Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die allgemeine Gunst: gerade das Gegentheil von Beidem, ein gewisser Cynis¬
mus, der aber niemals ohne Grazie war und ein schonungsloser aber immer
gutmüthiger Witz für diejenigen kleinen Schwächen, die ein Jeder in größerem
oder geringerem Maße in die Gesellschaft bringt, verlieh ihm jene stilleGewalt, die,
wie ein Zeitgenosse berichtet, manchen auch in den Jahren noch erzog , wo die Er¬
ziehung als längst vollendet betrachtet wird. So war er z. B. eng befreundet mit
dem Hofrath Aloysius Hirt (früherem Benedictiner), der sich auf seine hof-
männischen Allüren nicht wenig zu gute that, über die Buttmann wie er
sagte eigentlich "aus der Haut fahren mochte." Er nannte ihn im Disput
gern "verdammter Maledietiner" oder "du, dein eignes Correlat", sagte ihm
auch wohl "wenn du nicht kommen willst, lieber Hirt, dann müssen wir uns
mit vier Rädern durchkröpeln." Dem berühmten Anatomen Rudolphi,
der ihn einst in der "Gesetzlosen" wegen seiner überlauten Stimme mit
Recht zur Verantwortung zog, entgegnete Buttmann sofort mit metrischen
Pathos: (Zuiesev vesanum xeeus! (Ruh--toll--Vieh).

Aber weder durch seinen überreich sprudelnden Witz noch durch die Fein¬
heit seines ironischen Spottes, noch durch die behagliche Laune seiner
originellen Einfälle errang und sicherte sich Buttmann seine Stellung
in der Gesellschaft dieser auserlesenen Aristokratie der Geistreichen, son¬
dern durch die "frische, erquickliche und durch kein pädagogisches Messer
verkümmerte Eigenthümlichkeit seines Wesens", welcher der treffende und
stets schlagfertige Witz und das urbane gesellschaftliche Talent noch höheren
Reiz verliehen. So wirkte er durch die Ursprünglichkeit und Eigenartigkeit
seines Wesens im Kreise seiner Familie, seiner zahlreichen Freunde und
namentlich auch in der "Gesetzlosen" mehr als eine ganze Societät von
Menschen, die auf dem sogenannten Wege der Ehren von Examen zu Examen
immer mehr und mehr das verloren oder erstickt haben "was ihnen in andrer
Weise verliehen war als Anderen."

Der bekannte Historiker Rühs hat in einem am Stiftungstage der Ge¬
sellschaft 1817 zu Ehren Buttmanns vorgetragenen Festgedichte des Letzteren
Verdienste um die "Gesetzlose" in folgenden Worten gefeiert:


Jedoch das größte Werk, das seine Thaten krönet,
Wodurch sein Name noch zur fernsten Nachwelt donet,
Ist die Gesellschaft, die sein Genius gebar.
Und deren Solon er seit bald zwei Lustern war.
Im Kleinen zeigt in ihr sich vor den Augen Aller
Das Bild des Staats verjüngt, das Dabelow, von Haller
Und andre Weise mehr in Büchern kund gethan.
Die Freiheit, glaub' es Welt, ist nichts als Kinderwahn,
Den freche Bündler nur und Jakobiner nähren
Um ihre Schäfchen so methodischer zu scheeren.

die allgemeine Gunst: gerade das Gegentheil von Beidem, ein gewisser Cynis¬
mus, der aber niemals ohne Grazie war und ein schonungsloser aber immer
gutmüthiger Witz für diejenigen kleinen Schwächen, die ein Jeder in größerem
oder geringerem Maße in die Gesellschaft bringt, verlieh ihm jene stilleGewalt, die,
wie ein Zeitgenosse berichtet, manchen auch in den Jahren noch erzog , wo die Er¬
ziehung als längst vollendet betrachtet wird. So war er z. B. eng befreundet mit
dem Hofrath Aloysius Hirt (früherem Benedictiner), der sich auf seine hof-
männischen Allüren nicht wenig zu gute that, über die Buttmann wie er
sagte eigentlich „aus der Haut fahren mochte." Er nannte ihn im Disput
gern „verdammter Maledietiner" oder „du, dein eignes Correlat", sagte ihm
auch wohl „wenn du nicht kommen willst, lieber Hirt, dann müssen wir uns
mit vier Rädern durchkröpeln." Dem berühmten Anatomen Rudolphi,
der ihn einst in der „Gesetzlosen" wegen seiner überlauten Stimme mit
Recht zur Verantwortung zog, entgegnete Buttmann sofort mit metrischen
Pathos: (Zuiesev vesanum xeeus! (Ruh—toll—Vieh).

