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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Russen waren, setzten 10,000 Mann vom sechsten Corps auf einem Umwege
bei Hirsowa über den Fluß und marschirten gegen Silistria, vor dem am 21.
Juli General Roth selbst erschien.

Silistria ist eine der besseren Festungen der Türkei, und es hatte 1828
gegen zwanzigtausend Eüuvvhuer, während es jetzt wohl nicht über sechstausend
zählt. Die Stadt bildet ziemlich genau die Hälfte eiues Kreises, dessen Durch¬
messer, etwa zweitausend Schritt lang, der Donau zugekehrt ist. Sie wird von
10 Fortificationsfronten, jede 550 Schritt lang, umschlossen und hat zwei
Schanzen, welche den Anschluß an den Fluß bilden und dessen Fläche bestreichen.
Die Besatzung war zahlreich, die bewaffneten Einwohner mochten sechstausend
Muter zählen, und außerdem hatte sich der größere Theil der Garnisonen von
Jbrail, Tnltscha, Matschin und Hirsowa hierhergezogen. Infolge dessen besaß
General Roth nicht Truppen genug, um die Festung von allen Seiten ein¬
zuschließen und ihr die Verbindung mit Rustschnk abzuschneiden, von wo sie
ihre Lebensmittel bezog. Er mußte sich begnügen, die Ausfälle der tapfern
Besatzung zurückzuweisen, und bald befand er sich in derselben elenden Lage
wie die Belagerer von Schumla. Mangel an Lebensmitteln stellte sich ein, und
Fieber und Ruhr forderten zahlreiche Opfer.

Inzwischen hatte man auch die Belagerung Warnas begonnen. Diese
Festung liegt am Ausfluß der Devua und ihrer Seen in dos Schwarze Meer
in einer breiten Thalebene, deren faustgewellter Boden mit Obst- und Reben¬
gärten bedeckt ist. Der nördliche Thalrand jenes Flüßchens erhebt sich über
tausend Fuß, die bulgarische Ebene stürzt hier plötzlich als schroffe Felswand
hinab und verflacht sich dann mit stets abnehmender Steilheit. Der Abstand
dieser Höhen von Warna beträgt ziemlich eine deutsche Meile. Der südliche
Thalrand rückt dem Platze näher, steigt sogleich stetig auf und zeigt die
Kuppenbildung und die schönen Waldungen des eigentlichen Balkan. Indeß
bleiben auch hier die nächsten, die Festung einsehenden Höhen noch über 3000
Schritt von deren Wällen entfernt. Aus der näheren Umgebung war der
Platz daher bei der Tragweite der damaligen Geschütze nirgends dominirt, be¬
herrschte aber auch selbst nicht überall vollständig das Terrain im Bereich der
Schußweite.

Die ersten Unternehmungen der Russen gegen diese Festung waren nicht
glücklich gewesen. Infolge eines Ausfalls der türkischen Garnison hatte der
General Suchtelen sich mit seiner Division nach Derbend zurückziehen müssen,
wo er sich verschanzte und die Ankunft der Schiffe Greighs erwartete, welche
bei der Belagerung Warnas mitwirken sollten. Dieser Umstand erlaubte eine
neue Verprovicmtirung der Festung und eine bedeutende Verstärkung ihrer
Garnison. Jzzet Mehemed Pascha, der Großadmiral, ein höchst energischer


Russen waren, setzten 10,000 Mann vom sechsten Corps auf einem Umwege
bei Hirsowa über den Fluß und marschirten gegen Silistria, vor dem am 21.
Juli General Roth selbst erschien.

Silistria ist eine der besseren Festungen der Türkei, und es hatte 1828
gegen zwanzigtausend Eüuvvhuer, während es jetzt wohl nicht über sechstausend
zählt. Die Stadt bildet ziemlich genau die Hälfte eiues Kreises, dessen Durch¬
messer, etwa zweitausend Schritt lang, der Donau zugekehrt ist. Sie wird von
10 Fortificationsfronten, jede 550 Schritt lang, umschlossen und hat zwei
Schanzen, welche den Anschluß an den Fluß bilden und dessen Fläche bestreichen.
Die Besatzung war zahlreich, die bewaffneten Einwohner mochten sechstausend
Muter zählen, und außerdem hatte sich der größere Theil der Garnisonen von
Jbrail, Tnltscha, Matschin und Hirsowa hierhergezogen. Infolge dessen besaß
General Roth nicht Truppen genug, um die Festung von allen Seiten ein¬
zuschließen und ihr die Verbindung mit Rustschnk abzuschneiden, von wo sie
ihre Lebensmittel bezog. Er mußte sich begnügen, die Ausfälle der tapfern
Besatzung zurückzuweisen, und bald befand er sich in derselben elenden Lage
wie die Belagerer von Schumla. Mangel an Lebensmitteln stellte sich ein, und
Fieber und Ruhr forderten zahlreiche Opfer.

