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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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europäischen Mächten, welcher uns gestattet, ein Beispiel für das Auftreten von
Torpedo zu citiren, ist der deutsch-französische von 1870. Damals sind auf
deutscher Seite nur Defensiv-Torpedo aufgetreten als Hafensperre. Da die
französische Flotte sich vollkommen leidend verhielt und keinen Hafen zu formen
versuchte, sind auch die deutscheu Torpedo-Sperren nicht zur Activität gelangt.
Zur Wirksamkeit aber gelangten sie wohl, denn die Schatten dieser Torpedo
spukten in allen officiellen und officiösen französischen Artikeln über die Flotten¬
angelegenheit; Torpedo-Sperren mußten als Vorwand dienen, daß nirgend ein
französisches Kriegsschiff näher als fünfzehn Seemeilen an einen deutschen Hafen
ging. Nehmen wir nun an, die Situation kehre ähnlich wieder. Vor Wilhelms¬
hafen, vor Kiel, vor Danzig, ankerten feindliche Panzerflotten, jeder dieser
Häfen aber sei mit einer Brigade von sechs Taucher-Torpedo Versehen, die seit
Jahren dort stationirt und geübt seien.

Nehmen wir an, jeder Taucher-Torpedo habe 60,000 Mark gekostet--das
ist eine unwahrscheinlich hohe Summe, aber sei es darum -- dann repräsentiren
diese achtzehn Boote rund ca. 1 Mill. Mark.

Wir dürfen wohl ohne übertreibende Anmaßung annehmen, daß diese
Boote ebenso wohl ihre Schuldigkeit thun würden, als irgend ein anderer Be¬
standtheil des deutschen Heeres oder der deutschen Marine. Sprengt aber jede
Brigade nur ein Panzerschiff in die Luft, so dürfte der Eindruck auf die feind¬
liche Flotte nicht zu unterschätzen sein. Versuchen dann die feindlichen Panzer
trotzdem die so bewehrten Häfen zu foreiren oder an irgend einem andern
Punkt der Küste eine Landung zu versuchen, so steigern sich mit jeder Kabel¬
länge landwärts die Chancen für die Taucherboote; und es wäre wohl mit Sicher¬
heit anzunehmen, daß die sich häufenden schweren Verluste auch den kühnsten
Gegner zum stehen bringen würden, ehe er den Kampf mit den Strandbat-
terieu aufnehmen würde. Während eines solchen Kampfes aber würde erst
recht das reichste Wirkungsfeld sich den Taucherbovten darbieten, da sie in
völlig bekannten Fahrwasser, unter dem Schutz der befreundeten Batterien keine
andere Gefahr zu scheuen hätten, als zufällig von einem feindlichen Schiffer
"gerammt" zu werden, eine Gefahr, die zehnmal geringer ist, als sie jeder
Füsilier oder Grenadier im Dorf- oder Waldgefecht durchmachen muß.

Weder Schutznetze noch wasserdichte Kammern können dem Panzer Sicher¬
heit gegen den Torpedo verleihen. Wird ihm die Schraube oder das Steuer¬
ruder weggesprengt, so liegt er da, eine inerte Masse, die wenn nicht dem
ersten, so doch dem dritten und vierten Torpedo erliegt, welcher gegen ihren
Boden geschleudert wird.

Theorien siud oft trügerisch, bisher aber hat auch die Theorie, so frucht¬
bar sie oft an Ideen zu sein pflegt, noch kein Hülfsmittel gegen einen euer-


europäischen Mächten, welcher uns gestattet, ein Beispiel für das Auftreten von
Torpedo zu citiren, ist der deutsch-französische von 1870. Damals sind auf
deutscher Seite nur Defensiv-Torpedo aufgetreten als Hafensperre. Da die
französische Flotte sich vollkommen leidend verhielt und keinen Hafen zu formen
versuchte, sind auch die deutscheu Torpedo-Sperren nicht zur Activität gelangt.
Zur Wirksamkeit aber gelangten sie wohl, denn die Schatten dieser Torpedo
spukten in allen officiellen und officiösen französischen Artikeln über die Flotten¬
angelegenheit; Torpedo-Sperren mußten als Vorwand dienen, daß nirgend ein
französisches Kriegsschiff näher als fünfzehn Seemeilen an einen deutschen Hafen
ging. Nehmen wir nun an, die Situation kehre ähnlich wieder. Vor Wilhelms¬
hafen, vor Kiel, vor Danzig, ankerten feindliche Panzerflotten, jeder dieser
Häfen aber sei mit einer Brigade von sechs Taucher-Torpedo Versehen, die seit
Jahren dort stationirt und geübt seien.

Nehmen wir an, jeder Taucher-Torpedo habe 60,000 Mark gekostet—das
ist eine unwahrscheinlich hohe Summe, aber sei es darum — dann repräsentiren
diese achtzehn Boote rund ca. 1 Mill. Mark.

