Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

unseren Andeutungen über die eleusinische Weihe die Uebcrlieferungsform der¬
selben immer als eine vorherrschend ästhetische, auf die Sinne und die Ein¬
bildungskraft berechnete, wie es der gesummte Gottesdienst der Alten war.
Das Zeigen der Heiligthümer i-^"', daher der Hierophant), der
melodische Vortrag von heiligen Gesängen oder Liturgien, die plötzliche Enthül¬
lung glänzend beleuchteter Bilder vou ausgezeichnetemKuustwerthe, das waren auch
in den Mysterien die vorherrschenden Mittel des Gottesdienstes. Aber freilich ist
dabei vorauszusetzen, daß sowohl jene Heiligthümer als diese Gesänge und
Bilder einen tiefen und bedeutungsvollen religiösen Sinn hatten."

Das Symbol allein also, die Anschauung mußte ihre Wirkung thun. Und
sie scheint sie gethan und wirklich bei vielen und selbst bei hochgesinnten
Geistern die gewisse Hoffnung erweckt zu haben, daß dem Frommen auf deu
Tod das Leben, auf die Nacht von Neuem das Licht und zwar reineres
Licht folgt.

"Selig", so singt der Dichter eines Hymnus ans Demeter und Kore,
"selig, wer von den Menschen auf Erden diese hohen Weihen gesehen hat!
Wer ohne Antheil an diesen und ungeweiht stirbt, hat keineswegs ein gleiches
Loos im weiten Reiche des Dunkels."

Pindar ruft aus: "Selig, wer, nachdem er diese Weihen geschaut, unter die
Erde hinabsteigt, er kennt des Lebens Ende und dessen gottgegebenen Wieder¬
anfang."

Sophokles bricht in die begeisterten Worte aus: "O dreimal selig die
Sterblichen, welche die Weihen von Eleusis geschaut haben! Für sie allein
ist Leben in der Unterwelt, für alle Anderen Drangsal und Noth."

Plutarch endlich berichtet: "Die Geweihten sahen mit Stolz auf die Un
geweihten herab, anf alle die, welche in ihrer Unwissenheit zu den übrigen
Uebeln auch noch von der Furcht vor dem Tode gequält wurden."

Das Herbstfest von Eleusis war mit dem Erblicken des neuen Lichtes
nicht beendigt. Es verwandelte sich gegen den Schluß hin in der Hoffnung
auf ein jenseitiges schöneres Leben mit einer dem Jakchos geweihten großen
Freudeufeier, mit der auch Wettkämpfe in körperlicher Kraft und Rüstigkeit
verbunden waren, um an die durch Demeters Gaben als Ackergöttin dem
menschlichen Leibe mitgetheilte Stärke zu erinnern, bei der aber Fackeltänze,
welche man mit Chorgesängen begleitete, eine Hauptrolle spielten. Die Fackel
war das Licht der Nacht, das Sinnbild des aus dem Tode aufleuchtende"
Lebens. Einer von jenen Gesängen ist uns in den "Fröschen" des Aristophanes
aufbewahrt und lautet nach Donners Übersetzung:


unseren Andeutungen über die eleusinische Weihe die Uebcrlieferungsform der¬
selben immer als eine vorherrschend ästhetische, auf die Sinne und die Ein¬
bildungskraft berechnete, wie es der gesummte Gottesdienst der Alten war.
Das Zeigen der Heiligthümer i-^«', daher der Hierophant), der
melodische Vortrag von heiligen Gesängen oder Liturgien, die plötzliche Enthül¬
lung glänzend beleuchteter Bilder vou ausgezeichnetemKuustwerthe, das waren auch
in den Mysterien die vorherrschenden Mittel des Gottesdienstes. Aber freilich ist
dabei vorauszusetzen, daß sowohl jene Heiligthümer als diese Gesänge und
Bilder einen tiefen und bedeutungsvollen religiösen Sinn hatten."

Das Symbol allein also, die Anschauung mußte ihre Wirkung thun. Und
sie scheint sie gethan und wirklich bei vielen und selbst bei hochgesinnten
Geistern die gewisse Hoffnung erweckt zu haben, daß dem Frommen auf deu
Tod das Leben, auf die Nacht von Neuem das Licht und zwar reineres
Licht folgt.

