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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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zucht entfalten, wobei interessante Gespräche Friedrichs während seiner Be¬
sichtigungsreisen eingeflochten sind. Das letzte Bild endlich beschäftigt sich mit
Preußens wirthschaftlicher Reformation durch Stein und Thaer und mit den
wirthschaftlichen Erscheinungen während der Zeit der dreißiger Jahre.

Um von der Art und Weise, wie der Verfasser, mit dessen politischen und
geschichtlichen Ansichten wir beiläufig nicht allenthalben übereinstimmen, seinen
Gegenstand behandelt, eine Vorstellung zu geben, ziehen wir einige von den
letzten Partien seiner Schrift in abgekürzten Kapiteln zu einem Bilde von der
Entstehung der heutigen landwirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands zu¬
sammen.

Trotzdem, daß von Friedrich Wilhelm I. und anderen besseren Fürsten
nach dein großen Kriege mancherlei zur Hebung der Landwirthschaft geschehen
war, lag dieselbe doch noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vielfach
im Argen. Der Grundbesitz war zerstückelt. Man hatte Felder von wenigen
Hufen Breite, und dieselbe" lagen oft weit von einander, was die Bestellung
und die Ernte erschwerte. Dazu kam die gemeinschaftliche Hut, durch welche
der Landmann schlechte Weide erhielt und seine Felder nicht nach besserer
Ueberzeugung bestellen konnte, sondern bei der Einsaat die Schläge beachten
mußte. Dadurch wurde ihm unmöglich gemacht, das rechte Verhältniß zwischen
Kornfrucht und Viehfutter herzustellen, und infolge dessen konnte er den Vieh¬
stand nicht heben, die Düngermaffe nicht steigern und die Felder nicht ver¬
bessern. Ein weiteres Hinderniß zweckmäßigeren Betriebs der Landwirthschaft
lag darin, daß die herrschaftlichen Besitzungen oft zu groß waren, um mit
gehöriger Sorgfalt bewirthschaftet werden zu können. Noch weit nachtheiliger
aber wirkte der Umstand, daß die Bauern in vielen deutschen Strichen nicht
einmal Besitzer ihres Gutes waren und für den fremden Grund und Boden,
auf dem sie als Zeitpächter saßen, nur soviel thaten, als sie um ihrer felbst
willen thun mußten. Endlich aber kamen hierzu noch die leidigen Frohndienste,
durch welche der Bauer abgehalten wurde, sein eignes Gut wohl zu bearbeiten.
Verdrossen zog er auf das fremde und verrichtete seine Arbeit so schlecht als
möglich, was ihm nicht zu verdenken war, da ihm die Herrschaft für einen
mit vier Pferden geleisteten Frohntag, wenn überhaupt etwas, höchstens sechs
Groschen gab, während er ihm mindestens einen Thaler zu stehen kam. Der
gute Erfolg einer ländlichen Wirthschaft hängt von dem zweckmäßigen Ver¬
hältnisse des Viehstandes zu der Ackerzahl ab. Damals aber hielt man fast
allenthalben zu wenig Vieh, und so bekam man zu wenig Düngung, konnte
nichts sür die Aecker thun und mußte im System der reinen Bräche fort¬
wirthschaften wie sein Großvater und Urgroßvater. Der Futterbau wurde
schlecht oder gar nicht betrieben, und von einer Düngung oder Entwässerung


zucht entfalten, wobei interessante Gespräche Friedrichs während seiner Be¬
sichtigungsreisen eingeflochten sind. Das letzte Bild endlich beschäftigt sich mit
Preußens wirthschaftlicher Reformation durch Stein und Thaer und mit den
wirthschaftlichen Erscheinungen während der Zeit der dreißiger Jahre.

Um von der Art und Weise, wie der Verfasser, mit dessen politischen und
geschichtlichen Ansichten wir beiläufig nicht allenthalben übereinstimmen, seinen
Gegenstand behandelt, eine Vorstellung zu geben, ziehen wir einige von den
letzten Partien seiner Schrift in abgekürzten Kapiteln zu einem Bilde von der
Entstehung der heutigen landwirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands zu¬
sammen.

Trotzdem, daß von Friedrich Wilhelm I. und anderen besseren Fürsten
nach dein großen Kriege mancherlei zur Hebung der Landwirthschaft geschehen
war, lag dieselbe doch noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vielfach
im Argen. Der Grundbesitz war zerstückelt. Man hatte Felder von wenigen
Hufen Breite, und dieselbe« lagen oft weit von einander, was die Bestellung
und die Ernte erschwerte. Dazu kam die gemeinschaftliche Hut, durch welche
der Landmann schlechte Weide erhielt und seine Felder nicht nach besserer
Ueberzeugung bestellen konnte, sondern bei der Einsaat die Schläge beachten
mußte. Dadurch wurde ihm unmöglich gemacht, das rechte Verhältniß zwischen
Kornfrucht und Viehfutter herzustellen, und infolge dessen konnte er den Vieh¬
stand nicht heben, die Düngermaffe nicht steigern und die Felder nicht ver¬
bessern. Ein weiteres Hinderniß zweckmäßigeren Betriebs der Landwirthschaft
lag darin, daß die herrschaftlichen Besitzungen oft zu groß waren, um mit
gehöriger Sorgfalt bewirthschaftet werden zu können. Noch weit nachtheiliger
aber wirkte der Umstand, daß die Bauern in vielen deutschen Strichen nicht
einmal Besitzer ihres Gutes waren und für den fremden Grund und Boden,
auf dem sie als Zeitpächter saßen, nur soviel thaten, als sie um ihrer felbst
willen thun mußten. Endlich aber kamen hierzu noch die leidigen Frohndienste,
durch welche der Bauer abgehalten wurde, sein eignes Gut wohl zu bearbeiten.
Verdrossen zog er auf das fremde und verrichtete seine Arbeit so schlecht als
möglich, was ihm nicht zu verdenken war, da ihm die Herrschaft für einen
mit vier Pferden geleisteten Frohntag, wenn überhaupt etwas, höchstens sechs
Groschen gab, während er ihm mindestens einen Thaler zu stehen kam. Der
gute Erfolg einer ländlichen Wirthschaft hängt von dem zweckmäßigen Ver¬
hältnisse des Viehstandes zu der Ackerzahl ab. Damals aber hielt man fast
allenthalben zu wenig Vieh, und so bekam man zu wenig Düngung, konnte
nichts sür die Aecker thun und mußte im System der reinen Bräche fort¬
wirthschaften wie sein Großvater und Urgroßvater. Der Futterbau wurde
schlecht oder gar nicht betrieben, und von einer Düngung oder Entwässerung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/370>, abgerufen am 23.07.2024.