Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.unerquicklichen Zeitverhältnisse, welche die Neubersche Periode begleiteten, Genaues über die Jugend der Neuberin ist erst im Jahre 1870 zu Tage Ein im Zwickauer Rathsarchiv aufbewahrtes Akten-Fascikel, ans welchem Dieser junge Mensch, 24 Jahre alt und der Sohn eines armen zwickauer Drei Vierteljahre hatten die jungeu Leute sich solcherart in mehr oder unerquicklichen Zeitverhältnisse, welche die Neubersche Periode begleiteten, Genaues über die Jugend der Neuberin ist erst im Jahre 1870 zu Tage Ein im Zwickauer Rathsarchiv aufbewahrtes Akten-Fascikel, ans welchem Dieser junge Mensch, 24 Jahre alt und der Sohn eines armen zwickauer Drei Vierteljahre hatten die jungeu Leute sich solcherart in mehr oder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137528"/> <p xml:id="ID_1162" prev="#ID_1161"> unerquicklichen Zeitverhältnisse, welche die Neubersche Periode begleiteten,<lb/> genug sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1163"> Genaues über die Jugend der Neuberin ist erst im Jahre 1870 zu Tage<lb/> gekommen und zwar durch die verdienstvolle Forschung des Dr. E. Herzog in<lb/> Zwicken. Darnach bestätigt sich zunächst, daß Friederike Caroline Weißenbornin<lb/> am 9. März 1697 in Reichenbach (sächsisches Voigtland) geboren und getauft<lb/> worden. Ihre Mutter Anna Rosina ist die Tochter eines Hochgräfl. Reuß-<lb/> Plauischen Hosverwaltcrs, ihr Vater Daniel Weißenborn ist Reichenbacher<lb/> Gerichts-Inspektor, ihre Taufzeugen sind zwei Juristenfrauen und der Erb-,<lb/> Lehn- und Gerichtsherr auf Reichenbach und Friesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1164"> Ein im Zwickauer Rathsarchiv aufbewahrtes Akten-Fascikel, ans welchem<lb/> diese Einzelheiten hervorgehen, und welches „die Entführung der Friederike<lb/> Caroline durch Gottfried Zornen als anno 1712" betrifft, bringt auch über<lb/> den Vater der Entführten Näheres. Er war darin als jähzornig, atheistisch<lb/> und als Hanstyrann geschildert. Seine Gattin sei im Jahre 1705 den Tem¬<lb/> peramentsfehlern des heftigen Mannes erlegen. Seitdem habe die Tochter<lb/> zwar guten Schulunterricht genossen, um ihre Erziehung habe sich der Vater<lb/> aber nicht weiter gekümmert, dagegen in rohen Schimpfreden und körperlichen<lb/> Mißhandlungen öfter sein Müthchen an ihr gekühlt. Diese Ausschreitungen<lb/> werden zum Theil auf ein langjähriges gichtisches Leiden zurückgeführt, das<lb/> ihn schon im Jahre 1702 zur Niederlegung seines Amtes und zur Uebersiede-<lb/> lung nach Zwickau veranlaßt hatte, woselbst er mit Hülfe seines Amanuensis,<lb/> eben jenes Gottfried Zorn, der Advokatur oblag.</p><lb/> <p xml:id="ID_1165"> Dieser junge Mensch, 24 Jahre alt und der Sohn eines armen zwickauer<lb/> Schusters, hatte fünf Jahre in Jena die Rechte studirt und schien dem alten<lb/> Weißenborn ein nicht unerwünschter Nachfolger und Schwiegersohn. Caroline,<lb/> obschon erst 15 Jahre alt, war kein Kind mehr — die Akten schildern sie<lb/> als schlanke, hübsche Blondine — und mochte ihrerseits einer baldigen Ver-<lb/> heirathung um so geneigter sein, je mehr sie unter der väterlichen Zuchtruthe<lb/> zu leiden gehabt hatte. Und wenn die Akten den Amanuensis nicht gerade als<lb/> Adonis erscheinen lassen — er sei pockennarbig, blaß, lang und trage eine<lb/> lichte Perrücke, heißt es in seinem Signalement — so mag das junge Mädchen<lb/> wie deu Augen der Liebe ihn wohl in einem verschönernden Licht gesehen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166" next="#ID_1167"> Drei Vierteljahre hatten die jungeu Leute sich solcherart in mehr oder<lb/> weniger von dem Alten gebilligter Weise mit ihren Zukunftsplänen beschäftigt,<lb/> als eines Tages dem alten Advokaten bei Gelegenheit einer Zwiesprache mit<lb/> der Mutter des Amanuensis die leicht erregbare Galle überlief und er sich so<lb/> energisch an dieser Frau vergriff, daß Zorn Junior ihr beisprang, welche Jnsnbordi-<lb/> wtion zur Folge hatte, daß ihn sein Prinzipal aus dem Hause jagte. Dies</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
unerquicklichen Zeitverhältnisse, welche die Neubersche Periode begleiteten,
genug sein.
