Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.wie je vorher der Fall war, -- nach Ablauf der ihm gewährten Frist prompt Fragen wir nun, wie die Faustsage entstände" ist, so ergibt sich zunächst, Faust wurde uach dieser Schrift, die in erster Auflage 1587 zu Frank¬ wie je vorher der Fall war, — nach Ablauf der ihm gewährten Frist prompt Fragen wir nun, wie die Faustsage entstände« ist, so ergibt sich zunächst, Faust wurde uach dieser Schrift, die in erster Auflage 1587 zu Frank¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137583"/> <p xml:id="ID_1329" prev="#ID_1328"> wie je vorher der Fall war, — nach Ablauf der ihm gewährten Frist prompt<lb/> in die Holle abgeholt. Dennoch haben Faust und Eulenspiegel eine gewisse<lb/> Verwandtschaft: beide gehören der Klasse der fahrenden Leute an, und neben<lb/> dem Ernst in Fausts Leben gehen Streiche her, die lebhaft an den Narren<lb/> erinnern. Ein großer Theil feiner Kunststücke und Zauberspiele lauft auf<lb/> Täuschung, Fopperei und lustigen Schabernack hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1330"> Fragen wir nun, wie die Faustsage entstände« ist, so ergibt sich zunächst,<lb/> daß sie einen historischen Kern hat, dann, daß sie in der Gestalt, in<lb/> welcher sie zuerst fixirt auftrat, kein Produkt der Mythenbildung, sondern ein<lb/> absichtliches Erzeugnis; ist, welches eiuen bestimmten moralischen Zweck ver¬<lb/> folgt. Mit andern Worten, es leidet keinen Zweifel, daß in der ersten Hälfte<lb/> des sechzehnten Jahrhunderts eine Persönlichkeit Namens Fairst gelebt hat,<lb/> und daß bald nach Ableben derselben deren abenteuerliches Thun und Treiben,<lb/> verschmolzen und noch wunderbarer gemacht mit Zügen, die vou früheren<lb/> Schwarzkünstlern und Teufelsbündnissen weniger im Volksmunde, als in den<lb/> Kreisen der gelehrten Welt lebten, in einem Buche beschriebe» wurde, welches<lb/> die Absicht verfolgte, vor dem Verkehr mit dem Teufel zu warnen, und dessen<lb/> Inhalt dann abgekürzt auch in die unteren Schichten des Volkes drang.</p><lb/> <p xml:id="ID_1331"> Faust wurde uach dieser Schrift, die in erster Auflage 1587 zu Frank¬<lb/> furt a. M. erschien, in Roda bei Jena, nach Widmanns ausführlicherer Bio¬<lb/> graphie von ihm, die 1599 in Hamburg herauskam, in dem anhaltischen Markt¬<lb/> flecken Sondwedel geboren. Richtiger aber scheint, daß er ein Schwabe war;<lb/> denn Wier, sein Zeitgenosse, sagt, sein Geburtsort sei ein würtembergisches Dorf,<lb/> und der mit ihm persönlich bekannt gewesene Martius nennt in seinen<lb/> Collectaneen als solchen Kundlingen, das heutige Knittlingen. Die Zeit, in<lb/> welcher Faust eine Rolle spielte, liegt zwischen den Jahren 1525 und 1549.<lb/> Nach Konrad Gesner wäre er 1561 in feiner Heimat gestorben. Er war<lb/> ein „fahrender Schüler", etwas von einem Gelehrten, viel von einem Gankler<lb/> und Taschenspieler, und vermuthlich ebenso viel von einem Jndustrieritter und<lb/> Prellkünstler, der sein Vorgeben, Geister bannen und citiren und mit deren<lb/> Hülfe sich und Andern Vortheile verschaffen zu können, mit physikalischen<lb/> Kenntnissen, großer Fingerfertigkeit und einem gewissen Scharfblick für die<lb/> Schwächen seiner Umgebung glaubhaft zu macheu verstand. Sonst scheint nur<lb/> festzustehen, daß er in Krakau studirt und sich später viel auf Reisen befunden<lb/> hat, und daß er ein lebenslustiger Gesell gewesen ist, der Freude an Gelagen<lb/> und Weibern hatte. Melanchthon, sein Landsmann, hat ihn uuter Johann<lb/> dem Beständiger in Wittenberg kennen gelernt. Er gibt ihm den Vornamen<lb/> Johannes, während die Humanisten Mutianus Rufus und Johannes Tritheim<lb/> ihn Georg nennen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
wie je vorher der Fall war, — nach Ablauf der ihm gewährten Frist prompt
in die Holle abgeholt. Dennoch haben Faust und Eulenspiegel eine gewisse
Verwandtschaft: beide gehören der Klasse der fahrenden Leute an, und neben
dem Ernst in Fausts Leben gehen Streiche her, die lebhaft an den Narren
erinnern. Ein großer Theil feiner Kunststücke und Zauberspiele lauft auf
Täuschung, Fopperei und lustigen Schabernack hinaus.
