Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen. Seit Jahren schon wurde über eine wahrhaft erstaunliche Langsamkeit
dieses Verwaltnngszweiges geklagt. Diesmal machte sich die Mißstimmung in
einer energischen Aufforderung Luft, dein bureaukratischen Schlendrian dnrch
eine gründliche Reorganisation endlich ein Ziel zu setzen. Ein anderer Vor¬
wurf traf zugleich, und in fast noch höherem Grade, den Finanzminister, der
Vorwurf nämlich der wenig rationellen, ziemlich planlosen Art, wie im Wege
der Extraordinarien die Mittel für die Bunten beschafft werden.

Schließlich wurde noch die Berathung des Etats des Kultusministeriums
begonnen. Damit gelaugte der "Kulturkampf" auf sein eigenstes Feld. Ist
es nöthig, dies widerwärtige Bild des klerikalen Ansturms gegen den Haupt¬
vertreter der Rechte des Staats zum hundertsten Male zu zeichnen? Es ge¬
nügt, zu constatiren, daß es neue Züge durchaus nicht aufzuweisen hatte, es
sei denu, daß sich die Ueberzeugungskraft der ultramontanen Angriffe schwächer,
die Haltung des Ministers entschlossener als je erwies. Von liberaler Seite
wurde Herr Falk dnrch eine scharfe Kritik der vom hannoverschen Landescon-
sistorium mit Hülfe der dortigen Landessynode erlassenen Trauordnnng ins
Gedränge gebracht. Trotz der ausweichenden Interpretation des Kultusministers
bleibt wahr, daß namentlich die hannoversche Traunngsformel die Borstellung
erwecken muß, als ob die Ehe erst durch die kirchliche Trauung begründet
X- ?- werde.




Literatur.
Randglossen zum Buche des Lebens von Gerhard v. Amyntor.
Elberfeld, 1876. Druck und Verlag von S. Lucas.

Wir stellen uns den Verfasser als einen alten Herrn von Stande vor,
der in den verschiedensten Kreisen der Gesellschaft gelebt hat, und der mit guter
Beobachtungsgabe auch für das Kleine und Alltägliche viel Belesenheit ver¬
bindet. Es muß ein alter Herr sein, einmal weil sein mit Citaten überreichlich
geschmückter Stil und Manches in seiner Anschauungsweise einen gewissen alt¬
modischen Zug hat, dann weil er nicht selten behäbig weitschweifig wird, eine
Eigenschaft, welche häufiger bei bejahrten als bei jungen Leuten anzutreffen
ist. Im Uebrigen charakterisiren ihn eine satirische Ader, die aber keine Bosheit


lassen. Seit Jahren schon wurde über eine wahrhaft erstaunliche Langsamkeit
dieses Verwaltnngszweiges geklagt. Diesmal machte sich die Mißstimmung in
einer energischen Aufforderung Luft, dein bureaukratischen Schlendrian dnrch
eine gründliche Reorganisation endlich ein Ziel zu setzen. Ein anderer Vor¬
wurf traf zugleich, und in fast noch höherem Grade, den Finanzminister, der
Vorwurf nämlich der wenig rationellen, ziemlich planlosen Art, wie im Wege
der Extraordinarien die Mittel für die Bunten beschafft werden.

Schließlich wurde noch die Berathung des Etats des Kultusministeriums
begonnen. Damit gelaugte der „Kulturkampf" auf sein eigenstes Feld. Ist
es nöthig, dies widerwärtige Bild des klerikalen Ansturms gegen den Haupt¬
vertreter der Rechte des Staats zum hundertsten Male zu zeichnen? Es ge¬
nügt, zu constatiren, daß es neue Züge durchaus nicht aufzuweisen hatte, es
sei denu, daß sich die Ueberzeugungskraft der ultramontanen Angriffe schwächer,
die Haltung des Ministers entschlossener als je erwies. Von liberaler Seite
wurde Herr Falk dnrch eine scharfe Kritik der vom hannoverschen Landescon-
sistorium mit Hülfe der dortigen Landessynode erlassenen Trauordnnng ins
Gedränge gebracht. Trotz der ausweichenden Interpretation des Kultusministers
bleibt wahr, daß namentlich die hannoversche Traunngsformel die Borstellung
erwecken muß, als ob die Ehe erst durch die kirchliche Trauung begründet
X- ?- werde.




Literatur.
Randglossen zum Buche des Lebens von Gerhard v. Amyntor.
Elberfeld, 1876. Druck und Verlag von S. Lucas.

