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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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haben. Hier gingen sie mit ihm um, daß es Gott hätte erbarmen mögen;
denn Niemand erfuhr und kounte wissen wer es gezeuget, denn es hieß immer:
das haben zwey Kanvniei zu Prag gehöret: das haben zween Pfarrherren,
das hat ein Kapellan, ein Doctor ?e. angehöret. Als mau aber laß: Huß habe
gelehret, daß, nachdem die Worte der Einsetzung über das Brod gesprochen
wären, so wäre und bliebe es ein natürliches Brod, welches ketzerisch ist,
desgleichen: daß ein Pfarrherr, welcher mit Todsünden beladen wäre, weder
das Sacrament des Altars austheilen, noch taufen könne: konnte sich Huß nicht
länger halten und wollte antworten. Der Cardinal vou Florenz hieß ihn
schweigen, doch thäte er es nicht, sondern sagte: Ich bitte euch doch um GOttes
willen, lasset mich nur wegen der Umstehenden reden, auf daß sie nicht glauben,
ich habe solches gelehret: denn 1) gestehe ich nicht, daß ich geglaubet, viel
weniger gelehret habe, daß das gesegnete Brod schlecht natürlich Brod sey.
Zum andern sage ich, das alles dasjenige, so von einem Priester, der mit Tod¬
sünden behaftet ist, vollbracht wird, vor Gott ein Greuel und Abscheu sey.
Wie man laß: Huß hat gelehret, es seyen vier Personen in der Gottheit, und
solches hat ein Doctor gehöret, sagte Huß, mau sollte ihm den Doctor nennen,
solches wollte der Bischof, der es laß, nicht thun, sondern sagte: Es sey nicht
von nöthen. Darauf rief Huß, daß sey ferne, daß ich arme elende Kreatur,
die vierte Person in der heyligen Dreyfaltigkeit einsetzen solte. GOtt weiß es,
daß mir solches Zeit meines Lebens nicht in den Sinn gekommen ist, viel
weniger hab ich's gelehret. Ich habe allezeit ein einiges göttliches Wesen in
drey Personen, GOtt Vater, GOtt Sohn, GOtt Heiliger Geist bekennet, worauf
ich sterben will. Man laß ferner fort: Huß hat in Gegenwart unserer aller,
zu dem Richterstuhl Gottes appelliret, welches ketzerisch ist. Hierauf schrie Huß:
Schau Herr Christe, dieses Concilium hält ein Gesetz und Gebot für ketzerisch,
der du doch selbst, als du von deinen Feinden überwältiget wärest, deinem
himmlischen Vater, als den gerechten Richter, deine Sache befohlen hast, wo¬
durch du uns armen, elenden und schwachen Menschen ein Exempel verlassen,
daß wir in unserm Kreutz und Nöthen zu dir, als zu einem gerechten Richter
fliehen und Hülfe suchen sollen. Zuletzt verdammten sie ihn, weil er des
Pabstes Bann verachtet hätte. Huß aber sprach: Worinnen hab ich ihn ver¬
achtet? Hab ich nicht öffentlich an ihn als einen gerechten Richter appelliret?
Ueber dieses hab ich dreymal Abgeordnete an ihn geschicket, die mich bey ihm
verantworten sollen, da ich wegen höchstwichtiger Ursachen selbst zu erscheinen
nicht im Stande war. Es ist aber offenbar und wohl bekandt, wie man mit
ihnen umgegangen ist, denn etliche sind in das Gefängniß geworfen, etliche
nicht gehöret, und etliche sonst geplaget worden. Derohalben hab ich mich
endlich entschlossen, bey Zeiten auf dieses Concilium zu kommen, ich habe ein


haben. Hier gingen sie mit ihm um, daß es Gott hätte erbarmen mögen;
denn Niemand erfuhr und kounte wissen wer es gezeuget, denn es hieß immer:
das haben zwey Kanvniei zu Prag gehöret: das haben zween Pfarrherren,
das hat ein Kapellan, ein Doctor ?e. angehöret. Als mau aber laß: Huß habe
gelehret, daß, nachdem die Worte der Einsetzung über das Brod gesprochen
wären, so wäre und bliebe es ein natürliches Brod, welches ketzerisch ist,
desgleichen: daß ein Pfarrherr, welcher mit Todsünden beladen wäre, weder
das Sacrament des Altars austheilen, noch taufen könne: konnte sich Huß nicht
länger halten und wollte antworten. Der Cardinal vou Florenz hieß ihn
schweigen, doch thäte er es nicht, sondern sagte: Ich bitte euch doch um GOttes
willen, lasset mich nur wegen der Umstehenden reden, auf daß sie nicht glauben,
ich habe solches gelehret: denn 1) gestehe ich nicht, daß ich geglaubet, viel
weniger gelehret habe, daß das gesegnete Brod schlecht natürlich Brod sey.
Zum andern sage ich, das alles dasjenige, so von einem Priester, der mit Tod¬
sünden behaftet ist, vollbracht wird, vor Gott ein Greuel und Abscheu sey.
Wie man laß: Huß hat gelehret, es seyen vier Personen in der Gottheit, und
solches hat ein Doctor gehöret, sagte Huß, mau sollte ihm den Doctor nennen,
solches wollte der Bischof, der es laß, nicht thun, sondern sagte: Es sey nicht
von nöthen. Darauf rief Huß, daß sey ferne, daß ich arme elende Kreatur,
die vierte Person in der heyligen Dreyfaltigkeit einsetzen solte. GOtt weiß es,
daß mir solches Zeit meines Lebens nicht in den Sinn gekommen ist, viel
weniger hab ich's gelehret. Ich habe allezeit ein einiges göttliches Wesen in
drey Personen, GOtt Vater, GOtt Sohn, GOtt Heiliger Geist bekennet, worauf
ich sterben will. Man laß ferner fort: Huß hat in Gegenwart unserer aller,
zu dem Richterstuhl Gottes appelliret, welches ketzerisch ist. Hierauf schrie Huß:
Schau Herr Christe, dieses Concilium hält ein Gesetz und Gebot für ketzerisch,
der du doch selbst, als du von deinen Feinden überwältiget wärest, deinem
himmlischen Vater, als den gerechten Richter, deine Sache befohlen hast, wo¬
durch du uns armen, elenden und schwachen Menschen ein Exempel verlassen,
daß wir in unserm Kreutz und Nöthen zu dir, als zu einem gerechten Richter
fliehen und Hülfe suchen sollen. Zuletzt verdammten sie ihn, weil er des
Pabstes Bann verachtet hätte. Huß aber sprach: Worinnen hab ich ihn ver¬
achtet? Hab ich nicht öffentlich an ihn als einen gerechten Richter appelliret?
Ueber dieses hab ich dreymal Abgeordnete an ihn geschicket, die mich bey ihm
verantworten sollen, da ich wegen höchstwichtiger Ursachen selbst zu erscheinen
nicht im Stande war. Es ist aber offenbar und wohl bekandt, wie man mit
ihnen umgegangen ist, denn etliche sind in das Gefängniß geworfen, etliche
nicht gehöret, und etliche sonst geplaget worden. Derohalben hab ich mich
endlich entschlossen, bey Zeiten auf dieses Concilium zu kommen, ich habe ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/192>, abgerufen am 23.07.2024.