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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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[Beginn Spaltensatz]

Jakchos, der Du nah hier in dem hoch¬
herrlichen Sitz weilst,

Jakchos! O Jakchos!

Komm Hieher auf die Nachwiese zum
Reis'ntanz,

In die Schaar Deiner Geweihten,
Und im Schwunge walte duftig
Dir der Myrthenkranz voll Beeren
Um das lockige Haupt!
Und kühn stampfe den Takt uns
Mit dem Fuße zum neckisch
Sich entfesselnden Lustreih'n,
Der in holdreizender Anmuth,
Der in Unschuld Dich umhüpft,
Der Geweihten heil'gen Chortanz!

[Spaltenumbruch]

Ermuntre Dich: naht doch,
In der Hand schwingend die Fackeln.

Er naht schon, Jakchos,

Stern des Lichts, in Nacht leuchtend zu
Feste!

Von der Flamme glüht die Wiese,
Ja, das Knie der Greise rezt sich.
Und sie schütteln ab die Sorgen
Und die Bürde der Zeit,
Die Last bleichender Haare
In der heiligen Festlust.
Du, Seliger, führe
Die zum Tanz rüstige Jugend
Zu des Quelles blumigen An'n
Mit voranslammcnder Fackel.

[Ende Spaltensatz]

m


Den Schluß des Ganzen bildete ein Ritus mit symbolischer Bedeutung:
man füllte zwei Thongefäße von kreiselförmiger Gestalt und goß das eine
nach Osten, das andere nach Westen aus, wozu man eine mystische Formel
aussprach. Womit diese Gefäße, die Plemochoä hießen, gefüllt waren, ist
ebenso wenig bekannt, als das, was dabei gesprochen wurde. Preller erblickt
in der Ceremonie ein Todtenopfer.

Daß Frauen von den eleusinischen Mysterien nicht ausgeschlossen waren,
haben wir schon bemerkt. Aber auch Kinder wurden bisweilen schon unter
die Zahl der Mysten aufgenommen. Dieß ergiebt sich, abgesehen von andern
Zeugnissen, aus der Erwähnung des sogenannten "Knaben vom Herde" (/r""?
"P Zo'ritt?), von dem wir allerdings weiter nichts erfahren, als daß er
für die Gesammtheit der Theilnehmer an den Mysterien, um die Huld der
unterirdischen Götter zu erbitten, gewisse heilige Bräuche zu verrichten hatte.

Das Ansehen der eleusinischen Geheimkulte war in der Zeit der Selbst-
stündigkeit Griechenlands sehr groß und erhielt sich bis in die Jahrhunderte
hinein, wo das Christenthum sich auszubreiten begann, wie es scheint, unge¬
schwächt fort. Auch unter deu Römern verschmähten es die Vornehmsten nicht,
der Weihen, die so viel Segen gewährten, theilhaftig zu werden. Wir wissen
dieß u. A. von den Kaisern Hadrian und Marc Aurel. Als der christliche
Kaiser Valentinian alle nächtlichen Feiern verbot, blieben ans Verwendung des
Proconsuls der Provinz Achaja die Elensinien gestattet. Dieselben hörten erst
auf, als die Philosophenschule der Neuplatoniker die Hauptlehren, welche die
Mysterien versinnbildet hatten, in ihren Schriften dem großen Publicum vor¬
trugen, und ans diese Weise der Reiz des Geheimnisses schwand.


[Beginn Spaltensatz]

Jakchos, der Du nah hier in dem hoch¬
herrlichen Sitz weilst,

Jakchos! O Jakchos!

Komm Hieher auf die Nachwiese zum
Reis'ntanz,

In die Schaar Deiner Geweihten,
Und im Schwunge walte duftig
Dir der Myrthenkranz voll Beeren
Um das lockige Haupt!
Und kühn stampfe den Takt uns
Mit dem Fuße zum neckisch
Sich entfesselnden Lustreih'n,
Der in holdreizender Anmuth,
Der in Unschuld Dich umhüpft,
Der Geweihten heil'gen Chortanz!

[Spaltenumbruch]

Ermuntre Dich: naht doch,
In der Hand schwingend die Fackeln.

Er naht schon, Jakchos,

Stern des Lichts, in Nacht leuchtend zu
Feste!

Von der Flamme glüht die Wiese,
Ja, das Knie der Greise rezt sich.
Und sie schütteln ab die Sorgen
Und die Bürde der Zeit,
Die Last bleichender Haare
In der heiligen Festlust.
Du, Seliger, führe
Die zum Tanz rüstige Jugend
Zu des Quelles blumigen An'n
Mit voranslammcnder Fackel.

[Ende Spaltensatz]

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Den Schluß des Ganzen bildete ein Ritus mit symbolischer Bedeutung:
man füllte zwei Thongefäße von kreiselförmiger Gestalt und goß das eine
nach Osten, das andere nach Westen aus, wozu man eine mystische Formel
aussprach. Womit diese Gefäße, die Plemochoä hießen, gefüllt waren, ist
ebenso wenig bekannt, als das, was dabei gesprochen wurde. Preller erblickt
in der Ceremonie ein Todtenopfer.

