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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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gegen Gott gesündiget, wollte ich mich doch wiederum in seinen Gnaden er¬
holen. Dem antwortete Doctor Faustus: So würe es mit mir auch noch
früh genug, wenn ich mich besserte. Ja, sagte der Geist, wenn Du auch vor
Deinen groben Sünden zur Gnade Gottes kommen konntest, aber es ist nun
zu spät, und ruhet Gottes Zorn über Dir. Laß mich zufrieden, sagte Doctor
Faustus zum Geiste. Antwortete der Geist: So laß mich fortan auch zufrieden
mit Deinen Fragen."

Darauf ließ Faust die Theologie bei seinem Verkehr mit Mephostophiles
aus dem Spiele. Dagegen fragte er ihn fleißig über Gegenstände der Astro¬
nomie und Astrologie aus, was ihn in den Stand setzte, Kalender zu macheu,
welche die Zukunft voraussagten, die kommende Witterung, Krieg, Theuerung
und Sterben vorher verkündigten und deshalb sehr gelobt wurden. Der Geist
erklärte ihm den Ursprung von Sommer und Winter, belehrte ihn über das
Himmelsgewölbe und die Planeten und gab ihm Ausschluß über die Er¬
schaffung der Welt, die er "unerboren und unsterblich" nannte, sowie von der
Entstehung der Menschheit. Dann erschien eines Tages Belial, der König der
Hölle, bei Faust und stellte ihm seine obersten Beamten und Räthe vor, die
sämmtlich in Gestalt von Thieren erschienen. Belial selbst kam als zottiger,
kohlschwarzer Bär mit brennend rothen Ohren, schneeweißen Zähnen, drei
Ellen langem Schwänze, Lucifer als röthlich behaarter Mann mit einem
Schwänze wie ein Eichhörnchen, Beelzebub mit einem Ochsenkopf und gelb und
grünen Flügeln, Asteroth in "Gestalt eines Wurms und ging auf dem Schwanz
aufrecht hinein, hatte keinen Fuß, der Schwanz hatte eine Farbe wie die
Blindschleichen, der Bauch war gar dick, oben hatte er zwei kurze Füße, gar
gelb, und der Bauch ein wenig weiß und gelblich, der Rücken ganz kastanien¬
braun, ein Fingers lang spitzige stachen und Borsten daran wie ein Igel"
u. s. w. Später ließ sich Faust von Beelzebub in einem bemerlten Sessel in die
Hölle tragen, damit er deren "Qualität, Fundament und Eigenschaft, auch Sub¬
stanz möchte sehen und abnehmen", eine Expedition, bei der ihm allerlei
wunderbare und grauenvolle Dinge, .fliegende Würmer, Hirsche und Bären,
dicker, finsterer und stinkender Nebel, Schwefel und Pech in Hellem Brande,
dunkle Schluchten voll Glut und Frost u. d. begegneten. Wieder ein anderes
Mal fuhr er in einem von zwei Drachen gezogenen Wagen mit Mephostophiles
gen Himmel und überschaute acht Tage lang die Erde und alle Gestirne.
Dann wieder ritt er auf Mephostophiles, der sich in ein Pferd verwandelt,
durch alle Länder Europas, wobei er sich u. A. drei Tage im Palaste des
Papstes aufhielt, dem türkischen Kaiser als Muhamed erschien und den ägypti¬
schen Sultan in Kairo besuchte. Daran schlössen sich weitere Ausflüge, z. B.


gegen Gott gesündiget, wollte ich mich doch wiederum in seinen Gnaden er¬
holen. Dem antwortete Doctor Faustus: So würe es mit mir auch noch
früh genug, wenn ich mich besserte. Ja, sagte der Geist, wenn Du auch vor
Deinen groben Sünden zur Gnade Gottes kommen konntest, aber es ist nun
zu spät, und ruhet Gottes Zorn über Dir. Laß mich zufrieden, sagte Doctor
Faustus zum Geiste. Antwortete der Geist: So laß mich fortan auch zufrieden
mit Deinen Fragen."