„Selig", so singt der Dichter eines Hymnus ans Demeter und Kore,
„selig, wer von den Menschen auf Erden diese hohen Weihen gesehen hat!
Wer ohne Antheil an diesen und ungeweiht stirbt, hat keineswegs ein gleiches
Loos im weiten Reiche des Dunkels."

Pindar ruft aus: „Selig, wer, nachdem er diese Weihen geschaut, unter die
Erde hinabsteigt, er kennt des Lebens Ende und dessen gottgegebenen Wieder¬
anfang."

Sophokles bricht in die begeisterten Worte aus: „O dreimal selig die
Sterblichen, welche die Weihen von Eleusis geschaut haben! Für sie allein
ist Leben in der Unterwelt, für alle Anderen Drangsal und Noth."

Plutarch endlich berichtet: „Die Geweihten sahen mit Stolz auf die Un
geweihten herab, anf alle die, welche in ihrer Unwissenheit zu den übrigen
Uebeln auch noch von der Furcht vor dem Tode gequält wurden."

Das Herbstfest von Eleusis war mit dem Erblicken des neuen Lichtes
nicht beendigt. Es verwandelte sich gegen den Schluß hin in der Hoffnung
auf ein jenseitiges schöneres Leben mit einer dem Jakchos geweihten großen
Freudeufeier, mit der auch Wettkämpfe in körperlicher Kraft und Rüstigkeit
verbunden waren, um an die durch Demeters Gaben als Ackergöttin dem
menschlichen Leibe mitgetheilte Stärke zu erinnern, bei der aber Fackeltänze,
welche man mit Chorgesängen begleitete, eine Hauptrolle spielten. Die Fackel
war das Licht der Nacht, das Sinnbild des aus dem Tode aufleuchtende»
Lebens. Einer von jenen Gesängen ist uns in den „Fröschen" des Aristophanes
aufbewahrt und lautet nach Donners Übersetzung:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137297"/>
          <p xml:id="ID_433" prev="#ID_432"> unseren Andeutungen über die eleusinische Weihe die Uebcrlieferungsform der¬<lb/>
selben immer als eine vorherrschend ästhetische, auf die Sinne und die Ein¬<lb/>
bildungskraft berechnete, wie es der gesummte Gottesdienst der Alten war.<lb/>
Das Zeigen der Heiligthümer i-^«', daher der Hierophant), der<lb/>
melodische Vortrag von heiligen Gesängen oder Liturgien, die plötzliche Enthül¬<lb/>
lung glänzend beleuchteter Bilder vou ausgezeichnetemKuustwerthe, das waren auch<lb/>
in den Mysterien die vorherrschenden Mittel des Gottesdienstes. Aber freilich ist<lb/>
dabei vorauszusetzen, daß sowohl jene Heiligthümer als diese Gesänge und<lb/>
Bilder einen tiefen und bedeutungsvollen religiösen Sinn hatten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_434"> Das Symbol allein also, die Anschauung mußte ihre Wirkung thun. Und<lb/>
sie scheint sie gethan und wirklich bei vielen und selbst bei hochgesinnten<lb/>
Geistern die gewisse Hoffnung erweckt zu haben, daß dem Frommen auf deu<lb/>
Tod das Leben, auf die Nacht von Neuem das Licht und zwar reineres<lb/>
Licht folgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_435"> &#x201E;Selig", so singt der Dichter eines Hymnus ans Demeter und Kore,<lb/>
&#x201E;selig, wer von den Menschen auf Erden diese hohen Weihen gesehen hat!<lb/>
Wer ohne Antheil an diesen und ungeweiht stirbt, hat keineswegs ein gleiches<lb/>
Loos im weiten Reiche des Dunkels."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_436"> Pindar ruft aus: &#x201E;Selig, wer, nachdem er diese Weihen geschaut, unter die<lb/>
Erde hinabsteigt, er kennt des Lebens Ende und dessen gottgegebenen Wieder¬<lb/>
anfang."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_437"> Sophokles bricht in die begeisterten Worte aus: &#x201E;O dreimal selig die<lb/>
Sterblichen, welche die Weihen von Eleusis geschaut haben! Für sie allein<lb/>
ist Leben in der Unterwelt, für alle Anderen Drangsal und Noth."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_438"> Plutarch endlich berichtet: &#x201E;Die Geweihten sahen mit Stolz auf die Un<lb/>
