Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Und wohnst Du auf Berg oder Auen,
Wald, Meer: 's ist Alles Wurst!
Allüberall hungernde Frauen
Und Männer mit zu viel Durst/'

Wir bedauern die Umstände, welche diese melancholische Weltanschauung
erzeugt haben, und wünschen der Inhaberin derselben die baldige Ankunft eines
Freiers, der nicht zu viel Durst hat. Ihr Herz wird dann vermuthlich kein
überflüssiges Möbel mehr sein, und Alles kann noch gut werden. Nicht wahr,
Fräulein?


Das neue Laienbrevier des Hacke lismus. -- Genesis oder die
Entwickelung des Menschengeschlechts. Nach Häckcls Anthropogenie
in zierliche Neimlein gebracht von M. Reymond. Bern,
Verlag von G. Frobeen u. Comp., 1877.

Der Verfasser hat sich den Spaß gemacht, die Hauptgedanken des bekannten
jenenser Physiologen in Knittelverse zu bringen und in burlesken Wendungen
zu verspotten. Einiges ist ihm dabei recht wohl gelungen, in vielem Andern
dagegen ist zwar die Absicht ganz brav gewesen, die Leistung aber ist stumpf
und flach ausgefallen. Das Ganze ermüdet und würde vermuthlich durch
Wiederholungen auch daun "lehr oder minder ermüden, wenn alle Witze gelungen
wären. Dergleichen läßt sich unseres Erachtens überhaupt nicht in so breiter und
langgedehnter Weise behandeln. Ein paar Gedichte über den Gegenstand er¬
schöpfen den Humor, der darin liegt, daß der Betreffende mit Behauptungen,
die näher besehen nur krasse Hypothese" sind, als Apostel eines neuen Glaubens
vor die Welt zu treten gewagt, und daß er ihr -- was noch lustiger -- ziemlich
stark imponirt hat.


Das Haidenroslein oder Goethes schö en h el in er Lieder
in ihrer Veranlassung und Stimmung. Von Ad albert Baier.
Heidelberg, Verlag von G. Weiß, 1877.

Der Verfasser erzählt zunächst, wie der Dichter mit Friederike Brion be-
annt wurde, wie er sie zu lieben begann, wie diese Liebe ihn beglückte, und
wie er sich endlich von ihr ernüchterte und das Verhältniß abbrach, und ver¬
sucht dabei den während dieser Zeit entstandenen Liedern ihre Stelle anzuweisen.
Das älteste, in den Herbstferien des Jahres 1770 an einem ihm von Friederike
oder deren Schwester bezeichneten schönen Punkte bei Sessenheim geschrieben,
wäre demnach das mit den Worten: "Nun sitzt der Ritter an den: Ort" be¬
ginnende. Im zweiten: "Ich komme bald, ihr goldnen Kinder" verspräche er
einen Besuch in den Weihnachtsferien. Bei diesem Besuche könnte er den
Mädchen seine Knabenphantasien in der Weise erzählt haben, wie er sie später


Und wohnst Du auf Berg oder Auen,
Wald, Meer: 's ist Alles Wurst!
Allüberall hungernde Frauen
Und Männer mit zu viel Durst/'

Wir bedauern die Umstände, welche diese melancholische Weltanschauung
erzeugt haben, und wünschen der Inhaberin derselben die baldige Ankunft eines
Freiers, der nicht zu viel Durst hat. Ihr Herz wird dann vermuthlich kein
überflüssiges Möbel mehr sein, und Alles kann noch gut werden. Nicht wahr,
Fräulein?


Das neue Laienbrevier des Hacke lismus. — Genesis oder die
Entwickelung des Menschengeschlechts. Nach Häckcls Anthropogenie
in zierliche Neimlein gebracht von M. Reymond. Bern,
Verlag von G. Frobeen u. Comp., 1877.

