Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeit auf, um sich der Bewirthschaftung eines kleinen Gutes und der Beschäf¬
tigung mit der landwirtschaftlichen Literatur seiner Zeit zu widmen. Der
unter den Landleuten um Celle herrschende alte Schlendrian befriedigte ihn
nicht, er zog daher einen begeisterten Verehrer Schubarts zu Rathe, um mit
ihm nach der neuesten Methode zu arbeiten. Er machte dabei üble Er¬
fahrungen, woran aber nicht Schubarts Lehre, sondern der Umstand schuld
war, daß jener Rathgeber sie falsch verstand und anwendete. Thaer sah dies
ein und beschloß, fortan seinen eignen Weg zu gehen. Nachdem er 1790 in
Celle eine landwirthschaftliche Lehranstalt gegründet, erwarben ihm seine
Schriften, von denen die "Einleitung zur englischen Landwirthschaft" 1798 bis
1804 und die "Annalen der niedersächsischen Landwirthschaft" 1799 bis 1804
erschienen, einen so bedeutenden Ruf, daß Friedrich Wilhelm III. ihn veran¬
laßte, nach Preußen überzusiedeln und auch hier eine Oekonomenschnle ins
Leben zu rufen. Thaer wurde dabei Mitglied der berliner Akademie
der Wissenschaften und geheimer Kriegsrath und erhielt folgende Zugeständ¬
nisse: 1) drei- bis vierhundert Morgen Land im Amte Wollnp in Erbpacht,
2) die Erlaubniß, diese Erbpacht zu veräußern und sich ein Rittergut
dafür zu kaufen, 3) Schutz und Begünstigung des landwirthschaftlichen
Instituts. Thaer nahm an, erwarb nach Verkauf der Erbpacht das Ritter¬
gut Möglin nebst dem Vorwerk Königshof und zog im Herbst 1804 nach
Preußen.

Das zwischen Wriezen und Küstrin nicht weit vom Westrande des Oder¬
bruchs gelegene Möglin hatte Thaer, wie er selbst sagt, deshalb gekauft, weil
er zeigen wollte, "wie ein Gut unter den Verhältnissen und mit dem Boden,
der in der Mark Brandenburg der häufigste ist, nämlich mit einem mehr oder
minder lehmigen Sandboden, der größtenteils sehr erschöpft und vertrautet ist,
von hoher, dem Winde stark ausgesetzter Lage, bei einem sehr geringen Wieseu-
verhältnisse, mit Hülfsmitteln, die einem Jeden zu Gebote stehen, selbst ohne
Branntweinbrennerei oder andere dungerzeugende Nebengewerbe, die, so vor¬
theilhaft sie Vielen find, doch um so weniger allgemein werden können, als sie
von Jenen so sehr im Großen betrieben werden, ohne erhebliche Opfer mit
einem fehr beschränkten Betriebskapitale zu eiuer Produktion und zu einem die
Zinsen des höchsten Kaufpreises weit übersteigenden Reinertrage erhoben werden
könne." Uebrigens hatte ihn weniger die Aussicht auf pecuniären Gewinn als
sein Wunsch, die Wissenschaft zu fördern und den Unterricht zu verbreiten,
zum Ankaufe bestimmt, da Möglin bei der Nähe Berlins und des von vielen
Landwirthen besuchten Freienwalder Brunnens und bei der Möglichkeit, das
wiesenlose Gut durch Mergeln und Futtererzeugung von dein zu späterem Aubau


Zeit auf, um sich der Bewirthschaftung eines kleinen Gutes und der Beschäf¬
tigung mit der landwirtschaftlichen Literatur seiner Zeit zu widmen. Der
unter den Landleuten um Celle herrschende alte Schlendrian befriedigte ihn
nicht, er zog daher einen begeisterten Verehrer Schubarts zu Rathe, um mit
ihm nach der neuesten Methode zu arbeiten. Er machte dabei üble Er¬
fahrungen, woran aber nicht Schubarts Lehre, sondern der Umstand schuld
war, daß jener Rathgeber sie falsch verstand und anwendete. Thaer sah dies
ein und beschloß, fortan seinen eignen Weg zu gehen. Nachdem er 1790 in
Celle eine landwirthschaftliche Lehranstalt gegründet, erwarben ihm seine
Schriften, von denen die „Einleitung zur englischen Landwirthschaft" 1798 bis
1804 und die „Annalen der niedersächsischen Landwirthschaft" 1799 bis 1804
erschienen, einen so bedeutenden Ruf, daß Friedrich Wilhelm III. ihn veran¬
laßte, nach Preußen überzusiedeln und auch hier eine Oekonomenschnle ins
Leben zu rufen. Thaer wurde dabei Mitglied der berliner Akademie
der Wissenschaften und geheimer Kriegsrath und erhielt folgende Zugeständ¬
nisse: 1) drei- bis vierhundert Morgen Land im Amte Wollnp in Erbpacht,
2) die Erlaubniß, diese Erbpacht zu veräußern und sich ein Rittergut
dafür zu kaufen, 3) Schutz und Begünstigung des landwirthschaftlichen
Instituts. Thaer nahm an, erwarb nach Verkauf der Erbpacht das Ritter¬
gut Möglin nebst dem Vorwerk Königshof und zog im Herbst 1804 nach
Preußen.