geweihten herab, anf alle die, welche in ihrer Unwissenheit zu den übrigen<lb/>
Uebeln auch noch von der Furcht vor dem Tode gequält wurden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_439"> Das Herbstfest von Eleusis war mit dem Erblicken des neuen Lichtes<lb/>
nicht beendigt. Es verwandelte sich gegen den Schluß hin in der Hoffnung<lb/>
auf ein jenseitiges schöneres Leben mit einer dem Jakchos geweihten großen<lb/>
Freudeufeier, mit der auch Wettkämpfe in körperlicher Kraft und Rüstigkeit<lb/>
verbunden waren, um an die durch Demeters Gaben als Ackergöttin dem<lb/>
menschlichen Leibe mitgetheilte Stärke zu erinnern, bei der aber Fackeltänze,<lb/>
welche man mit Chorgesängen begleitete, eine Hauptrolle spielten. Die Fackel<lb/>
war das Licht der Nacht, das Sinnbild des aus dem Tode aufleuchtende»<lb/>
Lebens. Einer von jenen Gesängen ist uns in den &#x201E;Fröschen" des Aristophanes<lb/>
aufbewahrt und lautet nach Donners Übersetzung:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0124] unseren Andeutungen über die eleusinische Weihe die Uebcrlieferungsform der¬ selben immer als eine vorherrschend ästhetische, auf die Sinne und die Ein¬ bildungskraft berechnete, wie es der gesummte Gottesdienst der Alten war. Das Zeigen der Heiligthümer i-^«', daher der Hierophant), der melodische Vortrag von heiligen Gesängen oder Liturgien, die plötzliche Enthül¬ lung glänzend beleuchteter Bilder vou ausgezeichnetemKuustwerthe, das waren auch in den Mysterien die vorherrschenden Mittel des Gottesdienstes. Aber freilich ist dabei vorauszusetzen, daß sowohl jene Heiligthümer als diese Gesänge und Bilder einen tiefen und bedeutungsvollen religiösen Sinn hatten." Das Symbol allein also, die Anschauung mußte ihre Wirkung thun. Und sie scheint sie gethan und wirklich bei vielen und selbst bei hochgesinnten Geistern die gewisse Hoffnung erweckt zu haben, daß dem Frommen auf deu Tod das Leben, auf die Nacht von Neuem das Licht und zwar reineres Licht folgt. „Selig", so singt der Dichter eines Hymnus ans Demeter und Kore, „selig, wer von den Menschen auf Erden diese hohen Weihen gesehen hat! Wer ohne Antheil an diesen und ungeweiht stirbt, hat keineswegs ein gleiches Loos im weiten Reiche des Dunkels." Pindar ruft aus: „Selig, wer, nachdem er diese Weihen geschaut, unter die Erde hinabsteigt, er kennt des Lebens Ende und dessen gottgegebenen Wieder¬ anfang." Sophokles bricht in die begeisterten Worte aus: „O dreimal selig die Sterblichen, welche die Weihen von Eleusis geschaut haben! Für sie allein ist Leben in der Unterwelt, für alle Anderen Drangsal und Noth." Plutarch endlich berichtet: „Die Geweihten sahen mit Stolz auf die Un geweihten herab, anf alle die, welche in ihrer Unwissenheit zu den übrigen Uebeln auch noch von der Furcht vor dem Tode gequält wurden." Das Herbstfest von Eleusis war mit dem Erblicken des neuen Lichtes nicht beendigt. Es verwandelte sich gegen den Schluß hin in der Hoffnung auf ein jenseitiges schöneres Leben mit einer dem Jakchos geweihten großen Freudeufeier, mit der auch Wettkämpfe in körperlicher Kraft und Rüstigkeit verbunden waren, um an die durch Demeters Gaben als Ackergöttin dem menschlichen Leibe mitgetheilte Stärke zu erinnern, bei der aber Fackeltänze, welche man mit Chorgesängen begleitete, eine Hauptrolle spielten. Die Fackel war das Licht der Nacht, das Sinnbild des aus dem Tode aufleuchtende» Lebens. Einer von jenen Gesängen ist uns in den „Fröschen" des Aristophanes aufbewahrt und lautet nach Donners Übersetzung:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/124
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/124>, abgerufen am 23.07.2024.