Fragen wir nun, wie die Faustsage entstände« ist, so ergibt sich zunächst,
daß sie einen historischen Kern hat, dann, daß sie in der Gestalt, in
welcher sie zuerst fixirt auftrat, kein Produkt der Mythenbildung, sondern ein
absichtliches Erzeugnis; ist, welches eiuen bestimmten moralischen Zweck ver¬
folgt. Mit andern Worten, es leidet keinen Zweifel, daß in der ersten Hälfte
des sechzehnten Jahrhunderts eine Persönlichkeit Namens Fairst gelebt hat,
und daß bald nach Ableben derselben deren abenteuerliches Thun und Treiben,
verschmolzen und noch wunderbarer gemacht mit Zügen, die vou früheren
Schwarzkünstlern und Teufelsbündnissen weniger im Volksmunde, als in den
Kreisen der gelehrten Welt lebten, in einem Buche beschriebe» wurde, welches
die Absicht verfolgte, vor dem Verkehr mit dem Teufel zu warnen, und dessen
Inhalt dann abgekürzt auch in die unteren Schichten des Volkes drang.
Faust wurde uach dieser Schrift, die in erster Auflage 1587 zu Frank¬
furt a. M. erschien, in Roda bei Jena, nach Widmanns ausführlicherer Bio¬
graphie von ihm, die 1599 in Hamburg herauskam, in dem anhaltischen Markt¬
flecken Sondwedel geboren. Richtiger aber scheint, daß er ein Schwabe war;
denn Wier, sein Zeitgenosse, sagt, sein Geburtsort sei ein würtembergisches Dorf,
und der mit ihm persönlich bekannt gewesene Martius nennt in seinen
Collectaneen als solchen Kundlingen, das heutige Knittlingen. Die Zeit, in
welcher Faust eine Rolle spielte, liegt zwischen den Jahren 1525 und 1549.
Nach Konrad Gesner wäre er 1561 in feiner Heimat gestorben. Er war
ein „fahrender Schüler", etwas von einem Gelehrten, viel von einem Gankler
und Taschenspieler, und vermuthlich ebenso viel von einem Jndustrieritter und
Prellkünstler, der sein Vorgeben, Geister bannen und citiren und mit deren
Hülfe sich und Andern Vortheile verschaffen zu können, mit physikalischen
Kenntnissen, großer Fingerfertigkeit und einem gewissen Scharfblick für die
Schwächen seiner Umgebung glaubhaft zu macheu verstand. Sonst scheint nur
festzustehen, daß er in Krakau studirt und sich später viel auf Reisen befunden
hat, und daß er ein lebenslustiger Gesell gewesen ist, der Freude an Gelagen
und Weibern hatte. Melanchthon, sein Landsmann, hat ihn uuter Johann
dem Beständiger in Wittenberg kennen gelernt. Er gibt ihm den Vornamen
Johannes, während die Humanisten Mutianus Rufus und Johannes Tritheim
ihn Georg nennen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |