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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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als er möge, und dem er darauf die Hälfte seines Grases wegfrißt. Ein
anderes Mal kommt Faust mit seinen Gesellen in ein Wirthshaus voll lär¬
mende und singende Bauern, und als sie es zu arg machen, verzaubert er sie
so, daß jeder in der Stellung, die er gerade einnimmt, erstarrt. Als Fausts
Begleitung sich satt gelacht hat, läßt er die Bauern wieder aufthauen.

Bei seinem lüderlicher Leben war Faust häufig in Geldnoth, und dann
mußte ihm ein Schwindel aus der Verlegenheit helfen. Einmal mästete er
fünf Schweine, "die verkaufte er das Stück um sechs Gulden, doch mit dem
Pakt, daß der Sautreiber mit ihnen durch kein Wasser gehen sollte. Als die
Schweine sich dann aber im Kothe wälzten und besudelten, trieb jener sie in
eine Schwemme, da verschwanden sie und schwammen lauter Strohwische um¬
her." "Gleicherweise that er einem Roßtäuscher, dem er auf einem Jahrmarkt
ein schönes Pferd um vierzig Gulden verkaufte. Er sagte ihm, er sollte es
über keine Tränke reiten. Der Roßtäuscher aber wollte sehen, was er damit
meinte, und ritt in eine Schwemme. Da verschwand das Pferd, und er saß
auf einem Bündel Stroh, so daß er schier ertrunken wäre. Er wußte aber
noch, wo sein Verkäufer zur Herberge lag, ging zornig dahin und fand Doctor
Faustum auf einem Bette liegen, schlafend und schnarchend; der Roßtäuscher
nahm ihn beim Fuße und wollte ihn herabziehen, da ging ihm das Bein aus
dem Hintern, so daß der Roßtäuscher damit in die Stube fiel. Faustus sing
darüber an, Mordio zu schreien, und dem Roßtäuscher wurde Angst, er gab die
Flucht und machte sich aus dem Staube."

"Man spricht: ein Unhold und Zauberer werden im Jahr nicht um drei
Heller reicher. Das widerfuhr dem Doctori Fausto auch. Die Verheißung
war groß mit seinem Geist, aber viel erlogen Ding, wie denn der Teufel ein
Lügengeist ist." "Einmal ist er mit guten Gesellen bankettiren gegangen, da
er aber nicht bei Gelde war, ist er verursacht worden, bei den Juden Geld
aufzubringen, und fo nahm er bei einem von ihnen sechzig Thaler auf einen
Monat. Als nun die Zeit verlaufen, und der Jude seines Geldes sammt dem
Interesse gewärtig war, Faustus aber nicht im Sinn hatte, ihm etwas zu be¬
zahlen, kommt der Jude zu ihm ins Hans und thut seine Anforderung. Doctor
Faustus spricht zu ihm: Jud', ich habe kein Geld und weiß auch keins aufzu¬
bringen; damit du aber der Bezahlung versichert seist, so will ich mir ein Glied,
sei es ein Arm oder ein Schenkel, abschneiden und dir zum Unterpfand lassen,
doch mit dem ausdrücklichen Gebirg, sofern ich zu Gelde kommen und Dich
wiederum bezahlen würde, daß Du mir mein Glied wieder zustellen wollest.
Der Jude, so ohne das ein Christenfeind war, gedachte bei sich selbsten, das
müßte ein verwegener Mann sein, der seine Glieder für Geld zum Pfande
setzen wollte, war derohalben mit dem Pfande zufrieden. Faust nimmt nun


als er möge, und dem er darauf die Hälfte seines Grases wegfrißt. Ein
anderes Mal kommt Faust mit seinen Gesellen in ein Wirthshaus voll lär¬
mende und singende Bauern, und als sie es zu arg machen, verzaubert er sie
so, daß jeder in der Stellung, die er gerade einnimmt, erstarrt. Als Fausts
Begleitung sich satt gelacht hat, läßt er die Bauern wieder aufthauen.

Bei seinem lüderlicher Leben war Faust häufig in Geldnoth, und dann
mußte ihm ein Schwindel aus der Verlegenheit helfen. Einmal mästete er
fünf Schweine, „die verkaufte er das Stück um sechs Gulden, doch mit dem
Pakt, daß der Sautreiber mit ihnen durch kein Wasser gehen sollte. Als die
Schweine sich dann aber im Kothe wälzten und besudelten, trieb jener sie in
eine Schwemme, da verschwanden sie und schwammen lauter Strohwische um¬
her." „Gleicherweise that er einem Roßtäuscher, dem er auf einem Jahrmarkt
ein schönes Pferd um vierzig Gulden verkaufte. Er sagte ihm, er sollte es
über keine Tränke reiten. Der Roßtäuscher aber wollte sehen, was er damit
meinte, und ritt in eine Schwemme. Da verschwand das Pferd, und er saß
auf einem Bündel Stroh, so daß er schier ertrunken wäre. Er wußte aber
noch, wo sein Verkäufer zur Herberge lag, ging zornig dahin und fand Doctor
Faustum auf einem Bette liegen, schlafend und schnarchend; der Roßtäuscher
nahm ihn beim Fuße und wollte ihn herabziehen, da ging ihm das Bein aus
dem Hintern, so daß der Roßtäuscher damit in die Stube fiel. Faustus sing
darüber an, Mordio zu schreien, und dem Roßtäuscher wurde Angst, er gab die
Flucht und machte sich aus dem Staube."

„Man spricht: ein Unhold und Zauberer werden im Jahr nicht um drei
Heller reicher. Das widerfuhr dem Doctori Fausto auch. Die Verheißung
war groß mit seinem Geist, aber viel erlogen Ding, wie denn der Teufel ein
Lügengeist ist." „Einmal ist er mit guten Gesellen bankettiren gegangen, da
er aber nicht bei Gelde war, ist er verursacht worden, bei den Juden Geld
aufzubringen, und fo nahm er bei einem von ihnen sechzig Thaler auf einen
Monat. Als nun die Zeit verlaufen, und der Jude seines Geldes sammt dem
Interesse gewärtig war, Faustus aber nicht im Sinn hatte, ihm etwas zu be¬
zahlen, kommt der Jude zu ihm ins Hans und thut seine Anforderung. Doctor
Faustus spricht zu ihm: Jud', ich habe kein Geld und weiß auch keins aufzu¬
bringen; damit du aber der Bezahlung versichert seist, so will ich mir ein Glied,
sei es ein Arm oder ein Schenkel, abschneiden und dir zum Unterpfand lassen,
doch mit dem ausdrücklichen Gebirg, sofern ich zu Gelde kommen und Dich
wiederum bezahlen würde, daß Du mir mein Glied wieder zustellen wollest.
Der Jude, so ohne das ein Christenfeind war, gedachte bei sich selbsten, das
müßte ein verwegener Mann sein, der seine Glieder für Geld zum Pfande
setzen wollte, war derohalben mit dem Pfande zufrieden. Faust nimmt nun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/420>, abgerufen am 23.07.2024.