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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Ale Ausbildung zunger Historiker auf unseren
Universitäten.

Wiederholt ist neuerdings von Einrichtungen an unseren Universitäten die
Rede gewesen, und da dieselben sich in ihrem Einflüsse nicht auf die unmittel¬
bare Wirkungssphäre beschränken, sondern jenen Theil edelsten nationalen
Lebens, welchen die Universitäten erzeugen, wesentlich mitbestimmen, so dürfte
es Allen, denen das Gesammtwohl nicht gleichgültig erscheint, nahe liegen, auch
ihnen ununterbrochene Aufmerksamkeit zuzuwenden. Indem es nun aber nicht
jedermanns Sache ist, selbständig in jener Richtung thätig zu sein, das große
Ganze des Universitätslebens sich aus vielen Einzelheiten zusammensetzt, die
sich gesondert bei einiger Ausdauer übersehen lassen, so mag es demjenigen,
welcher in solchem engeren Kreise Erfahrungen sammeln, Eigenthümlichkeiten
"der gar Schäden bemerken konnte, der Sache wegen gestattet sein, mit einigen hier
Anschlagenden Erörterungen hervorzutreten, selbst, wenn er sich weniger berufen
fühlt, als mancher Andere. Von so gestalteten Erwägungen ausgehend, werden
sich die Leser dieses Blattes gewiß nicht ungern mit dem Verfasser auf den
Boden eines Spezialfaches begeben, um so bereitwilliger vielleicht, als dieses
^ach ein universales und dominireudes ist: das der Geschichte.

Ehe wir jedoch die inneren Rünme der almg. mater aufsuchen, zeigt es
sich nöthig, die Vorhalle, welche dahin führt, zu betreten. Wenden wir uns
^so zunächst dem Gymnasium zu. Wir finden die Geschichte auf demselben
bald als eines der vorzüglichsten Mittel zur Anregung und Durchbildung
jugendlicher Geister gehandhabt, bald zu einer Gedächtnißsache traurigster Art
herabgewürdigt. Dort zielt man ans Verstand und Phantasie, macht den
Schüler mit hervorragenden Werken bekannt, läßt ihn Aufsätze historischen In¬
halts schreiben, zu deren Ausarbeitung bereits ein kleiner Stapel von Büchern
^förderlich ist, die ihn in ihren Abweichungen zum Selbstprüfen, Dnrchdenken
ut Beherrschen seines Stoffes zwingen; hier hat man vornehmlich die Exa-


Grenzbvtm I, 1877. 41
Ale Ausbildung zunger Historiker auf unseren
Universitäten.

Wiederholt ist neuerdings von Einrichtungen an unseren Universitäten die
Rede gewesen, und da dieselben sich in ihrem Einflüsse nicht auf die unmittel¬
bare Wirkungssphäre beschränken, sondern jenen Theil edelsten nationalen
Lebens, welchen die Universitäten erzeugen, wesentlich mitbestimmen, so dürfte
es Allen, denen das Gesammtwohl nicht gleichgültig erscheint, nahe liegen, auch
ihnen ununterbrochene Aufmerksamkeit zuzuwenden. Indem es nun aber nicht
jedermanns Sache ist, selbständig in jener Richtung thätig zu sein, das große
Ganze des Universitätslebens sich aus vielen Einzelheiten zusammensetzt, die
sich gesondert bei einiger Ausdauer übersehen lassen, so mag es demjenigen,
welcher in solchem engeren Kreise Erfahrungen sammeln, Eigenthümlichkeiten
"der gar Schäden bemerken konnte, der Sache wegen gestattet sein, mit einigen hier
Anschlagenden Erörterungen hervorzutreten, selbst, wenn er sich weniger berufen
fühlt, als mancher Andere. Von so gestalteten Erwägungen ausgehend, werden
sich die Leser dieses Blattes gewiß nicht ungern mit dem Verfasser auf den
Boden eines Spezialfaches begeben, um so bereitwilliger vielleicht, als dieses
^ach ein universales und dominireudes ist: das der Geschichte.

Ehe wir jedoch die inneren Rünme der almg. mater aufsuchen, zeigt es
sich nöthig, die Vorhalle, welche dahin führt, zu betreten. Wenden wir uns
^so zunächst dem Gymnasium zu. Wir finden die Geschichte auf demselben
bald als eines der vorzüglichsten Mittel zur Anregung und Durchbildung
jugendlicher Geister gehandhabt, bald zu einer Gedächtnißsache traurigster Art
herabgewürdigt. Dort zielt man ans Verstand und Phantasie, macht den
Schüler mit hervorragenden Werken bekannt, läßt ihn Aufsätze historischen In¬
halts schreiben, zu deren Ausarbeitung bereits ein kleiner Stapel von Büchern
^förderlich ist, die ihn in ihren Abweichungen zum Selbstprüfen, Dnrchdenken
ut Beherrschen seines Stoffes zwingen; hier hat man vornehmlich die Exa-


Grenzbvtm I, 1877. 41
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[0329] Ale Ausbildung zunger Historiker auf unseren Universitäten. Wiederholt ist neuerdings von Einrichtungen an unseren Universitäten die Rede gewesen, und da dieselben sich in ihrem Einflüsse nicht auf die unmittel¬ bare Wirkungssphäre beschränken, sondern jenen Theil edelsten nationalen Lebens, welchen die Universitäten erzeugen, wesentlich mitbestimmen, so dürfte es Allen, denen das Gesammtwohl nicht gleichgültig erscheint, nahe liegen, auch ihnen ununterbrochene Aufmerksamkeit zuzuwenden. Indem es nun aber nicht jedermanns Sache ist, selbständig in jener Richtung thätig zu sein, das große Ganze des Universitätslebens sich aus vielen Einzelheiten zusammensetzt, die sich gesondert bei einiger Ausdauer übersehen lassen, so mag es demjenigen, welcher in solchem engeren Kreise Erfahrungen sammeln, Eigenthümlichkeiten "der gar Schäden bemerken konnte, der Sache wegen gestattet sein, mit einigen hier Anschlagenden Erörterungen hervorzutreten, selbst, wenn er sich weniger berufen fühlt, als mancher Andere. Von so gestalteten Erwägungen ausgehend, werden sich die Leser dieses Blattes gewiß nicht ungern mit dem Verfasser auf den Boden eines Spezialfaches begeben, um so bereitwilliger vielleicht, als dieses ^ach ein universales und dominireudes ist: das der Geschichte. Ehe wir jedoch die inneren Rünme der almg. mater aufsuchen, zeigt es sich nöthig, die Vorhalle, welche dahin führt, zu betreten. Wenden wir uns ^so zunächst dem Gymnasium zu. Wir finden die Geschichte auf demselben bald als eines der vorzüglichsten Mittel zur Anregung und Durchbildung jugendlicher Geister gehandhabt, bald zu einer Gedächtnißsache traurigster Art herabgewürdigt. Dort zielt man ans Verstand und Phantasie, macht den Schüler mit hervorragenden Werken bekannt, läßt ihn Aufsätze historischen In¬ halts schreiben, zu deren Ausarbeitung bereits ein kleiner Stapel von Büchern ^förderlich ist, die ihn in ihren Abweichungen zum Selbstprüfen, Dnrchdenken ut Beherrschen seines Stoffes zwingen; hier hat man vornehmlich die Exa- Grenzbvtm I, 1877. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/329>, abgerufen am 23.07.2024.