Der Verfasser hat sich den Spaß gemacht, die Hauptgedanken des bekannten
jenenser Physiologen in Knittelverse zu bringen und in burlesken Wendungen
zu verspotten. Einiges ist ihm dabei recht wohl gelungen, in vielem Andern
dagegen ist zwar die Absicht ganz brav gewesen, die Leistung aber ist stumpf
und flach ausgefallen. Das Ganze ermüdet und würde vermuthlich durch
Wiederholungen auch daun »lehr oder minder ermüden, wenn alle Witze gelungen
wären. Dergleichen läßt sich unseres Erachtens überhaupt nicht in so breiter und
langgedehnter Weise behandeln. Ein paar Gedichte über den Gegenstand er¬
schöpfen den Humor, der darin liegt, daß der Betreffende mit Behauptungen,
die näher besehen nur krasse Hypothese» sind, als Apostel eines neuen Glaubens
vor die Welt zu treten gewagt, und daß er ihr — was noch lustiger — ziemlich
stark imponirt hat.


Das Haidenroslein oder Goethes schö en h el in er Lieder
in ihrer Veranlassung und Stimmung. Von Ad albert Baier.
Heidelberg, Verlag von G. Weiß, 1877.

Der Verfasser erzählt zunächst, wie der Dichter mit Friederike Brion be-
annt wurde, wie er sie zu lieben begann, wie diese Liebe ihn beglückte, und
wie er sich endlich von ihr ernüchterte und das Verhältniß abbrach, und ver¬
sucht dabei den während dieser Zeit entstandenen Liedern ihre Stelle anzuweisen.
Das älteste, in den Herbstferien des Jahres 1770 an einem ihm von Friederike
oder deren Schwester bezeichneten schönen Punkte bei Sessenheim geschrieben,
wäre demnach das mit den Worten: „Nun sitzt der Ritter an den: Ort" be¬
ginnende. Im zweiten: „Ich komme bald, ihr goldnen Kinder" verspräche er
einen Besuch in den Weihnachtsferien. Bei diesem Besuche könnte er den
Mädchen seine Knabenphantasien in der Weise erzählt haben, wie er sie später