Aber weder durch seinen überreich sprudelnden Witz noch durch die Fein¬
heit seines ironischen Spottes, noch durch die behagliche Laune seiner
originellen Einfälle errang und sicherte sich Buttmann seine Stellung
in der Gesellschaft dieser auserlesenen Aristokratie der Geistreichen, son¬
dern durch die „frische, erquickliche und durch kein pädagogisches Messer
verkümmerte Eigenthümlichkeit seines Wesens", welcher der treffende und
stets schlagfertige Witz und das urbane gesellschaftliche Talent noch höheren
Reiz verliehen. So wirkte er durch die Ursprünglichkeit und Eigenartigkeit
seines Wesens im Kreise seiner Familie, seiner zahlreichen Freunde und
namentlich auch in der „Gesetzlosen" mehr als eine ganze Societät von
Menschen, die auf dem sogenannten Wege der Ehren von Examen zu Examen
immer mehr und mehr das verloren oder erstickt haben „was ihnen in andrer
Weise verliehen war als Anderen."

Der bekannte Historiker Rühs hat in einem am Stiftungstage der Ge¬
sellschaft 1817 zu Ehren Buttmanns vorgetragenen Festgedichte des Letzteren
Verdienste um die „Gesetzlose" in folgenden Worten gefeiert:


Jedoch das größte Werk, das seine Thaten krönet,
Wodurch sein Name noch zur fernsten Nachwelt donet,
Ist die Gesellschaft, die sein Genius gebar.
Und deren Solon er seit bald zwei Lustern war.
Im Kleinen zeigt in ihr sich vor den Augen Aller
Das Bild des Staats verjüngt, das Dabelow, von Haller
Und andre Weise mehr in Büchern kund gethan.
Die Freiheit, glaub' es Welt, ist nichts als Kinderwahn,
Den freche Bündler nur und Jakobiner nähren
Um ihre Schäfchen so methodischer zu scheeren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136913"/>
          <p xml:id="ID_846" prev="#ID_845"> die allgemeine Gunst: gerade das Gegentheil von Beidem, ein gewisser Cynis¬<lb/>
mus, der aber niemals ohne Grazie war und ein schonungsloser aber immer<lb/>
gutmüthiger Witz für diejenigen kleinen Schwächen, die ein Jeder in größerem<lb/>
oder geringerem Maße in die Gesellschaft bringt, verlieh ihm jene stilleGewalt, die,<lb/>
wie ein Zeitgenosse berichtet, manchen auch in den Jahren noch erzog , wo die Er¬<lb/>
ziehung als längst vollendet betrachtet wird. So war er z. B. eng befreundet mit<lb/>
dem Hofrath Aloysius Hirt (früherem Benedictiner), der sich auf seine hof-<lb/>
männischen Allüren nicht wenig zu gute that, über die Buttmann wie er<lb/>
sagte eigentlich &#x201E;aus der Haut fahren mochte." Er nannte ihn im Disput<lb/>
gern &#x201E;verdammter Maledietiner" oder &#x201E;du, dein eignes Correlat", sagte ihm<lb/>
auch wohl &#x201E;wenn du nicht kommen willst, lieber Hirt, dann müssen wir uns<lb/>
mit vier Rädern durchkröpeln." Dem berühmten Anatomen Rudolphi,<lb/>
der ihn einst in der &#x201E;Gesetzlosen" wegen seiner überlauten Stimme mit<lb/>
Recht zur Verantwortung zog, entgegnete Buttmann sofort mit metrischen<lb/>
Pathos: (Zuiesev vesanum xeeus! (Ruh&#x2014;toll&#x2014;Vieh).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_847"> Aber weder durch seinen überreich sprudelnden Witz noch durch die Fein¬<lb/>
heit seines ironischen Spottes, noch durch die behagliche Laune seiner<lb/>
originellen Einfälle errang und sicherte sich Buttmann seine Stellung<lb/>
in der Gesellschaft dieser auserlesenen Aristokratie der Geistreichen, son¬<lb/>
dern durch die &#x201E;frische, erquickliche und durch kein pädagogisches Messer<lb/>
verkümmerte Eigenthümlichkeit seines Wesens", welcher der treffende und<lb/>
stets schlagfertige Witz und das urbane gesellschaftliche Talent noch höheren<lb/>
Reiz verliehen. So wirkte er durch die Ursprünglichkeit und Eigenartigkeit<lb/>
seines Wesens im Kreise seiner Familie, seiner zahlreichen Freunde und<lb/>
namentlich auch in der &#x201E;Gesetzlosen" mehr als eine ganze Societät von<lb/>
Menschen, die auf dem sogenannten Wege der Ehren von Examen zu Examen<lb/>
immer mehr und mehr das verloren oder erstickt haben &#x201E;was ihnen in andrer<lb/>
Weise verliehen war als Anderen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_848"> Der bekannte Historiker Rühs hat in einem am Stiftungstage der Ge¬<lb/>
sellschaft 1817 zu Ehren Buttmanns vorgetragenen Festgedichte des Letzteren<lb/>
Verdienste um die &#x201E;Gesetzlose" in folgenden Worten gefeiert:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_35" type="poem">
              <l> Jedoch das größte Werk, das seine Thaten krönet,<lb/>
Wodurch sein Name noch zur fernsten Nachwelt donet,<lb/>
Ist die Gesellschaft, die sein Genius gebar.<lb/>
Und deren Solon er seit bald zwei Lustern war.<lb/>
Im Kleinen zeigt in ihr sich vor den Augen Aller<lb/>
Das Bild des Staats verjüngt, das Dabelow, von Haller<lb/>
Und andre Weise mehr in Büchern kund gethan.<lb/>
Die Freiheit, glaub' es Welt, ist nichts als Kinderwahn,<lb/>
Den freche Bündler nur und Jakobiner nähren<lb/>
Um ihre Schäfchen so methodischer zu scheeren.<lb/></l>
            </lg>
          </quote><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0274] die allgemeine Gunst: gerade das Gegentheil von Beidem, ein gewisser Cynis¬ mus, der aber niemals ohne Grazie war und ein schonungsloser aber immer gutmüthiger Witz für diejenigen kleinen Schwächen, die ein Jeder in größerem oder geringerem Maße in die Gesellschaft bringt, verlieh ihm jene stilleGewalt, die, wie ein Zeitgenosse berichtet, manchen auch in den Jahren noch erzog , wo die Er¬ ziehung als längst vollendet betrachtet wird. So war er z. B. eng befreundet mit dem Hofrath Aloysius Hirt (früherem Benedictiner), der sich auf seine hof- männischen Allüren nicht wenig zu gute that, über die Buttmann wie er sagte eigentlich „aus der Haut fahren mochte." Er nannte ihn im Disput gern „verdammter Maledietiner" oder „du, dein eignes Correlat", sagte ihm auch wohl „wenn du nicht kommen willst, lieber Hirt, dann müssen wir uns mit vier Rädern durchkröpeln." Dem berühmten Anatomen Rudolphi, der ihn einst in der „Gesetzlosen" wegen seiner überlauten Stimme mit Recht zur Verantwortung zog, entgegnete Buttmann sofort mit metrischen Pathos: (Zuiesev vesanum xeeus! (Ruh—toll—Vieh). Aber weder durch seinen überreich sprudelnden Witz noch durch die Fein¬ heit seines ironischen Spottes, noch durch die behagliche Laune seiner originellen Einfälle errang und sicherte sich Buttmann seine Stellung in der Gesellschaft dieser auserlesenen Aristokratie der Geistreichen, son¬ dern durch die „frische, erquickliche und durch kein pädagogisches Messer verkümmerte Eigenthümlichkeit seines Wesens", welcher der treffende und stets schlagfertige Witz und das urbane gesellschaftliche Talent noch höheren Reiz verliehen. So wirkte er durch die Ursprünglichkeit und Eigenartigkeit seines Wesens im Kreise seiner Familie, seiner zahlreichen Freunde und namentlich auch in der „Gesetzlosen" mehr als eine ganze Societät von Menschen, die auf dem sogenannten Wege der Ehren von Examen zu Examen immer mehr und mehr das verloren oder erstickt haben „was ihnen in andrer Weise verliehen war als Anderen." Der bekannte Historiker Rühs hat in einem am Stiftungstage der Ge¬ sellschaft 1817 zu Ehren Buttmanns vorgetragenen Festgedichte des Letzteren Verdienste um die „Gesetzlose" in folgenden Worten gefeiert: Jedoch das größte Werk, das seine Thaten krönet, Wodurch sein Name noch zur fernsten Nachwelt donet, Ist die Gesellschaft, die sein Genius gebar. Und deren Solon er seit bald zwei Lustern war. Im Kleinen zeigt in ihr sich vor den Augen Aller Das Bild des Staats verjüngt, das Dabelow, von Haller Und andre Weise mehr in Büchern kund gethan. Die Freiheit, glaub' es Welt, ist nichts als Kinderwahn, Den freche Bündler nur und Jakobiner nähren Um ihre Schäfchen so methodischer zu scheeren.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/274
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/274>, abgerufen am 20.10.2024.