Darauf ließ Faust die Theologie bei seinem Verkehr mit Mephostophiles
aus dem Spiele. Dagegen fragte er ihn fleißig über Gegenstände der Astro¬
nomie und Astrologie aus, was ihn in den Stand setzte, Kalender zu macheu,
welche die Zukunft voraussagten, die kommende Witterung, Krieg, Theuerung
und Sterben vorher verkündigten und deshalb sehr gelobt wurden. Der Geist
erklärte ihm den Ursprung von Sommer und Winter, belehrte ihn über das
Himmelsgewölbe und die Planeten und gab ihm Ausschluß über die Er¬
schaffung der Welt, die er „unerboren und unsterblich" nannte, sowie von der
Entstehung der Menschheit. Dann erschien eines Tages Belial, der König der
Hölle, bei Faust und stellte ihm seine obersten Beamten und Räthe vor, die
sämmtlich in Gestalt von Thieren erschienen. Belial selbst kam als zottiger,
kohlschwarzer Bär mit brennend rothen Ohren, schneeweißen Zähnen, drei
Ellen langem Schwänze, Lucifer als röthlich behaarter Mann mit einem
Schwänze wie ein Eichhörnchen, Beelzebub mit einem Ochsenkopf und gelb und
grünen Flügeln, Asteroth in „Gestalt eines Wurms und ging auf dem Schwanz
aufrecht hinein, hatte keinen Fuß, der Schwanz hatte eine Farbe wie die
Blindschleichen, der Bauch war gar dick, oben hatte er zwei kurze Füße, gar
gelb, und der Bauch ein wenig weiß und gelblich, der Rücken ganz kastanien¬
braun, ein Fingers lang spitzige stachen und Borsten daran wie ein Igel"
u. s. w. Später ließ sich Faust von Beelzebub in einem bemerlten Sessel in die
Hölle tragen, damit er deren „Qualität, Fundament und Eigenschaft, auch Sub¬
stanz möchte sehen und abnehmen", eine Expedition, bei der ihm allerlei
wunderbare und grauenvolle Dinge, .fliegende Würmer, Hirsche und Bären,
dicker, finsterer und stinkender Nebel, Schwefel und Pech in Hellem Brande,
dunkle Schluchten voll Glut und Frost u. d. begegneten. Wieder ein anderes
Mal fuhr er in einem von zwei Drachen gezogenen Wagen mit Mephostophiles
gen Himmel und überschaute acht Tage lang die Erde und alle Gestirne.
Dann wieder ritt er auf Mephostophiles, der sich in ein Pferd verwandelt,
durch alle Länder Europas, wobei er sich u. A. drei Tage im Palaste des
Papstes aufhielt, dem türkischen Kaiser als Muhamed erschien und den ägypti¬
schen Sultan in Kairo besuchte. Daran schlössen sich weitere Ausflüge, z. B.


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[0416] gegen Gott gesündiget, wollte ich mich doch wiederum in seinen Gnaden er¬ holen. Dem antwortete Doctor Faustus: So würe es mit mir auch noch früh genug, wenn ich mich besserte. Ja, sagte der Geist, wenn Du auch vor Deinen groben Sünden zur Gnade Gottes kommen konntest, aber es ist nun zu spät, und ruhet Gottes Zorn über Dir. Laß mich zufrieden, sagte Doctor Faustus zum Geiste. Antwortete der Geist: So laß mich fortan auch zufrieden mit Deinen Fragen." Darauf ließ Faust die Theologie bei seinem Verkehr mit Mephostophiles aus dem Spiele. Dagegen fragte er ihn fleißig über Gegenstände der Astro¬ nomie und Astrologie aus, was ihn in den Stand setzte, Kalender zu macheu, welche die Zukunft voraussagten, die kommende Witterung, Krieg, Theuerung und Sterben vorher verkündigten und deshalb sehr gelobt wurden. Der Geist erklärte ihm den Ursprung von Sommer und Winter, belehrte ihn über das Himmelsgewölbe und die Planeten und gab ihm Ausschluß über die Er¬ schaffung der Welt, die er „unerboren und unsterblich" nannte, sowie von der Entstehung der Menschheit. Dann erschien eines Tages Belial, der König der Hölle, bei Faust und stellte ihm seine obersten Beamten und Räthe vor, die sämmtlich in Gestalt von Thieren erschienen. Belial selbst kam als zottiger, kohlschwarzer Bär mit brennend rothen Ohren, schneeweißen Zähnen, drei Ellen langem Schwänze, Lucifer als röthlich behaarter Mann mit einem Schwänze wie ein Eichhörnchen, Beelzebub mit einem Ochsenkopf und gelb und grünen Flügeln, Asteroth in „Gestalt eines Wurms und ging auf dem Schwanz aufrecht hinein, hatte keinen Fuß, der Schwanz hatte eine Farbe wie die Blindschleichen, der Bauch war gar dick, oben hatte er zwei kurze Füße, gar gelb, und der Bauch ein wenig weiß und gelblich, der Rücken ganz kastanien¬ braun, ein Fingers lang spitzige stachen und Borsten daran wie ein Igel" u. s. w. Später ließ sich Faust von Beelzebub in einem bemerlten Sessel in die Hölle tragen, damit er deren „Qualität, Fundament und Eigenschaft, auch Sub¬ stanz möchte sehen und abnehmen", eine Expedition, bei der ihm allerlei wunderbare und grauenvolle Dinge, .fliegende Würmer, Hirsche und Bären, dicker, finsterer und stinkender Nebel, Schwefel und Pech in Hellem Brande, dunkle Schluchten voll Glut und Frost u. d. begegneten. Wieder ein anderes Mal fuhr er in einem von zwei Drachen gezogenen Wagen mit Mephostophiles gen Himmel und überschaute acht Tage lang die Erde und alle Gestirne. Dann wieder ritt er auf Mephostophiles, der sich in ein Pferd verwandelt, durch alle Länder Europas, wobei er sich u. A. drei Tage im Palaste des Papstes aufhielt, dem türkischen Kaiser als Muhamed erschien und den ägypti¬ schen Sultan in Kairo besuchte. Daran schlössen sich weitere Ausflüge, z. B.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/416>, abgerufen am 23.07.2024.