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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Zukunft unseres badischen Staatslebens ist uns nicht im mindesten wankend
gemacht! Man hat uns ans die Mannheimer Banketreden verwiesen. Dieselben
wurden am 14. Oktober v. I. gelegentlich der Eröffnungsfeier des dortigen
neuen Personenbahnhofs von dein Herrn Staatsminister Turban und dem
Präsidenten des Ministernms d. I.*), Herrn Stoss er, gehalten, als eben unser
erster Aufsatz bereits in der Druckerei lag. Der Herr Staatsminister hat dort
constatirt, daß die Stellung des vorigen Ministeriums schon im Verlaufe des
letzten Landtags erschüttert war, und daß die neue Regierung einstehen werde
"für eine feste Ordnung, ohne welche die höchsten Gitter des menschlichen Da¬
seins ihres Schutzes und Schirmes entbehren; wir werden einstehen für be¬
sonnenen Fortschritt und weiter arbeiten an der Forderung der geistigen, sittlich-
religiösen und wirthschaftlichen Wohlfahrt unseres Landes; wir werden aber
auch eingedenk sein, daß diese Wohlfahrt des Landes unzertrennlich ist von
der Wohlfahrt des Reiches und werden an Kaiser und Reich festhalten in
aufrichtiger Anhänglichkeit und Treue." Herr Miuisterpräsident Stösser
führte u. A. aus, daß er auf dem Gebiet des inneren Staatslebens nicht den
Frieden um jeden Preis wolle, "namentlich nicht einen faulen Frieden, der
nur erkauft werden könne auf Kosten der Autorität des Staates und des Ge¬
setzes." Er scheue den Krieg nicht, wenn er nothwendig sei, aber er führe
denselben nicht aus Neigung und nicht etwa als "Blitzableiter." Abgesehen
von der letzteren Aeußerung, die als ein Hieb gegen den eben zurückgetretenen
Minister wohl besser nicht gefallen wäre, sind all diese Reden ganz recht und
gut. Ungefähr dasselbe sagte Jolly auch, uur mit ein bischen anderen Worten.
Uns hat es nicht etwa gewundert, daß Me Reden gesprochen wurden, als
vielmehr, daß die Herren von der Mannheimer Demokratie für gut befanden,
sie mit einem wahren Hagel von Beifalls'Salven zu überschütten. National
und freisinnig wird die Richtung unserer Staatsregierung bleiben. Daß aber
die entschiedene Färbung, welche dieselbe in beiden Beziehungen bisher getragen
hat, beibehalten werde, können wir aus den im vorigen Aufsatz dargelegten
Gründen Alast annehmen'. Wird die Zukunft lehren, daß wir falsch geschlossen
haben, so werden wir hierüber durchaus nicht ungehalten sein. Wir wcirteü



") In unserem letzten Artikel hatte der Setzer an zwei Stellen aus "Präsident des Ministeriums
d. I." den "Präsidenten des neuen Ministeriums" gemacht. Die Leser haben zwar den harm¬
losen Druckfehler jedenfalls sofort herausgefunden, zumal ja wenige Seiten vorher klar gesagt
war, daß Herr Stösser zum Präsidenten des Ministeriums des Innern ernannt wurde. Bcr-
liängnißvoll aber werden solche Conjecturen in den Augen von Lesern, welche zwischen den
Zeilen zu lesen suchen. So hat die "Mg. Zeit." diese Lesart "auffallend und bezeichnend"
gefunden und uns erzählt, es sei nicht das erstemal, daß versucht werde, "auf diese naive
Weise" -- wäre wirklich äußerst naiv einem denkenden Leserkreis gegeuübe'r! -- "die Eifer¬
sucht des Staatsministcrs, der allein Präsident des Ministeriums ist, gegen den Minister
zu erregen."

Zukunft unseres badischen Staatslebens ist uns nicht im mindesten wankend
gemacht! Man hat uns ans die Mannheimer Banketreden verwiesen. Dieselben
wurden am 14. Oktober v. I. gelegentlich der Eröffnungsfeier des dortigen
neuen Personenbahnhofs von dein Herrn Staatsminister Turban und dem
Präsidenten des Ministernms d. I.*), Herrn Stoss er, gehalten, als eben unser
erster Aufsatz bereits in der Druckerei lag. Der Herr Staatsminister hat dort
constatirt, daß die Stellung des vorigen Ministeriums schon im Verlaufe des
letzten Landtags erschüttert war, und daß die neue Regierung einstehen werde
„für eine feste Ordnung, ohne welche die höchsten Gitter des menschlichen Da¬
seins ihres Schutzes und Schirmes entbehren; wir werden einstehen für be¬
sonnenen Fortschritt und weiter arbeiten an der Forderung der geistigen, sittlich-
religiösen und wirthschaftlichen Wohlfahrt unseres Landes; wir werden aber
auch eingedenk sein, daß diese Wohlfahrt des Landes unzertrennlich ist von
der Wohlfahrt des Reiches und werden an Kaiser und Reich festhalten in
aufrichtiger Anhänglichkeit und Treue." Herr Miuisterpräsident Stösser
führte u. A. aus, daß er auf dem Gebiet des inneren Staatslebens nicht den
Frieden um jeden Preis wolle, „namentlich nicht einen faulen Frieden, der
nur erkauft werden könne auf Kosten der Autorität des Staates und des Ge¬
setzes." Er scheue den Krieg nicht, wenn er nothwendig sei, aber er führe
denselben nicht aus Neigung und nicht etwa als „Blitzableiter." Abgesehen
von der letzteren Aeußerung, die als ein Hieb gegen den eben zurückgetretenen
Minister wohl besser nicht gefallen wäre, sind all diese Reden ganz recht und
gut. Ungefähr dasselbe sagte Jolly auch, uur mit ein bischen anderen Worten.
Uns hat es nicht etwa gewundert, daß Me Reden gesprochen wurden, als
vielmehr, daß die Herren von der Mannheimer Demokratie für gut befanden,
sie mit einem wahren Hagel von Beifalls'Salven zu überschütten. National
und freisinnig wird die Richtung unserer Staatsregierung bleiben. Daß aber
die entschiedene Färbung, welche dieselbe in beiden Beziehungen bisher getragen
hat, beibehalten werde, können wir aus den im vorigen Aufsatz dargelegten
Gründen Alast annehmen'. Wird die Zukunft lehren, daß wir falsch geschlossen
haben, so werden wir hierüber durchaus nicht ungehalten sein. Wir wcirteü



") In unserem letzten Artikel hatte der Setzer an zwei Stellen aus „Präsident des Ministeriums
d. I." den „Präsidenten des neuen Ministeriums" gemacht. Die Leser haben zwar den harm¬
losen Druckfehler jedenfalls sofort herausgefunden, zumal ja wenige Seiten vorher klar gesagt
war, daß Herr Stösser zum Präsidenten des Ministeriums des Innern ernannt wurde. Bcr-
liängnißvoll aber werden solche Conjecturen in den Augen von Lesern, welche zwischen den
Zeilen zu lesen suchen. So hat die „Mg. Zeit." diese Lesart „auffallend und bezeichnend"
gefunden und uns erzählt, es sei nicht das erstemal, daß versucht werde, „auf diese naive
Weise" — wäre wirklich äußerst naiv einem denkenden Leserkreis gegeuübe'r! — „die Eifer¬
sucht des Staatsministcrs, der allein Präsident des Ministeriums ist, gegen den Minister
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/262>, abgerufen am 23.07.2024.