Wir stellen uns den Verfasser als einen alten Herrn von Stande vor,
der in den verschiedensten Kreisen der Gesellschaft gelebt hat, und der mit guter
Beobachtungsgabe auch für das Kleine und Alltägliche viel Belesenheit ver¬
bindet. Es muß ein alter Herr sein, einmal weil sein mit Citaten überreichlich
geschmückter Stil und Manches in seiner Anschauungsweise einen gewissen alt¬
modischen Zug hat, dann weil er nicht selten behäbig weitschweifig wird, eine
Eigenschaft, welche häufiger bei bejahrten als bei jungen Leuten anzutreffen
ist. Im Uebrigen charakterisiren ihn eine satirische Ader, die aber keine Bosheit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137539"/>
          <p xml:id="ID_1203" prev="#ID_1202"> lassen. Seit Jahren schon wurde über eine wahrhaft erstaunliche Langsamkeit<lb/>
dieses Verwaltnngszweiges geklagt. Diesmal machte sich die Mißstimmung in<lb/>
einer energischen Aufforderung Luft, dein bureaukratischen Schlendrian dnrch<lb/>
eine gründliche Reorganisation endlich ein Ziel zu setzen. Ein anderer Vor¬<lb/>
wurf traf zugleich, und in fast noch höherem Grade, den Finanzminister, der<lb/>
Vorwurf nämlich der wenig rationellen, ziemlich planlosen Art, wie im Wege<lb/>
der Extraordinarien die Mittel für die Bunten beschafft werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1204"> Schließlich wurde noch die Berathung des Etats des Kultusministeriums<lb/>
begonnen. Damit gelaugte der &#x201E;Kulturkampf" auf sein eigenstes Feld. Ist<lb/>
es nöthig, dies widerwärtige Bild des klerikalen Ansturms gegen den Haupt¬<lb/>
vertreter der Rechte des Staats zum hundertsten Male zu zeichnen? Es ge¬<lb/>
nügt, zu constatiren, daß es neue Züge durchaus nicht aufzuweisen hatte, es<lb/>
sei denu, daß sich die Ueberzeugungskraft der ultramontanen Angriffe schwächer,<lb/>
die Haltung des Ministers entschlossener als je erwies. Von liberaler Seite<lb/>
wurde Herr Falk dnrch eine scharfe Kritik der vom hannoverschen Landescon-<lb/>
sistorium mit Hülfe der dortigen Landessynode erlassenen Trauordnnng ins<lb/>
Gedränge gebracht. Trotz der ausweichenden Interpretation des Kultusministers<lb/>
bleibt wahr, daß namentlich die hannoversche Traunngsformel die Borstellung<lb/>
erwecken muß, als ob die Ehe erst durch die kirchliche Trauung begründet<lb/><note type="byline"> X- ?-</note> werde. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Literatur.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Randglossen zum Buche des Lebens von Gerhard v. Amyntor.<lb/>
Elberfeld, 1876.  Druck und Verlag von S. Lucas.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1205" next="#ID_1206"> Wir stellen uns den Verfasser als einen alten Herrn von Stande vor,<lb/>
der in den verschiedensten Kreisen der Gesellschaft gelebt hat, und der mit guter<lb/>
Beobachtungsgabe auch für das Kleine und Alltägliche viel Belesenheit ver¬<lb/>
bindet. Es muß ein alter Herr sein, einmal weil sein mit Citaten überreichlich<lb/>
geschmückter Stil und Manches in seiner Anschauungsweise einen gewissen alt¬<lb/>
modischen Zug hat, dann weil er nicht selten behäbig weitschweifig wird, eine<lb/>
Eigenschaft, welche häufiger bei bejahrten als bei jungen Leuten anzutreffen<lb/>
ist. Im Uebrigen charakterisiren ihn eine satirische Ader, die aber keine Bosheit</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0366] lassen. Seit Jahren schon wurde über eine wahrhaft erstaunliche Langsamkeit dieses Verwaltnngszweiges geklagt. Diesmal machte sich die Mißstimmung in einer energischen Aufforderung Luft, dein bureaukratischen Schlendrian dnrch eine gründliche Reorganisation endlich ein Ziel zu setzen. Ein anderer Vor¬ wurf traf zugleich, und in fast noch höherem Grade, den Finanzminister, der Vorwurf nämlich der wenig rationellen, ziemlich planlosen Art, wie im Wege der Extraordinarien die Mittel für die Bunten beschafft werden. Schließlich wurde noch die Berathung des Etats des Kultusministeriums begonnen. Damit gelaugte der „Kulturkampf" auf sein eigenstes Feld. Ist es nöthig, dies widerwärtige Bild des klerikalen Ansturms gegen den Haupt¬ vertreter der Rechte des Staats zum hundertsten Male zu zeichnen? Es ge¬ nügt, zu constatiren, daß es neue Züge durchaus nicht aufzuweisen hatte, es sei denu, daß sich die Ueberzeugungskraft der ultramontanen Angriffe schwächer, die Haltung des Ministers entschlossener als je erwies. Von liberaler Seite wurde Herr Falk dnrch eine scharfe Kritik der vom hannoverschen Landescon- sistorium mit Hülfe der dortigen Landessynode erlassenen Trauordnnng ins Gedränge gebracht. Trotz der ausweichenden Interpretation des Kultusministers bleibt wahr, daß namentlich die hannoversche Traunngsformel die Borstellung erwecken muß, als ob die Ehe erst durch die kirchliche Trauung begründet X- ?- werde. Literatur. Randglossen zum Buche des Lebens von Gerhard v. Amyntor. Elberfeld, 1876. Druck und Verlag von S. Lucas. Wir stellen uns den Verfasser als einen alten Herrn von Stande vor, der in den verschiedensten Kreisen der Gesellschaft gelebt hat, und der mit guter Beobachtungsgabe auch für das Kleine und Alltägliche viel Belesenheit ver¬ bindet. Es muß ein alter Herr sein, einmal weil sein mit Citaten überreichlich geschmückter Stil und Manches in seiner Anschauungsweise einen gewissen alt¬ modischen Zug hat, dann weil er nicht selten behäbig weitschweifig wird, eine Eigenschaft, welche häufiger bei bejahrten als bei jungen Leuten anzutreffen ist. Im Uebrigen charakterisiren ihn eine satirische Ader, die aber keine Bosheit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/366
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/366>, abgerufen am 03.07.2024.