Daß Frauen von den eleusinischen Mysterien nicht ausgeschlossen waren,
haben wir schon bemerkt. Aber auch Kinder wurden bisweilen schon unter
die Zahl der Mysten aufgenommen. Dieß ergiebt sich, abgesehen von andern
Zeugnissen, aus der Erwähnung des sogenannten „Knaben vom Herde" (/r«»?
«P Zo'ritt?), von dem wir allerdings weiter nichts erfahren, als daß er
für die Gesammtheit der Theilnehmer an den Mysterien, um die Huld der
unterirdischen Götter zu erbitten, gewisse heilige Bräuche zu verrichten hatte.

Das Ansehen der eleusinischen Geheimkulte war in der Zeit der Selbst-
stündigkeit Griechenlands sehr groß und erhielt sich bis in die Jahrhunderte
hinein, wo das Christenthum sich auszubreiten begann, wie es scheint, unge¬
schwächt fort. Auch unter deu Römern verschmähten es die Vornehmsten nicht,
der Weihen, die so viel Segen gewährten, theilhaftig zu werden. Wir wissen
dieß u. A. von den Kaisern Hadrian und Marc Aurel. Als der christliche
Kaiser Valentinian alle nächtlichen Feiern verbot, blieben ans Verwendung des
Proconsuls der Provinz Achaja die Elensinien gestattet. Dieselben hörten erst
auf, als die Philosophenschule der Neuplatoniker die Hauptlehren, welche die
Mysterien versinnbildet hatten, in ihren Schriften dem großen Publicum vor¬
trugen, und ans diese Weise der Reiz des Geheimnisses schwand.


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[0125] Jakchos, der Du nah hier in dem hoch¬ herrlichen Sitz weilst, Jakchos! O Jakchos! Komm Hieher auf die Nachwiese zum Reis'ntanz, In die Schaar Deiner Geweihten, Und im Schwunge walte duftig Dir der Myrthenkranz voll Beeren Um das lockige Haupt! Und kühn stampfe den Takt uns Mit dem Fuße zum neckisch Sich entfesselnden Lustreih'n, Der in holdreizender Anmuth, Der in Unschuld Dich umhüpft, Der Geweihten heil'gen Chortanz! Ermuntre Dich: naht doch, In der Hand schwingend die Fackeln. Er naht schon, Jakchos, Stern des Lichts, in Nacht leuchtend zu Feste! Von der Flamme glüht die Wiese, Ja, das Knie der Greise rezt sich. Und sie schütteln ab die Sorgen Und die Bürde der Zeit, Die Last bleichender Haare In der heiligen Festlust. Du, Seliger, führe Die zum Tanz rüstige Jugend Zu des Quelles blumigen An'n Mit voranslammcnder Fackel. m Den Schluß des Ganzen bildete ein Ritus mit symbolischer Bedeutung: man füllte zwei Thongefäße von kreiselförmiger Gestalt und goß das eine nach Osten, das andere nach Westen aus, wozu man eine mystische Formel aussprach. Womit diese Gefäße, die Plemochoä hießen, gefüllt waren, ist ebenso wenig bekannt, als das, was dabei gesprochen wurde. Preller erblickt in der Ceremonie ein Todtenopfer. Daß Frauen von den eleusinischen Mysterien nicht ausgeschlossen waren, haben wir schon bemerkt. Aber auch Kinder wurden bisweilen schon unter die Zahl der Mysten aufgenommen. Dieß ergiebt sich, abgesehen von andern Zeugnissen, aus der Erwähnung des sogenannten „Knaben vom Herde" (/r«»? «P Zo'ritt?), von dem wir allerdings weiter nichts erfahren, als daß er für die Gesammtheit der Theilnehmer an den Mysterien, um die Huld der unterirdischen Götter zu erbitten, gewisse heilige Bräuche zu verrichten hatte. Das Ansehen der eleusinischen Geheimkulte war in der Zeit der Selbst- stündigkeit Griechenlands sehr groß und erhielt sich bis in die Jahrhunderte hinein, wo das Christenthum sich auszubreiten begann, wie es scheint, unge¬ schwächt fort. Auch unter deu Römern verschmähten es die Vornehmsten nicht, der Weihen, die so viel Segen gewährten, theilhaftig zu werden. Wir wissen dieß u. A. von den Kaisern Hadrian und Marc Aurel. Als der christliche Kaiser Valentinian alle nächtlichen Feiern verbot, blieben ans Verwendung des Proconsuls der Provinz Achaja die Elensinien gestattet. Dieselben hörten erst auf, als die Philosophenschule der Neuplatoniker die Hauptlehren, welche die Mysterien versinnbildet hatten, in ihren Schriften dem großen Publicum vor¬ trugen, und ans diese Weise der Reiz des Geheimnisses schwand.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/125>, abgerufen am 23.07.2024.