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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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und geschichtlichen Aufzeichnungen über die Bewegung des Handels reichen,
kann man aber zu einer einigermaßen sicheren Berechnung keine kürzeren als
20-jährige Perioden annehmen. Da nun mehr als die Hälfte der Eisenbahnen
kürzeren Datums ist, so scheint uns überhaupt diese Dnrchschnittsberechnung
des Reinertrags lange nicht so viel Garantien der richtigen Beurtheilung zu
bieten, als der Durchschnitt des Börsenkurses. Der Marktpreis ist uuserer An¬
sicht nach die sicherste Schätzung des wahren Werthes, wenn er in einem solchen
Durchschnitt genommen wird, daß die durch die Tagesspeeulation hervorge¬
brachten kleinen Schwankungen ausgeglichen werden. Denn bei der Herstellung
des Börseukurses wirken nicht bloß die competentesten Richter mit, sondern auch
alle betheiligten Interessenten der beiden einander entgegengesetzten Richtungen.
Das Interesse pflegt aber stets die schärfsten Angen zu haben und alle Elemente
der Preisbildung mit dem größten Scharfsinn aufzuspüren und zu beurtheilen.
Unter den Interessenten sind der Verkäufer und der Kaufliebhaber repräsentirt.
Dieselben haben längst alle Verhältnisse der Eisenbahnen studirt; sie stützen
sich bei ihrem Urtheil und ihrer Schätzung nicht bloß ans den Reinertrag,
sondern auch auf die Art und Weise, wie für die Erhaltung und Erneuerung
der Bahn gesorgt wird, welcher Puukt für den Käufer der wichtigere Faktor
der Schätzung sein muß, während für den Verkäufer natürlich der Reinertrag
maßgebend ist. Aus dem Durchschnittsergebniß der Schätzung dieser beiden
Faktoren bildet sich der richtige Marktpreis. Deshalb ist der Börsenkurs uach
einem angemessenen Durchschnitt derjenige Preis, welcher dem wahren Werthe
am nächsten kommt. Der Reinertrag ist, abgesehen von dem schon oben an¬
gegebenen Bedenken, auch deshalb ein unsicherer Maßstab, weil die Sorge für
die Erhaltung und Erneuerung der Bahnen nicht bei allen Verwaltungen die¬
selbe ist. Wir haben dies bereits oben an einem eclatanten Beispiele gesehen.
Weit entfernt, die Frage von dieser Seite zu beleuchten, begnügt sich Freiherr
v. Varnbüler nicht einmal mit dem Reinertrag, sondern zieht anch noch einen
Theil der Erneueruugskosteu als Elemente der Berechnung des Kaufschillings
der Eisenbahnen herein. Offenbar ist dieses Verfahren aber nicht zulässig.
Der Eigenthümer eines Gutes kann unmöglich den zur ordnungsmäßigen Er¬
haltung und Erneuerung desselben nothwendigen Aufwand mit als Faktor zur
Berechnung des Kaufschillings verwenden. solle es überhaupt geschehen, so
kann derselbe nur als Element zur Beurtheilung des Reinertrags dienen, in¬
sofern nämlich, als dieselbe Höhe des Reinertrages bei zwei Bahnen in Wirk¬
lichkeit einen ganz verschiedenen Werth repräsentiren kann, je nachdem die Eine
ihren Ernenernngsfonds gut, die Andere schlecht versorgt hat. Zum Reinertrag
können diese Ausgaben nicht gezählt werden. Ueberhaupt kann als Reinertrag,
wie er zur Basis der Werthschätzung einer Eisenbahn dienen soll, nnr derjenige


und geschichtlichen Aufzeichnungen über die Bewegung des Handels reichen,
kann man aber zu einer einigermaßen sicheren Berechnung keine kürzeren als
20-jährige Perioden annehmen. Da nun mehr als die Hälfte der Eisenbahnen
kürzeren Datums ist, so scheint uns überhaupt diese Dnrchschnittsberechnung
des Reinertrags lange nicht so viel Garantien der richtigen Beurtheilung zu
bieten, als der Durchschnitt des Börsenkurses. Der Marktpreis ist uuserer An¬
sicht nach die sicherste Schätzung des wahren Werthes, wenn er in einem solchen
Durchschnitt genommen wird, daß die durch die Tagesspeeulation hervorge¬
brachten kleinen Schwankungen ausgeglichen werden. Denn bei der Herstellung
des Börseukurses wirken nicht bloß die competentesten Richter mit, sondern auch
alle betheiligten Interessenten der beiden einander entgegengesetzten Richtungen.
Das Interesse pflegt aber stets die schärfsten Angen zu haben und alle Elemente
der Preisbildung mit dem größten Scharfsinn aufzuspüren und zu beurtheilen.
Unter den Interessenten sind der Verkäufer und der Kaufliebhaber repräsentirt.
Dieselben haben längst alle Verhältnisse der Eisenbahnen studirt; sie stützen
sich bei ihrem Urtheil und ihrer Schätzung nicht bloß ans den Reinertrag,
sondern auch auf die Art und Weise, wie für die Erhaltung und Erneuerung
der Bahn gesorgt wird, welcher Puukt für den Käufer der wichtigere Faktor
der Schätzung sein muß, während für den Verkäufer natürlich der Reinertrag
maßgebend ist. Aus dem Durchschnittsergebniß der Schätzung dieser beiden
Faktoren bildet sich der richtige Marktpreis. Deshalb ist der Börsenkurs uach
einem angemessenen Durchschnitt derjenige Preis, welcher dem wahren Werthe
am nächsten kommt. Der Reinertrag ist, abgesehen von dem schon oben an¬
gegebenen Bedenken, auch deshalb ein unsicherer Maßstab, weil die Sorge für
die Erhaltung und Erneuerung der Bahnen nicht bei allen Verwaltungen die¬
selbe ist. Wir haben dies bereits oben an einem eclatanten Beispiele gesehen.
Weit entfernt, die Frage von dieser Seite zu beleuchten, begnügt sich Freiherr
v. Varnbüler nicht einmal mit dem Reinertrag, sondern zieht anch noch einen
Theil der Erneueruugskosteu als Elemente der Berechnung des Kaufschillings
der Eisenbahnen herein. Offenbar ist dieses Verfahren aber nicht zulässig.
Der Eigenthümer eines Gutes kann unmöglich den zur ordnungsmäßigen Er¬
haltung und Erneuerung desselben nothwendigen Aufwand mit als Faktor zur
Berechnung des Kaufschillings verwenden. solle es überhaupt geschehen, so
kann derselbe nur als Element zur Beurtheilung des Reinertrags dienen, in¬
sofern nämlich, als dieselbe Höhe des Reinertrages bei zwei Bahnen in Wirk¬
lichkeit einen ganz verschiedenen Werth repräsentiren kann, je nachdem die Eine
ihren Ernenernngsfonds gut, die Andere schlecht versorgt hat. Zum Reinertrag
können diese Ausgaben nicht gezählt werden. Ueberhaupt kann als Reinertrag,
wie er zur Basis der Werthschätzung einer Eisenbahn dienen soll, nnr derjenige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/110>, abgerufen am 23.07.2024.