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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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ihn in die Stube zurück, wo er dem Teufel die Zusage gab, sich niemals verehe¬
lichen zu wollen. Mephostophiles entschädigte ihn dafür in der Folge damit,
daß er ihm jedes Weib, zu dem er Lust hatte, im Abbilde erscheinen und zu
Willen sein ließ.

Außer allerhand Genüssen verschaffte Mephostophiles seinem Herrn aber
auch gründliche Kenntniß von allerlei Zauberei, und wenn Faust nicht dem
Vergnügen nnchgiug, disputirte er über verschiedene theologische Gegenstünde
mit seinein Teufel. Er ließ sich von ihm u. A. über die Substanz, den Ort
und die Erschaffung der Hölle, über die Art, wie Lucifer zu Fall gekommen,
und vom Regiment und Prinzipat der Teufel unterrichten. Er suchte bei ihm
Belehrung über die Gestalt der verstoßenen Engel, über die Pein in der Hölle,
von welcher der Frager erfährt, daß sie nimmer ein Ende haben wird, und
ähnliche Dinge. Immer gab Mephostophiles ungern zwar, aber doch aus¬
führlich und wahrheitsgemäß Auskunft, und gewöhnlich wurde Faust hiervon
nachdenklich und schwermüthig. Endlich erklärte der Geist seinem Gebieter, jetzt
wäre es genug, und fortan werde er ihm keine Frage mehr beantworten.
Noch einmal aber rief ihn Faust, damit er ihm Auskunft ertheile. "Dem Geist
war solches gar zuwider, jedoch wollte er ihn: diesmal uoch gehorchen, es
wäre aber das letzte Mal. Nun, was begehrst Dn von mir, sprach er zu
Fausto. Ich will, sagte Faustus, Deine Antwort über eine Frage hören, näm¬
lich: Wenn Dii an meiner Statt ein Mensch von Gott erschaffen wärest, was
wolltest Du thun, daß Dn Gott und den Menschen gefällig würdest. Darüber
lächelte der Geist und sagte: Mein Herr Fauste, wenn ich ein Mensch er¬
schaffen wäre wie Dn, so wollte ich mich biegen gegen Gott, so lange ich einen
menschlichen Athem hätte, und mich befleißigen, daß ich Gott nicht wider mich
zum Zorn bewegte, seine Lehre, Gesetz und Gebot, so viel mir möglich, halten,
ihn allein anrufen, loben, ehren und preise", damit ich Gott gefällig und an¬
genehm wäre und wüßte, daß ich nach meinem Absterben die ewige Freude,
Glorie und Herrlichkeit erlangte. Doctor Faustus sagte: Solches habe ich
freilich uicht gethan. Ja wohl hast Du das nicht gethan, sagte der Geist,
sondern Deinen Schöpfer, der Dich erschaffen, Dir Sprache, Gesicht und Gehör
gegeben hat, daß Du seinen Willen verstehen und der ewigen Seligkeit nach¬
trachten solltest, den hast Du verleugnet, die herrliche Gabe Deines Verstandes
mißbraucht, Gott und allen Menschen abgesaget, darum Dn niemand die
Schuld zu geben hast, als Deinem stolzen und frechen Muthwillen, dadurch
Du also Dein bestes Kleinod und Zier der Zuflucht Gottes verloren. Ja,
das ist leider wahr, sagte Doctor Faustus. Wolltest Du aber, mein Mepho¬
stophiles, daß Du ein Mensch an meiner Statt wärest? Ja, sagte der Geist
seufzend, und wäre hierin nicht viel Disputirens mit Dir; denn ob ich schon


ihn in die Stube zurück, wo er dem Teufel die Zusage gab, sich niemals verehe¬
lichen zu wollen. Mephostophiles entschädigte ihn dafür in der Folge damit,
daß er ihm jedes Weib, zu dem er Lust hatte, im Abbilde erscheinen und zu
Willen sein ließ.