Wir dürfen wohl ohne übertreibende Anmaßung annehmen, daß diese
Boote ebenso wohl ihre Schuldigkeit thun würden, als irgend ein anderer Be¬
standtheil des deutschen Heeres oder der deutschen Marine. Sprengt aber jede
Brigade nur ein Panzerschiff in die Luft, so dürfte der Eindruck auf die feind¬
liche Flotte nicht zu unterschätzen sein. Versuchen dann die feindlichen Panzer
trotzdem die so bewehrten Häfen zu foreiren oder an irgend einem andern
Punkt der Küste eine Landung zu versuchen, so steigern sich mit jeder Kabel¬
länge landwärts die Chancen für die Taucherboote; und es wäre wohl mit Sicher¬
heit anzunehmen, daß die sich häufenden schweren Verluste auch den kühnsten
Gegner zum stehen bringen würden, ehe er den Kampf mit den Strandbat-
terieu aufnehmen würde. Während eines solchen Kampfes aber würde erst
recht das reichste Wirkungsfeld sich den Taucherbovten darbieten, da sie in
völlig bekannten Fahrwasser, unter dem Schutz der befreundeten Batterien keine
andere Gefahr zu scheuen hätten, als zufällig von einem feindlichen Schiffer
„gerammt" zu werden, eine Gefahr, die zehnmal geringer ist, als sie jeder
Füsilier oder Grenadier im Dorf- oder Waldgefecht durchmachen muß.

Weder Schutznetze noch wasserdichte Kammern können dem Panzer Sicher¬
heit gegen den Torpedo verleihen. Wird ihm die Schraube oder das Steuer¬
ruder weggesprengt, so liegt er da, eine inerte Masse, die wenn nicht dem
ersten, so doch dem dritten und vierten Torpedo erliegt, welcher gegen ihren
Boden geschleudert wird.

Theorien siud oft trügerisch, bisher aber hat auch die Theorie, so frucht¬
bar sie oft an Ideen zu sein pflegt, noch kein Hülfsmittel gegen einen euer-


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[0154] europäischen Mächten, welcher uns gestattet, ein Beispiel für das Auftreten von Torpedo zu citiren, ist der deutsch-französische von 1870. Damals sind auf deutscher Seite nur Defensiv-Torpedo aufgetreten als Hafensperre. Da die französische Flotte sich vollkommen leidend verhielt und keinen Hafen zu formen versuchte, sind auch die deutscheu Torpedo-Sperren nicht zur Activität gelangt. Zur Wirksamkeit aber gelangten sie wohl, denn die Schatten dieser Torpedo spukten in allen officiellen und officiösen französischen Artikeln über die Flotten¬ angelegenheit; Torpedo-Sperren mußten als Vorwand dienen, daß nirgend ein französisches Kriegsschiff näher als fünfzehn Seemeilen an einen deutschen Hafen ging. Nehmen wir nun an, die Situation kehre ähnlich wieder. Vor Wilhelms¬ hafen, vor Kiel, vor Danzig, ankerten feindliche Panzerflotten, jeder dieser Häfen aber sei mit einer Brigade von sechs Taucher-Torpedo Versehen, die seit Jahren dort stationirt und geübt seien. Nehmen wir an, jeder Taucher-Torpedo habe 60,000 Mark gekostet—das ist eine unwahrscheinlich hohe Summe, aber sei es darum — dann repräsentiren diese achtzehn Boote rund ca. 1 Mill. Mark. Wir dürfen wohl ohne übertreibende Anmaßung annehmen, daß diese Boote ebenso wohl ihre Schuldigkeit thun würden, als irgend ein anderer Be¬ standtheil des deutschen Heeres oder der deutschen Marine. Sprengt aber jede Brigade nur ein Panzerschiff in die Luft, so dürfte der Eindruck auf die feind¬ liche Flotte nicht zu unterschätzen sein. Versuchen dann die feindlichen Panzer trotzdem die so bewehrten Häfen zu foreiren oder an irgend einem andern Punkt der Küste eine Landung zu versuchen, so steigern sich mit jeder Kabel¬ länge landwärts die Chancen für die Taucherboote; und es wäre wohl mit Sicher¬ heit anzunehmen, daß die sich häufenden schweren Verluste auch den kühnsten Gegner zum stehen bringen würden, ehe er den Kampf mit den Strandbat- terieu aufnehmen würde. Während eines solchen Kampfes aber würde erst recht das reichste Wirkungsfeld sich den Taucherbovten darbieten, da sie in völlig bekannten Fahrwasser, unter dem Schutz der befreundeten Batterien keine andere Gefahr zu scheuen hätten, als zufällig von einem feindlichen Schiffer „gerammt" zu werden, eine Gefahr, die zehnmal geringer ist, als sie jeder Füsilier oder Grenadier im Dorf- oder Waldgefecht durchmachen muß. Weder Schutznetze noch wasserdichte Kammern können dem Panzer Sicher¬ heit gegen den Torpedo verleihen. Wird ihm die Schraube oder das Steuer¬ ruder weggesprengt, so liegt er da, eine inerte Masse, die wenn nicht dem ersten, so doch dem dritten und vierten Torpedo erliegt, welcher gegen ihren Boden geschleudert wird. Theorien siud oft trügerisch, bisher aber hat auch die Theorie, so frucht¬ bar sie oft an Ideen zu sein pflegt, noch kein Hülfsmittel gegen einen euer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/154>, abgerufen am 23.07.2024.