Das zwischen Wriezen und Küstrin nicht weit vom Westrande des Oder¬
bruchs gelegene Möglin hatte Thaer, wie er selbst sagt, deshalb gekauft, weil
er zeigen wollte, „wie ein Gut unter den Verhältnissen und mit dem Boden,
der in der Mark Brandenburg der häufigste ist, nämlich mit einem mehr oder
minder lehmigen Sandboden, der größtenteils sehr erschöpft und vertrautet ist,
von hoher, dem Winde stark ausgesetzter Lage, bei einem sehr geringen Wieseu-
verhältnisse, mit Hülfsmitteln, die einem Jeden zu Gebote stehen, selbst ohne
Branntweinbrennerei oder andere dungerzeugende Nebengewerbe, die, so vor¬
theilhaft sie Vielen find, doch um so weniger allgemein werden können, als sie
von Jenen so sehr im Großen betrieben werden, ohne erhebliche Opfer mit
einem fehr beschränkten Betriebskapitale zu eiuer Produktion und zu einem die
Zinsen des höchsten Kaufpreises weit übersteigenden Reinertrage erhoben werden
könne." Uebrigens hatte ihn weniger die Aussicht auf pecuniären Gewinn als
sein Wunsch, die Wissenschaft zu fördern und den Unterricht zu verbreiten,
zum Ankaufe bestimmt, da Möglin bei der Nähe Berlins und des von vielen
Landwirthen besuchten Freienwalder Brunnens und bei der Möglichkeit, das
wiesenlose Gut durch Mergeln und Futtererzeugung von dein zu späterem Aubau