Außer allerhand Genüssen verschaffte Mephostophiles seinem Herrn aber
auch gründliche Kenntniß von allerlei Zauberei, und wenn Faust nicht dem
Vergnügen nnchgiug, disputirte er über verschiedene theologische Gegenstünde
mit seinein Teufel. Er ließ sich von ihm u. A. über die Substanz, den Ort
und die Erschaffung der Hölle, über die Art, wie Lucifer zu Fall gekommen,
und vom Regiment und Prinzipat der Teufel unterrichten. Er suchte bei ihm
Belehrung über die Gestalt der verstoßenen Engel, über die Pein in der Hölle,
von welcher der Frager erfährt, daß sie nimmer ein Ende haben wird, und
ähnliche Dinge. Immer gab Mephostophiles ungern zwar, aber doch aus¬
führlich und wahrheitsgemäß Auskunft, und gewöhnlich wurde Faust hiervon
nachdenklich und schwermüthig. Endlich erklärte der Geist seinem Gebieter, jetzt
wäre es genug, und fortan werde er ihm keine Frage mehr beantworten.
Noch einmal aber rief ihn Faust, damit er ihm Auskunft ertheile. „Dem Geist
war solches gar zuwider, jedoch wollte er ihn: diesmal uoch gehorchen, es
wäre aber das letzte Mal. Nun, was begehrst Dn von mir, sprach er zu
Fausto. Ich will, sagte Faustus, Deine Antwort über eine Frage hören, näm¬
lich: Wenn Dii an meiner Statt ein Mensch von Gott erschaffen wärest, was
wolltest Du thun, daß Dn Gott und den Menschen gefällig würdest. Darüber
lächelte der Geist und sagte: Mein Herr Fauste, wenn ich ein Mensch er¬
schaffen wäre wie Dn, so wollte ich mich biegen gegen Gott, so lange ich einen
menschlichen Athem hätte, und mich befleißigen, daß ich Gott nicht wider mich
zum Zorn bewegte, seine Lehre, Gesetz und Gebot, so viel mir möglich, halten,
ihn allein anrufen, loben, ehren und preise», damit ich Gott gefällig und an¬
genehm wäre und wüßte, daß ich nach meinem Absterben die ewige Freude,
Glorie und Herrlichkeit erlangte. Doctor Faustus sagte: Solches habe ich
freilich uicht gethan. Ja wohl hast Du das nicht gethan, sagte der Geist,
sondern Deinen Schöpfer, der Dich erschaffen, Dir Sprache, Gesicht und Gehör
gegeben hat, daß Du seinen Willen verstehen und der ewigen Seligkeit nach¬
trachten solltest, den hast Du verleugnet, die herrliche Gabe Deines Verstandes
mißbraucht, Gott und allen Menschen abgesaget, darum Dn niemand die
Schuld zu geben hast, als Deinem stolzen und frechen Muthwillen, dadurch
Du also Dein bestes Kleinod und Zier der Zuflucht Gottes verloren. Ja,
das ist leider wahr, sagte Doctor Faustus. Wolltest Du aber, mein Mepho¬
stophiles, daß Du ein Mensch an meiner Statt wärest? Ja, sagte der Geist
seufzend, und wäre hierin nicht viel Disputirens mit Dir; denn ob ich schon


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[0415] ihn in die Stube zurück, wo er dem Teufel die Zusage gab, sich niemals verehe¬ lichen zu wollen. Mephostophiles entschädigte ihn dafür in der Folge damit, daß er ihm jedes Weib, zu dem er Lust hatte, im Abbilde erscheinen und zu Willen sein ließ. Außer allerhand Genüssen verschaffte Mephostophiles seinem Herrn aber auch gründliche Kenntniß von allerlei Zauberei, und wenn Faust nicht dem Vergnügen nnchgiug, disputirte er über verschiedene theologische Gegenstünde mit seinein Teufel. Er ließ sich von ihm u. A. über die Substanz, den Ort und die Erschaffung der Hölle, über die Art, wie Lucifer zu Fall gekommen, und vom Regiment und Prinzipat der Teufel unterrichten. Er suchte bei ihm Belehrung über die Gestalt der verstoßenen Engel, über die Pein in der Hölle, von welcher der Frager erfährt, daß sie nimmer ein Ende haben wird, und ähnliche Dinge. Immer gab Mephostophiles ungern zwar, aber doch aus¬ führlich und wahrheitsgemäß Auskunft, und gewöhnlich wurde Faust hiervon nachdenklich und schwermüthig. Endlich erklärte der Geist seinem Gebieter, jetzt wäre es genug, und fortan werde er ihm keine Frage mehr beantworten. Noch einmal aber rief ihn Faust, damit er ihm Auskunft ertheile. „Dem Geist war solches gar zuwider, jedoch wollte er ihn: diesmal uoch gehorchen, es wäre aber das letzte Mal. Nun, was begehrst Dn von mir, sprach er zu Fausto. Ich will, sagte Faustus, Deine Antwort über eine Frage hören, näm¬ lich: Wenn Dii an meiner Statt ein Mensch von Gott erschaffen wärest, was wolltest Du thun, daß Dn Gott und den Menschen gefällig würdest. Darüber lächelte der Geist und sagte: Mein Herr Fauste, wenn ich ein Mensch er¬ schaffen wäre wie Dn, so wollte ich mich biegen gegen Gott, so lange ich einen menschlichen Athem hätte, und mich befleißigen, daß ich Gott nicht wider mich zum Zorn bewegte, seine Lehre, Gesetz und Gebot, so viel mir möglich, halten, ihn allein anrufen, loben, ehren und preise», damit ich Gott gefällig und an¬ genehm wäre und wüßte, daß ich nach meinem Absterben die ewige Freude, Glorie und Herrlichkeit erlangte. Doctor Faustus sagte: Solches habe ich freilich uicht gethan. Ja wohl hast Du das nicht gethan, sagte der Geist, sondern Deinen Schöpfer, der Dich erschaffen, Dir Sprache, Gesicht und Gehör gegeben hat, daß Du seinen Willen verstehen und der ewigen Seligkeit nach¬ trachten solltest, den hast Du verleugnet, die herrliche Gabe Deines Verstandes mißbraucht, Gott und allen Menschen abgesaget, darum Dn niemand die Schuld zu geben hast, als Deinem stolzen und frechen Muthwillen, dadurch Du also Dein bestes Kleinod und Zier der Zuflucht Gottes verloren. Ja, das ist leider wahr, sagte Doctor Faustus. Wolltest Du aber, mein Mepho¬ stophiles, daß Du ein Mensch an meiner Statt wärest? Ja, sagte der Geist seufzend, und wäre hierin nicht viel Disputirens mit Dir; denn ob ich schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/415>, abgerufen am 23.07.2024.