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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Mit fünfzehn Jahren raucht man Tabak, aber nicht für sich, sondern
für andere Leute, nicht um des Genusses willen, sondern der Wichtigkeit halber,
die es giebt. Man bildet sich ein, daß man damit auf der Promenade
Sensation macht, daß alle Frauen auf einen hinzeigen und sagen: "Da seht
'mal den hübschen Jungen, wie nett dem die Cigarre zu Gesichte steht."
Man läßt seinen Glimmstengel absichtlich ausgehen, nur um den nächsten
alten Herrn, der uns vor einer Gruppe Damen begegnet, um Feuer ansprechen
zu können, obwohl man weiß, daß solche alte Herren häufig grob werden
und von Gelbschnäbeln reden, die hinter den Ohren noch nicht trocken sind.
Man ist kühn in dieser Zeit glücklicher Selbsttäuschungen.

Mit zwanzig Jahren raucht man, so oft man ausgeht. Aber man hat
noch keinen Tabaksverstand, man denkt wenig an die Güte des Tabaks, dagegen
um so mehr an eine stattliche Pfeife, man wählt seine Cigarre nicht, wohl aber
seine Cigarrenspitze. Ein Mille Cigarren von Upmann oder Cabannas läßt
uns zwar nicht kalt, wärmer aber werden wir, wenn Frauenhand dem Herrn
Studenten zu Weihnachten einen saubergestickten Tabaksbeutel oder ein der¬
artiges Cigarrenetui mit den Farben der Verbindung verehrt.

Erst mit dreißig Jahren wird der Raucher reif und Meister, und oft
erst später gelangt er durch eigne Erfahrung und Lehre von andern Kunst¬
genossen in den Besitz aller Vortheile, Regeln und Wahrheiten, die den ganz
Eingeweihten schmücken und charakterisiren. Mit einigen von diesen Maximen
wollen wir unsern Sermon beschließen.

Rollentabak gewinnt, wenn er an einem trocknen, nicht heißen Orte auf¬
bewahrt wird, mit den Jahren. Namentlich gilt dieß vom Varinas. Ge¬
schnitten darf er indeß nicht lange liegen, da er sonst zu sehr ausdorrt und
staubartig wird. Man schneide sich daher nur den Bedarf für eine Woche
und hebe das Geschnittene in einem Gefäße von Steingut auf. Die Tabake
der Levante, vorzüglich der Latakiah, Schimmeln leicht, wenn sie zu viel
Feuchtigkeit bekommen, dürfen aber auch nicht zu starkem Austrocknen aus¬
gesetzt werden, da sie dann ebenfalls zu Staub zerbröckeln und überdteß ihr
Arom verlieren. Man bewahrt seinen Vorrath davon am Besten in Blasen,
Lederbeuteln oder Thierfellen auf, die noch die Haare haben, und die man
vor ein Fenster hängt, wo sie abwechselnd Regen und Luft bekommen. I"
Kellern verderben sie. Persischer Tabak muß, bevor er aus den Kohlenbecher
der Wasserpfeife kommt, angefeuchtet werden.

Von den Cigarren gilt zunächst die Regel: lieber wenig, aber gute
Marken, als viel und Mittelgut oder gar schlechtes Zeug rauchen. Es ist
entsetzlich, zu sehen und -- zu riechen, in welchem Maße hier nicht selten
auch Leute, die das Beste haben könnten, gegen sich selbst und ihre Neben¬
menschen sündigen. Sage mir, was Du rauchst, und ich will Dir sagen,


Mit fünfzehn Jahren raucht man Tabak, aber nicht für sich, sondern
für andere Leute, nicht um des Genusses willen, sondern der Wichtigkeit halber,
die es giebt. Man bildet sich ein, daß man damit auf der Promenade
Sensation macht, daß alle Frauen auf einen hinzeigen und sagen: „Da seht
'mal den hübschen Jungen, wie nett dem die Cigarre zu Gesichte steht."
Man läßt seinen Glimmstengel absichtlich ausgehen, nur um den nächsten
alten Herrn, der uns vor einer Gruppe Damen begegnet, um Feuer ansprechen
zu können, obwohl man weiß, daß solche alte Herren häufig grob werden
und von Gelbschnäbeln reden, die hinter den Ohren noch nicht trocken sind.
Man ist kühn in dieser Zeit glücklicher Selbsttäuschungen.

Mit zwanzig Jahren raucht man, so oft man ausgeht. Aber man hat
noch keinen Tabaksverstand, man denkt wenig an die Güte des Tabaks, dagegen
um so mehr an eine stattliche Pfeife, man wählt seine Cigarre nicht, wohl aber
seine Cigarrenspitze. Ein Mille Cigarren von Upmann oder Cabannas läßt
uns zwar nicht kalt, wärmer aber werden wir, wenn Frauenhand dem Herrn
Studenten zu Weihnachten einen saubergestickten Tabaksbeutel oder ein der¬
artiges Cigarrenetui mit den Farben der Verbindung verehrt.

Erst mit dreißig Jahren wird der Raucher reif und Meister, und oft
erst später gelangt er durch eigne Erfahrung und Lehre von andern Kunst¬
genossen in den Besitz aller Vortheile, Regeln und Wahrheiten, die den ganz
Eingeweihten schmücken und charakterisiren. Mit einigen von diesen Maximen
wollen wir unsern Sermon beschließen.

