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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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die Oberhand. Nach der "Zerstückelung" der dänischen Monarchie, wollte
Preußen den Gedanken einer Flotte verwirklichen, aber eine Flotte kostet
Geld, und Preußen war arm, dazu verweigerten ihm die andern Staaten
ihre Unterstützung! Aber nach 1867 hatte Preußen nach der Schlacht von
Sadowa eine solche Stellung in Deutschland, daß man ihm nichts mehr ab¬
schlagen konnte; daher beschloß es, weiter vorzugehen und die Flotte in's
Leben treten zu lassen!" Ich nehme hier Paulchen durchaus gegen den Ver¬
dacht in Schutz, daß er in den letzten Zeilen habe einen Witz machen wollen;
gerade in seinem düstern Pathos aber ruht die Komik. Es wird uns ein
Bruchstück der Roon'schen Flottenrede präsentirt, um in Klammer setzen zu
können, als der Minister von den Staaten zweiten Ranges spricht, die mit
Preußen in Berührung treten könnten -- ("zu ihrem Verderben"). Dies ist
der einzige Versuch zu einem Witze, den sich Paulchen erlaubt.

"Bei Beginn dieser Flottenschöpfung besaß Preußen nur einige Korvetten
und 22 Kanonenboote." (Das ist die einzige bestimmte Thatsache, die in dem
ganzen Phrasenwust sich findet.) "Indessen hatte die preußische Regierung
schon vorher in England Auftrag gegeben, die drei Panzerfregatten "König Wil¬
helm", "Friedrich Karl" und "Kronprinz" ^ 6000, 4000 und 4500 Tons zu er¬
bauen, außerdem noch zwei Thurmschiffe und zwei Korvetten "Hansa" und
"Ariadne". Die Seite vorher wurde uns erzählt. Preußen habe vor 18K7
"rein gar nichts" thun können -- o Paule! Paule! "In ihrer Gesammtheit
bildeten diese Schiffe, deren Fertigstellung allerdings noch zwei Jahre dauern
mußte, eine bereits ganz respectable Macht!"

Nun wird in einer längeren Auseinandersetzung über alte und neue Ar¬
tillerie die Thatsache bemäntelt, daß der Verfasser nicht weiß, mit welchen
Geschützen die Schiffe armirt sind, noch wie viel sie davon führen. Der Leser,
der nach dem Titel des Werkes eine detaillirte tabellarische Uebersicht der
Schiffe mit ihren Geschützen erwartete, liest nur. daß an Bord des "König
Wilhelm" 96-Pfünder, die 145 Kilogramm schießen, sich befinden, während
"Kronprinz" und "Friedrich Karl" 72-Pfünder führen, die 200 Pfund
schießen, eine Angabe, die an Klarheit und Genauigkeit eben nur für eine
toto eariSv ^.Ilömanäo etwas zu wünschen übrig läßt.

"Schon hatte ..General von Roon" die preußische Flotte auf 90 Fahr¬
zeuge meist kleinerer Gattung mit 1S49 Geschützen gebracht, als der franzö¬
sische Krieg ausbrach. Indem die französische Marine die Blokade der preu¬
ßischen Küsten "wiedererneuerte" (rc-nouveluit), fügte sie dem preußischen
Handel ernsthaften Schaden zu. Es war eine scharfe Lection. aber die preußische
Regierung bedürfte derselben nicht, sie hatte ohnehin begriffen, daß der Adler
allein mit der Landarmee seinen Flug nicht beginnen konnte. Ohne die Marine
fehlte ihm einer seiner Flügel. Die öffentliche Meinung, der Stolz und die


die Oberhand. Nach der „Zerstückelung" der dänischen Monarchie, wollte
Preußen den Gedanken einer Flotte verwirklichen, aber eine Flotte kostet
Geld, und Preußen war arm, dazu verweigerten ihm die andern Staaten
ihre Unterstützung! Aber nach 1867 hatte Preußen nach der Schlacht von
Sadowa eine solche Stellung in Deutschland, daß man ihm nichts mehr ab¬
schlagen konnte; daher beschloß es, weiter vorzugehen und die Flotte in's
Leben treten zu lassen!" Ich nehme hier Paulchen durchaus gegen den Ver¬
dacht in Schutz, daß er in den letzten Zeilen habe einen Witz machen wollen;
gerade in seinem düstern Pathos aber ruht die Komik. Es wird uns ein
Bruchstück der Roon'schen Flottenrede präsentirt, um in Klammer setzen zu
können, als der Minister von den Staaten zweiten Ranges spricht, die mit
Preußen in Berührung treten könnten — („zu ihrem Verderben"). Dies ist
der einzige Versuch zu einem Witze, den sich Paulchen erlaubt.

„Bei Beginn dieser Flottenschöpfung besaß Preußen nur einige Korvetten
und 22 Kanonenboote." (Das ist die einzige bestimmte Thatsache, die in dem
ganzen Phrasenwust sich findet.) „Indessen hatte die preußische Regierung
schon vorher in England Auftrag gegeben, die drei Panzerfregatten „König Wil¬
helm", „Friedrich Karl" und „Kronprinz" ^ 6000, 4000 und 4500 Tons zu er¬
bauen, außerdem noch zwei Thurmschiffe und zwei Korvetten „Hansa" und
„Ariadne". Die Seite vorher wurde uns erzählt. Preußen habe vor 18K7
„rein gar nichts" thun können — o Paule! Paule! „In ihrer Gesammtheit
bildeten diese Schiffe, deren Fertigstellung allerdings noch zwei Jahre dauern
mußte, eine bereits ganz respectable Macht!"

Nun wird in einer längeren Auseinandersetzung über alte und neue Ar¬
tillerie die Thatsache bemäntelt, daß der Verfasser nicht weiß, mit welchen
Geschützen die Schiffe armirt sind, noch wie viel sie davon führen. Der Leser,
der nach dem Titel des Werkes eine detaillirte tabellarische Uebersicht der
Schiffe mit ihren Geschützen erwartete, liest nur. daß an Bord des „König
Wilhelm" 96-Pfünder, die 145 Kilogramm schießen, sich befinden, während
„Kronprinz" und „Friedrich Karl" 72-Pfünder führen, die 200 Pfund
schießen, eine Angabe, die an Klarheit und Genauigkeit eben nur für eine
toto eariSv ^.Ilömanäo etwas zu wünschen übrig läßt.

„Schon hatte ..General von Roon" die preußische Flotte auf 90 Fahr¬
zeuge meist kleinerer Gattung mit 1S49 Geschützen gebracht, als der franzö¬
sische Krieg ausbrach. Indem die französische Marine die Blokade der preu¬
ßischen Küsten „wiedererneuerte" (rc-nouveluit), fügte sie dem preußischen
Handel ernsthaften Schaden zu. Es war eine scharfe Lection. aber die preußische
Regierung bedürfte derselben nicht, sie hatte ohnehin begriffen, daß der Adler
allein mit der Landarmee seinen Flug nicht beginnen konnte. Ohne die Marine
fehlte ihm einer seiner Flügel. Die öffentliche Meinung, der Stolz und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/450>, abgerufen am 20.10.2024.