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137551"/>
          <p xml:id="ID_1237" prev="#ID_1236"> Zeit auf, um sich der Bewirthschaftung eines kleinen Gutes und der Beschäf¬<lb/>
tigung mit der landwirtschaftlichen Literatur seiner Zeit zu widmen. Der<lb/>
unter den Landleuten um Celle herrschende alte Schlendrian befriedigte ihn<lb/>
nicht, er zog daher einen begeisterten Verehrer Schubarts zu Rathe, um mit<lb/>
ihm nach der neuesten Methode zu arbeiten. Er machte dabei üble Er¬<lb/>
fahrungen, woran aber nicht Schubarts Lehre, sondern der Umstand schuld<lb/>
war, daß jener Rathgeber sie falsch verstand und anwendete. Thaer sah dies<lb/>
ein und beschloß, fortan seinen eignen Weg zu gehen. Nachdem er 1790 in<lb/>
Celle eine landwirthschaftliche Lehranstalt gegründet, erwarben ihm seine<lb/>
Schriften, von denen die &#x201E;Einleitung zur englischen Landwirthschaft" 1798 bis<lb/>
1804 und die &#x201E;Annalen der niedersächsischen Landwirthschaft" 1799 bis 1804<lb/>
erschienen, einen so bedeutenden Ruf, daß Friedrich Wilhelm III. ihn veran¬<lb/>
laßte, nach Preußen überzusiedeln und auch hier eine Oekonomenschnle ins<lb/>
Leben zu rufen. Thaer wurde dabei Mitglied der berliner Akademie<lb/>
der Wissenschaften und geheimer Kriegsrath und erhielt folgende Zugeständ¬<lb/>
nisse: 1) drei- bis vierhundert Morgen Land im Amte Wollnp in Erbpacht,<lb/>
2) die Erlaubniß, diese Erbpacht zu veräußern und sich ein Rittergut<lb/>
dafür zu kaufen, 3) Schutz und Begünstigung des landwirthschaftlichen<lb/>
Instituts. Thaer nahm an, erwarb nach Verkauf der Erbpacht das Ritter¬<lb/>
gut Möglin nebst dem Vorwerk Königshof und zog im Herbst 1804 nach<lb/>
Preußen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1238" next="#ID_1239"> Das zwischen Wriezen und Küstrin nicht weit vom Westrande des Oder¬<lb/>
bruchs gelegene Möglin hatte Thaer, wie er selbst sagt, deshalb gekauft, weil<lb/>
er zeigen wollte, &#x201E;wie ein Gut unter den Verhältnissen und mit dem Boden,<lb/>
der in der Mark Brandenburg der häufigste ist, nämlich mit einem mehr oder<lb/>
minder lehmigen Sandboden, der größtenteils sehr erschöpft und vertrautet ist,<lb/>
von hoher, dem Winde stark ausgesetzter Lage, bei einem sehr geringen Wieseu-<lb/>
verhältnisse, mit Hülfsmitteln, die einem Jeden zu Gebote stehen, selbst ohne<lb/>
Branntweinbrennerei oder andere dungerzeugende Nebengewerbe, die, so vor¬<lb/>
theilhaft sie Vielen find, doch um so weniger allgemein werden können, als sie<lb/>
von Jenen so sehr im Großen betrieben werden, ohne erhebliche Opfer mit<lb/>
einem fehr beschränkten Betriebskapitale zu eiuer Produktion und zu einem die<lb/>
Zinsen des höchsten Kaufpreises weit übersteigenden Reinertrage erhoben werden<lb/>
könne." Uebrigens hatte ihn weniger die Aussicht auf pecuniären Gewinn als<lb/>
sein Wunsch, die Wissenschaft zu fördern und den Unterricht zu verbreiten,<lb/>
zum Ankaufe bestimmt, da Möglin bei der Nähe Berlins und des von vielen<lb/>
Landwirthen besuchten Freienwalder Brunnens und bei der Möglichkeit, das<lb/>
wiesenlose Gut durch Mergeln und Futtererzeugung von dein zu späterem Aubau</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0378] Zeit auf, um sich der Bewirthschaftung eines kleinen Gutes und der Beschäf¬ tigung mit der landwirtschaftlichen Literatur seiner Zeit zu widmen. Der unter den Landleuten um Celle herrschende alte Schlendrian befriedigte ihn nicht, er zog daher einen begeisterten Verehrer Schubarts zu Rathe, um mit ihm nach der neuesten Methode zu arbeiten. Er machte dabei üble Er¬ fahrungen, woran aber nicht Schubarts Lehre, sondern der Umstand schuld war, daß jener Rathgeber sie falsch verstand und anwendete. Thaer sah dies ein und beschloß, fortan seinen eignen Weg zu gehen. Nachdem er 1790 in Celle eine landwirthschaftliche Lehranstalt gegründet, erwarben ihm seine Schriften, von denen die „Einleitung zur englischen Landwirthschaft" 1798 bis 1804 und die „Annalen der niedersächsischen Landwirthschaft" 1799 bis 1804 erschienen, einen so bedeutenden Ruf, daß Friedrich Wilhelm III. ihn veran¬ laßte, nach Preußen überzusiedeln und auch hier eine Oekonomenschnle ins Leben zu rufen. Thaer wurde dabei Mitglied der berliner Akademie der Wissenschaften und geheimer Kriegsrath und erhielt folgende Zugeständ¬ nisse: 1) drei- bis vierhundert Morgen Land im Amte Wollnp in Erbpacht, 2) die Erlaubniß, diese Erbpacht zu veräußern und sich ein Rittergut dafür zu kaufen, 3) Schutz und Begünstigung des landwirthschaftlichen Instituts. Thaer nahm an, erwarb nach Verkauf der Erbpacht das Ritter¬ gut Möglin nebst dem Vorwerk Königshof und zog im Herbst 1804 nach Preußen. Das zwischen Wriezen und Küstrin nicht weit vom Westrande des Oder¬ bruchs gelegene Möglin hatte Thaer, wie er selbst sagt, deshalb gekauft, weil er zeigen wollte, „wie ein Gut unter den Verhältnissen und mit dem Boden, der in der Mark Brandenburg der häufigste ist, nämlich mit einem mehr oder minder lehmigen Sandboden, der größtenteils sehr erschöpft und vertrautet ist, von hoher, dem Winde stark ausgesetzter Lage, bei einem sehr geringen Wieseu- verhältnisse, mit Hülfsmitteln, die einem Jeden zu Gebote stehen, selbst ohne Branntweinbrennerei oder andere dungerzeugende Nebengewerbe, die, so vor¬ theilhaft sie Vielen find, doch um so weniger allgemein werden können, als sie von Jenen so sehr im Großen betrieben werden, ohne erhebliche Opfer mit einem fehr beschränkten Betriebskapitale zu eiuer Produktion und zu einem die Zinsen des höchsten Kaufpreises weit übersteigenden Reinertrage erhoben werden könne." Uebrigens hatte ihn weniger die Aussicht auf pecuniären Gewinn als sein Wunsch, die Wissenschaft zu fördern und den Unterricht zu verbreiten, zum Ankaufe bestimmt, da Möglin bei der Nähe Berlins und des von vielen Landwirthen besuchten Freienwalder Brunnens und bei der Möglichkeit, das wiesenlose Gut durch Mergeln und Futtererzeugung von dein zu späterem Aubau

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/378
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/378>, abgerufen am 23.07.2024.