Rollentabak gewinnt, wenn er an einem trocknen, nicht heißen Orte auf¬
bewahrt wird, mit den Jahren. Namentlich gilt dieß vom Varinas. Ge¬
schnitten darf er indeß nicht lange liegen, da er sonst zu sehr ausdorrt und
staubartig wird. Man schneide sich daher nur den Bedarf für eine Woche
und hebe das Geschnittene in einem Gefäße von Steingut auf. Die Tabake
der Levante, vorzüglich der Latakiah, Schimmeln leicht, wenn sie zu viel
Feuchtigkeit bekommen, dürfen aber auch nicht zu starkem Austrocknen aus¬
gesetzt werden, da sie dann ebenfalls zu Staub zerbröckeln und überdteß ihr
Arom verlieren. Man bewahrt seinen Vorrath davon am Besten in Blasen,
Lederbeuteln oder Thierfellen auf, die noch die Haare haben, und die man
vor ein Fenster hängt, wo sie abwechselnd Regen und Luft bekommen. I"
Kellern verderben sie. Persischer Tabak muß, bevor er aus den Kohlenbecher
der Wasserpfeife kommt, angefeuchtet werden.

Von den Cigarren gilt zunächst die Regel: lieber wenig, aber gute
Marken, als viel und Mittelgut oder gar schlechtes Zeug rauchen. Es ist
entsetzlich, zu sehen und — zu riechen, in welchem Maße hier nicht selten
auch Leute, die das Beste haben könnten, gegen sich selbst und ihre Neben¬
menschen sündigen. Sage mir, was Du rauchst, und ich will Dir sagen,


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[0414] Mit fünfzehn Jahren raucht man Tabak, aber nicht für sich, sondern für andere Leute, nicht um des Genusses willen, sondern der Wichtigkeit halber, die es giebt. Man bildet sich ein, daß man damit auf der Promenade Sensation macht, daß alle Frauen auf einen hinzeigen und sagen: „Da seht 'mal den hübschen Jungen, wie nett dem die Cigarre zu Gesichte steht." Man läßt seinen Glimmstengel absichtlich ausgehen, nur um den nächsten alten Herrn, der uns vor einer Gruppe Damen begegnet, um Feuer ansprechen zu können, obwohl man weiß, daß solche alte Herren häufig grob werden und von Gelbschnäbeln reden, die hinter den Ohren noch nicht trocken sind. Man ist kühn in dieser Zeit glücklicher Selbsttäuschungen. Mit zwanzig Jahren raucht man, so oft man ausgeht. Aber man hat noch keinen Tabaksverstand, man denkt wenig an die Güte des Tabaks, dagegen um so mehr an eine stattliche Pfeife, man wählt seine Cigarre nicht, wohl aber seine Cigarrenspitze. Ein Mille Cigarren von Upmann oder Cabannas läßt uns zwar nicht kalt, wärmer aber werden wir, wenn Frauenhand dem Herrn Studenten zu Weihnachten einen saubergestickten Tabaksbeutel oder ein der¬ artiges Cigarrenetui mit den Farben der Verbindung verehrt. Erst mit dreißig Jahren wird der Raucher reif und Meister, und oft erst später gelangt er durch eigne Erfahrung und Lehre von andern Kunst¬ genossen in den Besitz aller Vortheile, Regeln und Wahrheiten, die den ganz Eingeweihten schmücken und charakterisiren. Mit einigen von diesen Maximen wollen wir unsern Sermon beschließen. Rollentabak gewinnt, wenn er an einem trocknen, nicht heißen Orte auf¬ bewahrt wird, mit den Jahren. Namentlich gilt dieß vom Varinas. Ge¬ schnitten darf er indeß nicht lange liegen, da er sonst zu sehr ausdorrt und staubartig wird. Man schneide sich daher nur den Bedarf für eine Woche und hebe das Geschnittene in einem Gefäße von Steingut auf. Die Tabake der Levante, vorzüglich der Latakiah, Schimmeln leicht, wenn sie zu viel Feuchtigkeit bekommen, dürfen aber auch nicht zu starkem Austrocknen aus¬ gesetzt werden, da sie dann ebenfalls zu Staub zerbröckeln und überdteß ihr Arom verlieren. Man bewahrt seinen Vorrath davon am Besten in Blasen, Lederbeuteln oder Thierfellen auf, die noch die Haare haben, und die man vor ein Fenster hängt, wo sie abwechselnd Regen und Luft bekommen. I" Kellern verderben sie. Persischer Tabak muß, bevor er aus den Kohlenbecher der Wasserpfeife kommt, angefeuchtet werden. Von den Cigarren gilt zunächst die Regel: lieber wenig, aber gute Marken, als viel und Mittelgut oder gar schlechtes Zeug rauchen. Es ist entsetzlich, zu sehen und — zu riechen, in welchem Maße hier nicht selten auch Leute, die das Beste haben könnten, gegen sich selbst und ihre Neben¬ menschen sündigen. Sage mir, was Du rauchst, und ich will Dir sagen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/414>, abgerufen am 20.10.2024.