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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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gefährdeten Interessen drängten zu neuen Anstrengungen. Dies Mal nahm
Herr von Bismarck die Sache in die Hand, und er führte sie glatt durch."
Wie man sieht, kann auch P. Merruau mitunter ganz vernünftig schreiben.
Die Ernennung des General von Stosch zum Marineminister wird durch alle
möglichen Gründe erklärt, nur der wahre, naheliegende ist übersehen, daß
es sich um Gewinnung einer hervorragenden organisatorischen Kraft handelte.
Bei Aufzählung der verschiedenen, durch den General von Stosch in's Leben
gerufenen Schöpfungen, finden wir wieder einige so duftige Geistesblüthen,
daß wir uns nicht versagen können, unsern Lesern ein kleines Potpourri
daraus zu bereiten. So heißt es: Er (nämlich der Marineminister) hat alle
diese Arbeiten zugleich betrieben, mit neuen Schiffsconstructionen, Küstenbe¬
festigungen, mit dem Bau von Angriffs- und Vertheidigungsmaschinen, Ver¬
suche, von deren gedeihlichem Vor schreiten doch manches be¬
kannt geworden ist, trotz des Geheimnisses, mit dem man sie
umringt hat!" "Die Wuß' is mi to krumm!" sagte de Voß, de kriegte
er sie nicht. Er weiß nämlich gar nichts, aber auch nicht die Spur, der
liebenswürdige Gallier, er hat nicht einmal sich die Aufsätze aus dem Mili¬
tärischen Wochenblatt und der Darmstädter Militär-Zeitung übersetzen lassen,
welche auf diese "Angriffs- und Vertheidigungsmaschinen" Bezug nehmen.

"In diesem Zustande befanden sich die Dinge in den ersten Monaten
des Jahres 1873, als" -- ja als Bismarck, wer sonst, -- "beschloß, die
Sache der Marine noch um ein Bedeutendes kräftiger zu poussiren", denn er
konnte mit Sicherheit darauf rechnen, jede Geldsumme bewilligt zu erhalten,
da die Todesangst mit Furienpeitschen die elenden Deutschen züchtigte mit
dem Gespenste eines Rachekrieges, in dem sie vermuthlich wieder 18 große
Schlachten gewinnen und 3 französische Armeen gefangen nehmen sollen.
Nachdem ein Auszug aus einer Kammerrede des Fürsten Bismarck gegeben
ist, wird der erweiterte Marineplan mitgetheilt, natürlich aber dabei ver¬
schwiegen, daß die deutsche Regierung sich die Würdigung späterer Modali¬
täten vorbehalten, die ganze Sache also durchaus kein Definitionen geworden
ist. Die Lage der Marine wird folgendermaßen präcisirt: Statt der zehn
Panzerschiffe im Jahre 1867 projectirt, werden gebaut bis 1882 -- 14, Zur
Küstenvertheidigung durch die Seefestungen treten hinzu bis 1882 -- sieben Mo¬
nitors und zwei schwimmende Batterien. Für sechs Torpedo-Boote werden fertig
gestellt bis 1882 -- 28. Statt vierzehn Glattdeckcorvetten werden erbaut
bis 1882 -- 20. Um .dieses Ziel zu erreichen, ist der Marinecredit auf 317
Millionen Francs erhöht worden, die in jährlichen Raten zu zahlen sind.

Soweit ist die Sache sehr hübsch klar und sachgemäß, warum auch nicht,
schreibt doch unser französischer Marinerath nur deutsche Getstesprodukte ab.
Nun kann er's aber auch nicht länger aushalten: "Ich bin des trocknen


gefährdeten Interessen drängten zu neuen Anstrengungen. Dies Mal nahm
Herr von Bismarck die Sache in die Hand, und er führte sie glatt durch."
Wie man sieht, kann auch P. Merruau mitunter ganz vernünftig schreiben.
Die Ernennung des General von Stosch zum Marineminister wird durch alle
möglichen Gründe erklärt, nur der wahre, naheliegende ist übersehen, daß
es sich um Gewinnung einer hervorragenden organisatorischen Kraft handelte.
Bei Aufzählung der verschiedenen, durch den General von Stosch in's Leben
gerufenen Schöpfungen, finden wir wieder einige so duftige Geistesblüthen,
daß wir uns nicht versagen können, unsern Lesern ein kleines Potpourri
daraus zu bereiten. So heißt es: Er (nämlich der Marineminister) hat alle
diese Arbeiten zugleich betrieben, mit neuen Schiffsconstructionen, Küstenbe¬
festigungen, mit dem Bau von Angriffs- und Vertheidigungsmaschinen, Ver¬
suche, von deren gedeihlichem Vor schreiten doch manches be¬
kannt geworden ist, trotz des Geheimnisses, mit dem man sie
umringt hat!" „Die Wuß' is mi to krumm!" sagte de Voß, de kriegte
er sie nicht. Er weiß nämlich gar nichts, aber auch nicht die Spur, der
liebenswürdige Gallier, er hat nicht einmal sich die Aufsätze aus dem Mili¬
tärischen Wochenblatt und der Darmstädter Militär-Zeitung übersetzen lassen,
welche auf diese „Angriffs- und Vertheidigungsmaschinen" Bezug nehmen.

„In diesem Zustande befanden sich die Dinge in den ersten Monaten
des Jahres 1873, als" — ja als Bismarck, wer sonst, — „beschloß, die
Sache der Marine noch um ein Bedeutendes kräftiger zu poussiren", denn er
konnte mit Sicherheit darauf rechnen, jede Geldsumme bewilligt zu erhalten,
da die Todesangst mit Furienpeitschen die elenden Deutschen züchtigte mit
dem Gespenste eines Rachekrieges, in dem sie vermuthlich wieder 18 große
Schlachten gewinnen und 3 französische Armeen gefangen nehmen sollen.
Nachdem ein Auszug aus einer Kammerrede des Fürsten Bismarck gegeben
ist, wird der erweiterte Marineplan mitgetheilt, natürlich aber dabei ver¬
schwiegen, daß die deutsche Regierung sich die Würdigung späterer Modali¬
täten vorbehalten, die ganze Sache also durchaus kein Definitionen geworden
ist. Die Lage der Marine wird folgendermaßen präcisirt: Statt der zehn
Panzerschiffe im Jahre 1867 projectirt, werden gebaut bis 1882 — 14, Zur
Küstenvertheidigung durch die Seefestungen treten hinzu bis 1882 — sieben Mo¬
nitors und zwei schwimmende Batterien. Für sechs Torpedo-Boote werden fertig
gestellt bis 1882 — 28. Statt vierzehn Glattdeckcorvetten werden erbaut
bis 1882 — 20. Um .dieses Ziel zu erreichen, ist der Marinecredit auf 317
Millionen Francs erhöht worden, die in jährlichen Raten zu zahlen sind.

Soweit ist die Sache sehr hübsch klar und sachgemäß, warum auch nicht,
schreibt doch unser französischer Marinerath nur deutsche Getstesprodukte ab.
Nun kann er's aber auch nicht länger aushalten: „Ich bin des trocknen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/451>, abgerufen am 20.10.2024.