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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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ab, was die Zeit bringt. Und weil wir abwarten, so wollen wir anch weitere
Betrachtungen unterlassen über einige von den Deutsch-Conservativen bereits
lebhaft begrüßte Aeußerungen, die der Herr Staatsminister in einer Rede bei
dem zu Ehren des neugewnhlten Karlsruher Reichstagsabgeordneten veran¬
stalteten Banket kürzlich gethan hat. "Die Regierung kaun nicht Partei sein",
hat der Redner erklärt, und den versammelten natioualliberalen Wählern hat
er zugerufen: "möge es uns vergönnt sein, stets mit Ihnen zu gehen, und
mögen Sie uns anch ferner treu zur Seite stehen, denn wir stimmen in
den meisten Grundsätzen mit Ihrer Partei überein."

Was wir im vorigen Aufsatz als unsere Ansicht bezüglich der politischen
Signatur der nächsten Zukunft unseres Staatslebens und bezüglich eiues be¬
reits im Hintergrund auftauchenden neuesten Ministeriums gesagt haben, war
nicht eine "Prophezeiung im Bibelton", sondern eine aus bestimmt formulirten
Vordersätzen gezogene Schlußfolgerung, der es wohl keinen Eintrag thun dürfte,
daß wir mit Anlehnung an ein Bibelcitat (zu lesen: Apostelgesch. 5, 9.) ge¬
sprochen haben. In Folge verschiedener Vorgänge bei Heu eben stattgehabten
Reichstagswahleu, worüber wir unten Näheres mittheilen werden, dürfte der
vorausgewvrfene Schatten des neuesten Ministeriums wieder etwas verblaßt
sein. Ms wir schrieben, war er es nicht. Aber die "politische Discussion"
des Correspo.übenden der "Mg. Ztg." wollte an diesem Punkt "abprallen" und
-- ist abgeprallt.

Schließlich noch ein Zweifaches. Die "Allg. Zeitung" und ein vielleicht
aus derselben Feder, offenbar aus gleicher Quelle stammender Aufsatz der
"Köln. Ztg." widersprechen der "Vermuthung", als bestehe zwischen dem Mi¬
nisterwechsel und der spät erfolgten Publication der Schulgesetznovelle ein
innerer Zusammenhang. Der Umstand, daß wir einleitend ausdrücklich erklärt
hatten, wie wir aus Einfälle, die etwa zur Erklärung jenes Ereignisses in An¬
spruch genommen werden wollen, wenig Gewicht legen; die Thatsache sodann,
daß wir die in Rede stehende Aufstellung selbst als "Vermuthung" bezeichneten,
lassen uus diese nachdrücklich abgegebene Erklärung beider Blätter mit großem
Gleichmuth registriren. Auch die Berichtigung, daß nicht Jolly und v. Frey¬
dorf für, Turban und Ellstätter gegen das Reichseisenbahnsystem ge-
Wesen seien, daß vielmehr gerade Ellstätter sich in dem vorigen Ministerium
am wenigsten gegen dasselbe abgeneigt gezeigt habe, sei hiermit verzeichnet.
Und damit wollen wir den Ministerwechsel ruhen lassen. --

Die nach langen Verhandlungen mit der Curie kürzlich erfolgte Besetzung
der Präsidentenstelle des katholischen Oberstiftungsraths und im Zu¬
sammenhang damit einige Ernennungen, beziehungsweise Charakterisirungen in
dieser Behörde haben zu manchen Erörterungen Veranlassung gegeben. Unseres


ab, was die Zeit bringt. Und weil wir abwarten, so wollen wir anch weitere
Betrachtungen unterlassen über einige von den Deutsch-Conservativen bereits
lebhaft begrüßte Aeußerungen, die der Herr Staatsminister in einer Rede bei
dem zu Ehren des neugewnhlten Karlsruher Reichstagsabgeordneten veran¬
stalteten Banket kürzlich gethan hat. „Die Regierung kaun nicht Partei sein",
hat der Redner erklärt, und den versammelten natioualliberalen Wählern hat
er zugerufen: „möge es uns vergönnt sein, stets mit Ihnen zu gehen, und
mögen Sie uns anch ferner treu zur Seite stehen, denn wir stimmen in
den meisten Grundsätzen mit Ihrer Partei überein."

Was wir im vorigen Aufsatz als unsere Ansicht bezüglich der politischen
Signatur der nächsten Zukunft unseres Staatslebens und bezüglich eiues be¬
reits im Hintergrund auftauchenden neuesten Ministeriums gesagt haben, war
nicht eine „Prophezeiung im Bibelton", sondern eine aus bestimmt formulirten
Vordersätzen gezogene Schlußfolgerung, der es wohl keinen Eintrag thun dürfte,
daß wir mit Anlehnung an ein Bibelcitat (zu lesen: Apostelgesch. 5, 9.) ge¬
sprochen haben. In Folge verschiedener Vorgänge bei Heu eben stattgehabten
Reichstagswahleu, worüber wir unten Näheres mittheilen werden, dürfte der
vorausgewvrfene Schatten des neuesten Ministeriums wieder etwas verblaßt
sein. Ms wir schrieben, war er es nicht. Aber die „politische Discussion"
des Correspo.übenden der „Mg. Ztg." wollte an diesem Punkt „abprallen" und
— ist abgeprallt.

Schließlich noch ein Zweifaches. Die „Allg. Zeitung" und ein vielleicht
aus derselben Feder, offenbar aus gleicher Quelle stammender Aufsatz der
„Köln. Ztg." widersprechen der „Vermuthung", als bestehe zwischen dem Mi¬
nisterwechsel und der spät erfolgten Publication der Schulgesetznovelle ein
innerer Zusammenhang. Der Umstand, daß wir einleitend ausdrücklich erklärt
hatten, wie wir aus Einfälle, die etwa zur Erklärung jenes Ereignisses in An¬
spruch genommen werden wollen, wenig Gewicht legen; die Thatsache sodann,
daß wir die in Rede stehende Aufstellung selbst als „Vermuthung" bezeichneten,
lassen uus diese nachdrücklich abgegebene Erklärung beider Blätter mit großem
Gleichmuth registriren. Auch die Berichtigung, daß nicht Jolly und v. Frey¬
dorf für, Turban und Ellstätter gegen das Reichseisenbahnsystem ge-
Wesen seien, daß vielmehr gerade Ellstätter sich in dem vorigen Ministerium
am wenigsten gegen dasselbe abgeneigt gezeigt habe, sei hiermit verzeichnet.
Und damit wollen wir den Ministerwechsel ruhen lassen. —

Die nach langen Verhandlungen mit der Curie kürzlich erfolgte Besetzung
der Präsidentenstelle des katholischen Oberstiftungsraths und im Zu¬
sammenhang damit einige Ernennungen, beziehungsweise Charakterisirungen in
dieser Behörde haben zu manchen Erörterungen Veranlassung gegeben. Unseres


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/263>, abgerufen am 23.07.2024.