Inzwischen hatte man auch die Belagerung Warnas begonnen. Diese
Festung liegt am Ausfluß der Devua und ihrer Seen in dos Schwarze Meer
in einer breiten Thalebene, deren faustgewellter Boden mit Obst- und Reben¬
gärten bedeckt ist. Der nördliche Thalrand jenes Flüßchens erhebt sich über
tausend Fuß, die bulgarische Ebene stürzt hier plötzlich als schroffe Felswand
hinab und verflacht sich dann mit stets abnehmender Steilheit. Der Abstand
dieser Höhen von Warna beträgt ziemlich eine deutsche Meile. Der südliche
Thalrand rückt dem Platze näher, steigt sogleich stetig auf und zeigt die
Kuppenbildung und die schönen Waldungen des eigentlichen Balkan. Indeß
bleiben auch hier die nächsten, die Festung einsehenden Höhen noch über 3000
Schritt von deren Wällen entfernt. Aus der näheren Umgebung war der
Platz daher bei der Tragweite der damaligen Geschütze nirgends dominirt, be¬
herrschte aber auch selbst nicht überall vollständig das Terrain im Bereich der
Schußweite.

Die ersten Unternehmungen der Russen gegen diese Festung waren nicht
glücklich gewesen. Infolge eines Ausfalls der türkischen Garnison hatte der
General Suchtelen sich mit seiner Division nach Derbend zurückziehen müssen,
wo er sich verschanzte und die Ankunft der Schiffe Greighs erwartete, welche
bei der Belagerung Warnas mitwirken sollten. Dieser Umstand erlaubte eine
neue Verprovicmtirung der Festung und eine bedeutende Verstärkung ihrer
Garnison. Jzzet Mehemed Pascha, der Großadmiral, ein höchst energischer


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[0238] Russen waren, setzten 10,000 Mann vom sechsten Corps auf einem Umwege bei Hirsowa über den Fluß und marschirten gegen Silistria, vor dem am 21. Juli General Roth selbst erschien. Silistria ist eine der besseren Festungen der Türkei, und es hatte 1828 gegen zwanzigtausend Eüuvvhuer, während es jetzt wohl nicht über sechstausend zählt. Die Stadt bildet ziemlich genau die Hälfte eiues Kreises, dessen Durch¬ messer, etwa zweitausend Schritt lang, der Donau zugekehrt ist. Sie wird von 10 Fortificationsfronten, jede 550 Schritt lang, umschlossen und hat zwei Schanzen, welche den Anschluß an den Fluß bilden und dessen Fläche bestreichen. Die Besatzung war zahlreich, die bewaffneten Einwohner mochten sechstausend Muter zählen, und außerdem hatte sich der größere Theil der Garnisonen von Jbrail, Tnltscha, Matschin und Hirsowa hierhergezogen. Infolge dessen besaß General Roth nicht Truppen genug, um die Festung von allen Seiten ein¬ zuschließen und ihr die Verbindung mit Rustschnk abzuschneiden, von wo sie ihre Lebensmittel bezog. Er mußte sich begnügen, die Ausfälle der tapfern Besatzung zurückzuweisen, und bald befand er sich in derselben elenden Lage wie die Belagerer von Schumla. Mangel an Lebensmitteln stellte sich ein, und Fieber und Ruhr forderten zahlreiche Opfer. Inzwischen hatte man auch die Belagerung Warnas begonnen. Diese Festung liegt am Ausfluß der Devua und ihrer Seen in dos Schwarze Meer in einer breiten Thalebene, deren faustgewellter Boden mit Obst- und Reben¬ gärten bedeckt ist. Der nördliche Thalrand jenes Flüßchens erhebt sich über tausend Fuß, die bulgarische Ebene stürzt hier plötzlich als schroffe Felswand hinab und verflacht sich dann mit stets abnehmender Steilheit. Der Abstand dieser Höhen von Warna beträgt ziemlich eine deutsche Meile. Der südliche Thalrand rückt dem Platze näher, steigt sogleich stetig auf und zeigt die Kuppenbildung und die schönen Waldungen des eigentlichen Balkan. Indeß bleiben auch hier die nächsten, die Festung einsehenden Höhen noch über 3000 Schritt von deren Wällen entfernt. Aus der näheren Umgebung war der Platz daher bei der Tragweite der damaligen Geschütze nirgends dominirt, be¬ herrschte aber auch selbst nicht überall vollständig das Terrain im Bereich der Schußweite. Die ersten Unternehmungen der Russen gegen diese Festung waren nicht glücklich gewesen. Infolge eines Ausfalls der türkischen Garnison hatte der General Suchtelen sich mit seiner Division nach Derbend zurückziehen müssen, wo er sich verschanzte und die Ankunft der Schiffe Greighs erwartete, welche bei der Belagerung Warnas mitwirken sollten. Dieser Umstand erlaubte eine neue Verprovicmtirung der Festung und eine bedeutende Verstärkung ihrer Garnison. Jzzet Mehemed Pascha, der Großadmiral, ein höchst energischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/238>, abgerufen am 23.07.2024.