffen, wirft es derowegen aus Zorn von sich weg und geht brummend
seines Weges. Faustus und sein Gesell lachten des Pfaffen, hoben das Buch
auf und ließen den Pfaffen laufen und sich ein anderes Brevier kaufen."

Einst kam Faust mit andern Reisenden in Thüringen in ein Wirthshaus,
wo ihnen die Wirthin nichts zu essen geben konnte. „Da sagten Etliche unter
dem Haufen: hätten wir ein Stück oder ein paar von dem Hechte, der uns
heute zu Mittag überblieben. Faustus fagte: Gelüstet euch nach Hechten, so
will ich sehen, was mein Koch vermag. Damit klopfte er mit dem Finger ans
Fenster und sagte: Adfer, bringe, was Du hast. Bald darauf griff er hinaus
und holte eine große Schüssel voll aufs beste abgesottner Hechte sammt einer
großen kupfernen Kanne mit gutem rheinischen Weine herein. Da waren sie
alle fröhlich, weil es so wohl ging."


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[0421] eine Säge und schneidet seinen Fuß damit ab, gibt ihn dem Juden (es war aber lauter Verblendung) mit der Condition, sobald er zu Geld käme, ihn zu bezahlen, daß er ihm seinen Schenkel wieder zustellen sollte; er wollte sich den¬ selben schon wieder ansetzen. Der Jude war mit diesem Kontrakt wohlzufrieden und zog mit dem Schenkel davon. Als er nun darob verdrossen und müd war, und daneben gedachte, was hilft mir ein Schelmenbein, trage ich es heim, so wird es stinkend; dann ist es anch mißlich wieder anzubellen, und ist dieses ein schwer Pfand, daß er sich nicht höher hätte verbinden können, denn mit seinem eignen Gliede, es wird mir doch nichts mehr dafür. Mit solchen und andern Gedanken gehet er über einen Steg und wirst den Fuß hinein. Dieses wußte nun Faustus gar wohl, schickete derohalben über drei Tage nach dem Juden, er wollte ihn bezahlen. Der Jude kommt, Faustus fragt, wo er das Pfand habe, er solle es ihm wieder zustellen, so wollte er ihn bezahlen. Der Jude sagte, dieweil es niemand nichts genützt, hätte er's weggeworfen. Doctor Faustus aber wollte kurzum sein Pfand und Schenkel wieder haben, oder der Jude sollte ihm seinen Willen darum machen, und wollte der seiner los werden, mußte er ihm noch sechzig Thaler dazugeben, und hatte doch Doctor Faustus seinen Schenkel noch." Einmal ging Faust zu Köln mit einem guten Bekannten spazieren, und wie sie so mit einander plauderten, „begegnete ihnen ein Pfaffe, der eilete der Kirche zu und hatte sein Brevier, so fein mit silbernen Buckeln beschlagen, in der Hand. Fausto gefiel das Büchlein wohl, dachte, du kannst bei einem Andern ein Deogratias damit verdienen, und sagte zu seinem Gesellen: Schau, schau den Pfaffen, was für ein geistlich Gebetbuch hat er in der Faust, da Schellen die Responsoria geben. Dies hört der Pfaffe, sieht auf sein Buch und wird gewahr, daß es ein Kartenspiel ist. Nun aber hatte er soeben zu Hause gespielt und meinte, er habe in der Eile die Karten statt des Breviers ergriffen, wirft es derowegen aus Zorn von sich weg und geht brummend seines Weges. Faustus und sein Gesell lachten des Pfaffen, hoben das Buch auf und ließen den Pfaffen laufen und sich ein anderes Brevier kaufen." Einst kam Faust mit andern Reisenden in Thüringen in ein Wirthshaus, wo ihnen die Wirthin nichts zu essen geben konnte. „Da sagten Etliche unter dem Haufen: hätten wir ein Stück oder ein paar von dem Hechte, der uns heute zu Mittag überblieben. Faustus fagte: Gelüstet euch nach Hechten, so will ich sehen, was mein Koch vermag. Damit klopfte er mit dem Finger ans Fenster und sagte: Adfer, bringe, was Du hast. Bald darauf griff er hinaus und holte eine große Schüssel voll aufs beste abgesottner Hechte sammt einer großen kupfernen Kanne mit gutem rheinischen Weine herein. Da waren sie alle fröhlich, weil es so wohl ging."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/421>, abgerufen am 23.07.2024.