Genaues über die Jugend der Neuberin ist erst im Jahre 1870 zu Tage
gekommen und zwar durch die verdienstvolle Forschung des Dr. E. Herzog in
Zwicken. Darnach bestätigt sich zunächst, daß Friederike Caroline Weißenbornin
am 9. März 1697 in Reichenbach (sächsisches Voigtland) geboren und getauft
worden. Ihre Mutter Anna Rosina ist die Tochter eines Hochgräfl. Reuß-
Plauischen Hosverwaltcrs, ihr Vater Daniel Weißenborn ist Reichenbacher
Gerichts-Inspektor, ihre Taufzeugen sind zwei Juristenfrauen und der Erb-,
Lehn- und Gerichtsherr auf Reichenbach und Friesen.
Ein im Zwickauer Rathsarchiv aufbewahrtes Akten-Fascikel, ans welchem
diese Einzelheiten hervorgehen, und welches „die Entführung der Friederike
Caroline durch Gottfried Zornen als anno 1712" betrifft, bringt auch über
den Vater der Entführten Näheres. Er war darin als jähzornig, atheistisch
und als Hanstyrann geschildert. Seine Gattin sei im Jahre 1705 den Tem¬
peramentsfehlern des heftigen Mannes erlegen. Seitdem habe die Tochter
zwar guten Schulunterricht genossen, um ihre Erziehung habe sich der Vater
aber nicht weiter gekümmert, dagegen in rohen Schimpfreden und körperlichen
Mißhandlungen öfter sein Müthchen an ihr gekühlt. Diese Ausschreitungen
werden zum Theil auf ein langjähriges gichtisches Leiden zurückgeführt, das
ihn schon im Jahre 1702 zur Niederlegung seines Amtes und zur Uebersiede-
lung nach Zwickau veranlaßt hatte, woselbst er mit Hülfe seines Amanuensis,
eben jenes Gottfried Zorn, der Advokatur oblag.
Dieser junge Mensch, 24 Jahre alt und der Sohn eines armen zwickauer
Schusters, hatte fünf Jahre in Jena die Rechte studirt und schien dem alten
Weißenborn ein nicht unerwünschter Nachfolger und Schwiegersohn. Caroline,
obschon erst 15 Jahre alt, war kein Kind mehr — die Akten schildern sie
als schlanke, hübsche Blondine — und mochte ihrerseits einer baldigen Ver-
heirathung um so geneigter sein, je mehr sie unter der väterlichen Zuchtruthe
zu leiden gehabt hatte. Und wenn die Akten den Amanuensis nicht gerade als
Adonis erscheinen lassen — er sei pockennarbig, blaß, lang und trage eine
lichte Perrücke, heißt es in seinem Signalement — so mag das junge Mädchen
wie deu Augen der Liebe ihn wohl in einem verschönernden Licht gesehen haben.
Drei Vierteljahre hatten die jungeu Leute sich solcherart in mehr oder
weniger von dem Alten gebilligter Weise mit ihren Zukunftsplänen beschäftigt,
als eines Tages dem alten Advokaten bei Gelegenheit einer Zwiesprache mit
der Mutter des Amanuensis die leicht erregbare Galle überlief und er sich so
energisch an dieser Frau vergriff, daß Zorn Junior ihr beisprang, welche Jnsnbordi-
wtion zur Folge hatte, daß ihn sein Prinzipal aus dem Hause jagte. Dies
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |