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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Abstimmung dürfte lediglich maßgebend sein, ob der in Rede stehende Dis¬
positionsfonds prinzipiell zu billigen ist oder nicht. In diesem Zusammenhange
konnte sich Laster auf die Constatirung der Thatsache beschränken, daß keine
Regierung ohne derartige Mittel auskommen kann. Auch was die "Provinzial-
correspondenz" und speziell ihre Stellung zu den Wahlen betrifft, so wird zwar
festzuhalten sein, daß die Regierung sich activ in deu Wahlkampf nicht ein¬
mischen soll, aber kein billig Denkender kann ihr verbieten wollen, generell vor
dem Lande zu erklären, welche der vorhandenen Parteirichtnngen ihr sür die
gemeinsame Arbeit an den Aufgaben des Staats förderlich scheinen, welche
nicht. So verlief denn die große Ministeranklage, welche die Fortschrittspartei
so emphatisch in Scene setzte, im Grnnde recht kläglich; mit 213 gegen 157
Stimmen wurde der Dispositionsfonds bewilligt. Den Eindruck aber, welchen
namentlich die Virchvwsche Rede mit ihren Seitenhieben auf nativnalliberale
Preßorgane hinterlassen, bezeichnet am besten ein nach der Sitzung gefallenes
Bonmot: "Quittung über empfangenen Aerger."

Abgesehen von diesem einzigen "heißen Tage" trugen die Discussionen das
Gepräge jener nüchternen Sachlichkeit, welche, wenn eine Etatsberathung über¬
haupt von Nutzen sein soll, durchaus die Regel bilden muß. Fragen von all¬
gemeiner Tragweite traten nur selten in die Debatte. Eine der wichtigsten
schien diesmal die Aufmerksamkeit des Hauses weniger zu reizen, als in
früheren Jahren, die Frage der Parzellirung von Domänengrnndstücken zum
Zwecke der Errichtung kleiner bäuerlicher Stellen. Es handelt sich dabei um
das Problem der Wiedererschaffung eines Bauernstandes in Pommern, der
daselbst bekanntlich uuter der schwedischen Herrschaft, gleichwie in Mecklenburg,
so gut wie verschwunden ist. Das Abgeordnetenhaus hat die Regierung
wiederholt ersucht, pachtfrei werdende Domänen in geeigneter Weise zur Her¬
stellung kleiner Bauerngüter zu verwenden. Es war damit anch der Anfang
gemacht worden, und der Finanzminister erklärte noch im vorigen Jahre, daß
auf dem betretenen Wege fortgefahren werden solle. Geringerer Gunst aber
erfreute sich das Unternehmen im Herrenhause. Von hochfeudaler Seite wurde
im vorigen Jahre eine Resolution beantragt, nach welcher in der gedachten
Weise nur denn vorgegangen werden solle, wenn der beabsichtigte Erfolg im
voraus gesichert sei. Das Plenum des Herrenhauses modificirte den Antrag
zwar etwas; sein Beschluß klang aber zum mindeste,: nicht wie eine Auf¬
munterung für die Regierung. Gegenwärtig erklärt nun die letztere, daß für
das Etatsjahr 1877/78 eine weitere Parzellirnng von Domänen nicht in Aus¬
sicht genommen sei. Es lag nahe, dahinter ein Aufgeben des ganzen Planes
zu vermuthen. Das will sie nun freilich nicht Wort haben; sie spricht nur
von einstweiliger Sistirung, begründet dieselbe durch gemachte ungünstige Er-


Abstimmung dürfte lediglich maßgebend sein, ob der in Rede stehende Dis¬
positionsfonds prinzipiell zu billigen ist oder nicht. In diesem Zusammenhange
konnte sich Laster auf die Constatirung der Thatsache beschränken, daß keine
Regierung ohne derartige Mittel auskommen kann. Auch was die „Provinzial-
correspondenz" und speziell ihre Stellung zu den Wahlen betrifft, so wird zwar
festzuhalten sein, daß die Regierung sich activ in deu Wahlkampf nicht ein¬
mischen soll, aber kein billig Denkender kann ihr verbieten wollen, generell vor
dem Lande zu erklären, welche der vorhandenen Parteirichtnngen ihr sür die
gemeinsame Arbeit an den Aufgaben des Staats förderlich scheinen, welche
nicht. So verlief denn die große Ministeranklage, welche die Fortschrittspartei
so emphatisch in Scene setzte, im Grnnde recht kläglich; mit 213 gegen 157
Stimmen wurde der Dispositionsfonds bewilligt. Den Eindruck aber, welchen
namentlich die Virchvwsche Rede mit ihren Seitenhieben auf nativnalliberale
Preßorgane hinterlassen, bezeichnet am besten ein nach der Sitzung gefallenes
Bonmot: „Quittung über empfangenen Aerger."

Abgesehen von diesem einzigen „heißen Tage" trugen die Discussionen das
Gepräge jener nüchternen Sachlichkeit, welche, wenn eine Etatsberathung über¬
haupt von Nutzen sein soll, durchaus die Regel bilden muß. Fragen von all¬
gemeiner Tragweite traten nur selten in die Debatte. Eine der wichtigsten
schien diesmal die Aufmerksamkeit des Hauses weniger zu reizen, als in
früheren Jahren, die Frage der Parzellirung von Domänengrnndstücken zum
Zwecke der Errichtung kleiner bäuerlicher Stellen. Es handelt sich dabei um
das Problem der Wiedererschaffung eines Bauernstandes in Pommern, der
daselbst bekanntlich uuter der schwedischen Herrschaft, gleichwie in Mecklenburg,
so gut wie verschwunden ist. Das Abgeordnetenhaus hat die Regierung
wiederholt ersucht, pachtfrei werdende Domänen in geeigneter Weise zur Her¬
stellung kleiner Bauerngüter zu verwenden. Es war damit anch der Anfang
gemacht worden, und der Finanzminister erklärte noch im vorigen Jahre, daß
auf dem betretenen Wege fortgefahren werden solle. Geringerer Gunst aber
erfreute sich das Unternehmen im Herrenhause. Von hochfeudaler Seite wurde
im vorigen Jahre eine Resolution beantragt, nach welcher in der gedachten
Weise nur denn vorgegangen werden solle, wenn der beabsichtigte Erfolg im
voraus gesichert sei. Das Plenum des Herrenhauses modificirte den Antrag
zwar etwas; sein Beschluß klang aber zum mindeste,: nicht wie eine Auf¬
munterung für die Regierung. Gegenwärtig erklärt nun die letztere, daß für
das Etatsjahr 1877/78 eine weitere Parzellirnng von Domänen nicht in Aus¬
sicht genommen sei. Es lag nahe, dahinter ein Aufgeben des ganzen Planes
zu vermuthen. Das will sie nun freilich nicht Wort haben; sie spricht nur
von einstweiliger Sistirung, begründet dieselbe durch gemachte ungünstige Er-


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[0280] Abstimmung dürfte lediglich maßgebend sein, ob der in Rede stehende Dis¬ positionsfonds prinzipiell zu billigen ist oder nicht. In diesem Zusammenhange konnte sich Laster auf die Constatirung der Thatsache beschränken, daß keine Regierung ohne derartige Mittel auskommen kann. Auch was die „Provinzial- correspondenz" und speziell ihre Stellung zu den Wahlen betrifft, so wird zwar festzuhalten sein, daß die Regierung sich activ in deu Wahlkampf nicht ein¬ mischen soll, aber kein billig Denkender kann ihr verbieten wollen, generell vor dem Lande zu erklären, welche der vorhandenen Parteirichtnngen ihr sür die gemeinsame Arbeit an den Aufgaben des Staats förderlich scheinen, welche nicht. So verlief denn die große Ministeranklage, welche die Fortschrittspartei so emphatisch in Scene setzte, im Grnnde recht kläglich; mit 213 gegen 157 Stimmen wurde der Dispositionsfonds bewilligt. Den Eindruck aber, welchen namentlich die Virchvwsche Rede mit ihren Seitenhieben auf nativnalliberale Preßorgane hinterlassen, bezeichnet am besten ein nach der Sitzung gefallenes Bonmot: „Quittung über empfangenen Aerger." Abgesehen von diesem einzigen „heißen Tage" trugen die Discussionen das Gepräge jener nüchternen Sachlichkeit, welche, wenn eine Etatsberathung über¬ haupt von Nutzen sein soll, durchaus die Regel bilden muß. Fragen von all¬ gemeiner Tragweite traten nur selten in die Debatte. Eine der wichtigsten schien diesmal die Aufmerksamkeit des Hauses weniger zu reizen, als in früheren Jahren, die Frage der Parzellirung von Domänengrnndstücken zum Zwecke der Errichtung kleiner bäuerlicher Stellen. Es handelt sich dabei um das Problem der Wiedererschaffung eines Bauernstandes in Pommern, der daselbst bekanntlich uuter der schwedischen Herrschaft, gleichwie in Mecklenburg, so gut wie verschwunden ist. Das Abgeordnetenhaus hat die Regierung wiederholt ersucht, pachtfrei werdende Domänen in geeigneter Weise zur Her¬ stellung kleiner Bauerngüter zu verwenden. Es war damit anch der Anfang gemacht worden, und der Finanzminister erklärte noch im vorigen Jahre, daß auf dem betretenen Wege fortgefahren werden solle. Geringerer Gunst aber erfreute sich das Unternehmen im Herrenhause. Von hochfeudaler Seite wurde im vorigen Jahre eine Resolution beantragt, nach welcher in der gedachten Weise nur denn vorgegangen werden solle, wenn der beabsichtigte Erfolg im voraus gesichert sei. Das Plenum des Herrenhauses modificirte den Antrag zwar etwas; sein Beschluß klang aber zum mindeste,: nicht wie eine Auf¬ munterung für die Regierung. Gegenwärtig erklärt nun die letztere, daß für das Etatsjahr 1877/78 eine weitere Parzellirnng von Domänen nicht in Aus¬ sicht genommen sei. Es lag nahe, dahinter ein Aufgeben des ganzen Planes zu vermuthen. Das will sie nun freilich nicht Wort haben; sie spricht nur von einstweiliger Sistirung, begründet dieselbe durch gemachte ungünstige Er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/280>, abgerufen am 23.06.2024.