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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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den nasenweisen Merruau so kräftig angefaßt haben und die verbissene und
verlogene Redaktion der Revue dazu, die nnr, um sich populär zu machen,
gegen Deutschland zetert, während sie uuter Badinguet I. ganz andere Töne
anschlug, das ist Recht und ein erfreuliches Zeichen. Und es ist natürlich, daß
sie dabei diesmal den "Grenzboten" voraus waren. Es ist nun einmal das
Loos einer periodischen Zeitschrift, daß sie von der Tagespresse überholt wird.
Einige bescheidene Blümchen indeß' sind den eiligen Händen entgangen, und da
einige davon zu den duftigsten und schönsten Geistesblüthen gehören, welche
der Phantasie Panlchens entsprossen sind, so finden sich vielleicht noch freund¬
liche Seelen, welche sich nicht undankbar von dieser Aehrenlese ans dem Felde
der internationalen Beschränktheit abwenden.

Gleich ans der ersten Seite dieses Aufsatzes "I^es numnes seeonäiurss par
Nerrus-u" (liovus d<Z8 Äoux moulees 'Jung XIX.) füllt dem Grimme unseres eben¬
so scharfsinnigen als kundigen Geguers ein harmloser Professor des Gymnasiums
zu Halle a/S. zum Opfer. Der hat in seinem Leitfaden der Geographie von
der physikalischen Zusammengehörigkeit der holländischen und jütischen Haiden
mit denen der norddeutschen Tiefebene gesprochen. Unser Franzose, von dem
Voltaires Ausspruch: seine Landsleute seien Tigeraffen, nur noch zur Hälste
gilt, da er die Tigernatur längst abgestreift, vielleicht nie besessen hat, sieht in
diesem Schulbuch der untern Klassen ein politisches Machwerk. Das ist dem
Menschen sehr übel gedeutet worden; meiner Ansicht nach mit Unrecht. Ein
Franzose hat keinen Begriff von der ehrenvollen Unabhängigkeit, in der sich
der deutsche Lehrer- und Gelehrtenstand mit geringen Ausnahmen stets bewegt
hat und Gott sei Dank noch bewegt. In seiner lieben Heimath kennt er's
nicht anders, als daß jeder, auch der namhafteste Gelehrte, nur nach monate¬
langem Antichambriren, Speichellecker ?e. bei dein Präfekten, Minister, je nach
dem Grade seiner Bedeutung, Lehrbücher der populären Wissenschaften veröffent¬
lichen darf. Es ist das nicht gesetzlich nothwendig, aber die liebe Geistlichkeit
hat ihre besonderen Gründe, gerade diesen Literatnrzweig zu überwachen, und
sorgt dafür, daß dem, welcher von solcher Ueberwachung sich emancipiren will,
einige Unannehmlichkeiten in seinem öffentlichen und privaten Leben Passiren,
die ihn für die Zukunft gefügig machen. Daher sieht ein Franzose gewöhnlichen
Schlages in jedem derartigen Lehrbuch auch in Deutschland ein officielles
Aktenstück. --

Sehr überraschend ist dagegen die Schilderung des norwegischen Fischer¬
volkes, von dem er erzählt, sie gehen zu den Lofodden auf die Wal¬
fischjagd und trotzen den Gefahren des Mälstroms, der "die Schiffe
in seinen Wirbel reißt und verschlingt"! Diese zwei interessanten
Notizen zeigen, daß unser Paulchen, wenn er auf dem oben bemeldeten Gym-


den nasenweisen Merruau so kräftig angefaßt haben und die verbissene und
verlogene Redaktion der Revue dazu, die nnr, um sich populär zu machen,
gegen Deutschland zetert, während sie uuter Badinguet I. ganz andere Töne
anschlug, das ist Recht und ein erfreuliches Zeichen. Und es ist natürlich, daß
sie dabei diesmal den „Grenzboten" voraus waren. Es ist nun einmal das
Loos einer periodischen Zeitschrift, daß sie von der Tagespresse überholt wird.
Einige bescheidene Blümchen indeß' sind den eiligen Händen entgangen, und da
einige davon zu den duftigsten und schönsten Geistesblüthen gehören, welche
der Phantasie Panlchens entsprossen sind, so finden sich vielleicht noch freund¬
liche Seelen, welche sich nicht undankbar von dieser Aehrenlese ans dem Felde
der internationalen Beschränktheit abwenden.

Gleich ans der ersten Seite dieses Aufsatzes „I^es numnes seeonäiurss par
Nerrus-u" (liovus d<Z8 Äoux moulees 'Jung XIX.) füllt dem Grimme unseres eben¬
so scharfsinnigen als kundigen Geguers ein harmloser Professor des Gymnasiums
zu Halle a/S. zum Opfer. Der hat in seinem Leitfaden der Geographie von
der physikalischen Zusammengehörigkeit der holländischen und jütischen Haiden
mit denen der norddeutschen Tiefebene gesprochen. Unser Franzose, von dem
Voltaires Ausspruch: seine Landsleute seien Tigeraffen, nur noch zur Hälste
gilt, da er die Tigernatur längst abgestreift, vielleicht nie besessen hat, sieht in
diesem Schulbuch der untern Klassen ein politisches Machwerk. Das ist dem
Menschen sehr übel gedeutet worden; meiner Ansicht nach mit Unrecht. Ein
Franzose hat keinen Begriff von der ehrenvollen Unabhängigkeit, in der sich
der deutsche Lehrer- und Gelehrtenstand mit geringen Ausnahmen stets bewegt
hat und Gott sei Dank noch bewegt. In seiner lieben Heimath kennt er's
nicht anders, als daß jeder, auch der namhafteste Gelehrte, nur nach monate¬
langem Antichambriren, Speichellecker ?e. bei dein Präfekten, Minister, je nach
dem Grade seiner Bedeutung, Lehrbücher der populären Wissenschaften veröffent¬
lichen darf. Es ist das nicht gesetzlich nothwendig, aber die liebe Geistlichkeit
hat ihre besonderen Gründe, gerade diesen Literatnrzweig zu überwachen, und
sorgt dafür, daß dem, welcher von solcher Ueberwachung sich emancipiren will,
einige Unannehmlichkeiten in seinem öffentlichen und privaten Leben Passiren,
die ihn für die Zukunft gefügig machen. Daher sieht ein Franzose gewöhnlichen
Schlages in jedem derartigen Lehrbuch auch in Deutschland ein officielles
Aktenstück. —

Sehr überraschend ist dagegen die Schilderung des norwegischen Fischer¬
volkes, von dem er erzählt, sie gehen zu den Lofodden auf die Wal¬
fischjagd und trotzen den Gefahren des Mälstroms, der „die Schiffe
in seinen Wirbel reißt und verschlingt"! Diese zwei interessanten
Notizen zeigen, daß unser Paulchen, wenn er auf dem oben bemeldeten Gym-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/307>, abgerufen am 04.07.2024.