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137500"/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_3" type="poem">
                <l> Und wohnst Du auf Berg oder Auen,<lb/>
Wald, Meer: 's ist Alles Wurst!<lb/>
Allüberall hungernde Frauen<lb/>
Und Männer mit zu viel Durst/'</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1064"> Wir bedauern die Umstände, welche diese melancholische Weltanschauung<lb/>
erzeugt haben, und wünschen der Inhaberin derselben die baldige Ankunft eines<lb/>
Freiers, der nicht zu viel Durst hat. Ihr Herz wird dann vermuthlich kein<lb/>
überflüssiges Möbel mehr sein, und Alles kann noch gut werden. Nicht wahr,<lb/>
Fräulein?</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Das neue Laienbrevier des Hacke lismus. &#x2014; Genesis oder die<lb/>
Entwickelung des Menschengeschlechts.  Nach Häckcls Anthropogenie<lb/>
in zierliche Neimlein gebracht von M. Reymond. Bern,<lb/>
Verlag von G. Frobeen u. Comp., 1877.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1065"> Der Verfasser hat sich den Spaß gemacht, die Hauptgedanken des bekannten<lb/>
jenenser Physiologen in Knittelverse zu bringen und in burlesken Wendungen<lb/>
zu verspotten. Einiges ist ihm dabei recht wohl gelungen, in vielem Andern<lb/>
dagegen ist zwar die Absicht ganz brav gewesen, die Leistung aber ist stumpf<lb/>
und flach ausgefallen. Das Ganze ermüdet und würde vermuthlich durch<lb/>
Wiederholungen auch daun »lehr oder minder ermüden, wenn alle Witze gelungen<lb/>
wären. Dergleichen läßt sich unseres Erachtens überhaupt nicht in so breiter und<lb/>
langgedehnter Weise behandeln. Ein paar Gedichte über den Gegenstand er¬<lb/>
schöpfen den Humor, der darin liegt, daß der Betreffende mit Behauptungen,<lb/>
die näher besehen nur krasse Hypothese» sind, als Apostel eines neuen Glaubens<lb/>
vor die Welt zu treten gewagt, und daß er ihr &#x2014; was noch lustiger &#x2014; ziemlich<lb/>
stark imponirt hat.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Das Haidenroslein oder Goethes schö en h el in er Lieder<lb/>
in ihrer Veranlassung und Stimmung.  Von Ad albert Baier.<lb/>
Heidelberg, Verlag von G. Weiß, 1877.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1066" next="#ID_1067"> Der Verfasser erzählt zunächst, wie der Dichter mit Friederike Brion be-<lb/>
annt wurde, wie er sie zu lieben begann, wie diese Liebe ihn beglückte, und<lb/>
wie er sich endlich von ihr ernüchterte und das Verhältniß abbrach, und ver¬<lb/>
sucht dabei den während dieser Zeit entstandenen Liedern ihre Stelle anzuweisen.<lb/>
Das älteste, in den Herbstferien des Jahres 1770 an einem ihm von Friederike<lb/>
oder deren Schwester bezeichneten schönen Punkte bei Sessenheim geschrieben,<lb/>
wäre demnach das mit den Worten: &#x201E;Nun sitzt der Ritter an den: Ort" be¬<lb/>
ginnende. Im zweiten: &#x201E;Ich komme bald, ihr goldnen Kinder" verspräche er<lb/>
einen Besuch in den Weihnachtsferien. Bei diesem Besuche könnte er den<lb/>
Mädchen seine Knabenphantasien in der Weise erzählt haben, wie er sie später</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0327] Und wohnst Du auf Berg oder Auen, Wald, Meer: 's ist Alles Wurst! Allüberall hungernde Frauen Und Männer mit zu viel Durst/' Wir bedauern die Umstände, welche diese melancholische Weltanschauung erzeugt haben, und wünschen der Inhaberin derselben die baldige Ankunft eines Freiers, der nicht zu viel Durst hat. Ihr Herz wird dann vermuthlich kein überflüssiges Möbel mehr sein, und Alles kann noch gut werden. Nicht wahr, Fräulein? Das neue Laienbrevier des Hacke lismus. — Genesis oder die Entwickelung des Menschengeschlechts. Nach Häckcls Anthropogenie in zierliche Neimlein gebracht von M. Reymond. Bern, Verlag von G. Frobeen u. Comp., 1877. Der Verfasser hat sich den Spaß gemacht, die Hauptgedanken des bekannten jenenser Physiologen in Knittelverse zu bringen und in burlesken Wendungen zu verspotten. Einiges ist ihm dabei recht wohl gelungen, in vielem Andern dagegen ist zwar die Absicht ganz brav gewesen, die Leistung aber ist stumpf und flach ausgefallen. Das Ganze ermüdet und würde vermuthlich durch Wiederholungen auch daun »lehr oder minder ermüden, wenn alle Witze gelungen wären. Dergleichen läßt sich unseres Erachtens überhaupt nicht in so breiter und langgedehnter Weise behandeln. Ein paar Gedichte über den Gegenstand er¬ schöpfen den Humor, der darin liegt, daß der Betreffende mit Behauptungen, die näher besehen nur krasse Hypothese» sind, als Apostel eines neuen Glaubens vor die Welt zu treten gewagt, und daß er ihr — was noch lustiger — ziemlich stark imponirt hat. Das Haidenroslein oder Goethes schö en h el in er Lieder in ihrer Veranlassung und Stimmung. Von Ad albert Baier. Heidelberg, Verlag von G. Weiß, 1877. Der Verfasser erzählt zunächst, wie der Dichter mit Friederike Brion be- annt wurde, wie er sie zu lieben begann, wie diese Liebe ihn beglückte, und wie er sich endlich von ihr ernüchterte und das Verhältniß abbrach, und ver¬ sucht dabei den während dieser Zeit entstandenen Liedern ihre Stelle anzuweisen. Das älteste, in den Herbstferien des Jahres 1770 an einem ihm von Friederike oder deren Schwester bezeichneten schönen Punkte bei Sessenheim geschrieben, wäre demnach das mit den Worten: „Nun sitzt der Ritter an den: Ort" be¬ ginnende. Im zweiten: „Ich komme bald, ihr goldnen Kinder" verspräche er einen Besuch in den Weihnachtsferien. Bei diesem Besuche könnte er den Mädchen seine Knabenphantasien in der Weise erzählt haben, wie er sie später

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/327
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/327>, abgerufen am 23.07.2024.