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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Hoffnung aus, daß auch bei den kommenden Reichstagswahlen die Wahl auf
solche Männer fallen möge, "welche sich verpflichtet haben werden, vor den
Abgeordneten von ganz Deutschland den Beweis unserer Männlichkeit, unserer
festen und weisen Klugheit, unserer politischen Reife zu führen, die uns be¬
fähigt, unsern eigenen Interessen selbst vorzustehen." Man kann nicht um¬
hin, diesem verhältnißmäßig patriotischen Wunsche, wie er ähnlich auch in der
letzten Sitzung des Landes - Ausschusses formirt worden ist, im Allgemeinen
beizustimmen.

Was nun den Landesausschuß anbelangt, so sind nunmehr sämmt¬
liche offiziellen Sitzungs-Protokolle desselben in den amtlichen Blättern ver¬
öffentlicht und man ist danach jetzt erst im Stande, sich einen Gesammt-
Ueberblick über die fruchtbare Thätigkeit dieser Versammlung in ihrer zweiten
Session und über die Resultate ihrer Berathungen zu verschaffen. Diese
Uebersicht, die selbstverständlich nach Maßgabe des mir verstatteten Raumes
nur eine cursorische in den allgemeinsten Umrissen sein kann, dürfte insofern
doch von einigem Nutzen und zeitgemäßen Interesse sein, als der deutsche
Reichstag, wie neuerdings wiederholt bestätigt wird, sich noch in seiner
nächsten Herbstsession mit einzelnen Vorlagen des Landes-Ausschusses auf
Grund der Berathschlagungen desselben eingehender zu befassen haben wird.

Die diesjährige Session des Landes-Ausschusses hat bekanntlich gerade
den Zeitraum von einem Monat ausgefüllt und vom 17. Mai bis 17. Juni
gedauert. Die beiden ersten Sitzungen, zwischen denen übrigens ein
Zeitraum von 10 Tagen lag, waren vornehmlich geschäftlichen Anordnungen
gewidmet. Zum Präsidenten wurde bekanntlich Herr Schina berger ge¬
wählt, der in seiner Antrittsrede den Mitgliedern den Wahlspruch empfahl;
"Wenig unnütze Worte, aber viel sachliche Gründe!" Dieser Devise ist denn
auch der Ausschuß, wie man nicht anders sagen kann, nach besten Kräften
treu geblieben. Nur in einzelnen "brennenden" Localfragen, beispielsweise
bei der Schulfrage, der Theaterfrage, der Wein- und Branntweinsteuer ist
lst hier und da die Grenze des Nöthigen, Nützlichen und Angenehmen von
einzelnen sehr wortreichen und redegewandten Mitgliedern überschritten worden.
Im Uebrigen aber kann man die Mäßigung, Besonnenheit und den praktischen
Sinn dieser schlichten und anspruchslosen Männer aus dem Volke, welche zum
ersten Male berufen sind, ihre localen und Bezirks-Interessen aus allgemeinern
und höhern Gesichtspunkten zu erwägen und zu besprechen, nicht rühmend
genug hervorheben.

In der dritten Sitzung, vom 30. Mai, wurde nach Erledigung einer
großen Anzahl Petitionen der Etat des Ober-Präsidiums mit einer^ Einnahme
von 13,201 M. und einer Ausgabe von 429,000 M. in Angriff genommen.
Unter den Letztern figurirt auch der bekannte "geheime Dispositionsfonds"


Hoffnung aus, daß auch bei den kommenden Reichstagswahlen die Wahl auf
solche Männer fallen möge, „welche sich verpflichtet haben werden, vor den
Abgeordneten von ganz Deutschland den Beweis unserer Männlichkeit, unserer
festen und weisen Klugheit, unserer politischen Reife zu führen, die uns be¬
fähigt, unsern eigenen Interessen selbst vorzustehen." Man kann nicht um¬
hin, diesem verhältnißmäßig patriotischen Wunsche, wie er ähnlich auch in der
letzten Sitzung des Landes - Ausschusses formirt worden ist, im Allgemeinen
beizustimmen.

Was nun den Landesausschuß anbelangt, so sind nunmehr sämmt¬
liche offiziellen Sitzungs-Protokolle desselben in den amtlichen Blättern ver¬
öffentlicht und man ist danach jetzt erst im Stande, sich einen Gesammt-
Ueberblick über die fruchtbare Thätigkeit dieser Versammlung in ihrer zweiten
Session und über die Resultate ihrer Berathungen zu verschaffen. Diese
Uebersicht, die selbstverständlich nach Maßgabe des mir verstatteten Raumes
nur eine cursorische in den allgemeinsten Umrissen sein kann, dürfte insofern
doch von einigem Nutzen und zeitgemäßen Interesse sein, als der deutsche
Reichstag, wie neuerdings wiederholt bestätigt wird, sich noch in seiner
nächsten Herbstsession mit einzelnen Vorlagen des Landes-Ausschusses auf
Grund der Berathschlagungen desselben eingehender zu befassen haben wird.

Die diesjährige Session des Landes-Ausschusses hat bekanntlich gerade
den Zeitraum von einem Monat ausgefüllt und vom 17. Mai bis 17. Juni
gedauert. Die beiden ersten Sitzungen, zwischen denen übrigens ein
Zeitraum von 10 Tagen lag, waren vornehmlich geschäftlichen Anordnungen
gewidmet. Zum Präsidenten wurde bekanntlich Herr Schina berger ge¬
wählt, der in seiner Antrittsrede den Mitgliedern den Wahlspruch empfahl;
„Wenig unnütze Worte, aber viel sachliche Gründe!" Dieser Devise ist denn
auch der Ausschuß, wie man nicht anders sagen kann, nach besten Kräften
treu geblieben. Nur in einzelnen „brennenden" Localfragen, beispielsweise
bei der Schulfrage, der Theaterfrage, der Wein- und Branntweinsteuer ist
lst hier und da die Grenze des Nöthigen, Nützlichen und Angenehmen von
einzelnen sehr wortreichen und redegewandten Mitgliedern überschritten worden.
Im Uebrigen aber kann man die Mäßigung, Besonnenheit und den praktischen
Sinn dieser schlichten und anspruchslosen Männer aus dem Volke, welche zum
ersten Male berufen sind, ihre localen und Bezirks-Interessen aus allgemeinern
und höhern Gesichtspunkten zu erwägen und zu besprechen, nicht rühmend
genug hervorheben.

In der dritten Sitzung, vom 30. Mai, wurde nach Erledigung einer
großen Anzahl Petitionen der Etat des Ober-Präsidiums mit einer^ Einnahme
von 13,201 M. und einer Ausgabe von 429,000 M. in Angriff genommen.
Unter den Letztern figurirt auch der bekannte „geheime Dispositionsfonds"


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[0483] Hoffnung aus, daß auch bei den kommenden Reichstagswahlen die Wahl auf solche Männer fallen möge, „welche sich verpflichtet haben werden, vor den Abgeordneten von ganz Deutschland den Beweis unserer Männlichkeit, unserer festen und weisen Klugheit, unserer politischen Reife zu führen, die uns be¬ fähigt, unsern eigenen Interessen selbst vorzustehen." Man kann nicht um¬ hin, diesem verhältnißmäßig patriotischen Wunsche, wie er ähnlich auch in der letzten Sitzung des Landes - Ausschusses formirt worden ist, im Allgemeinen beizustimmen. Was nun den Landesausschuß anbelangt, so sind nunmehr sämmt¬ liche offiziellen Sitzungs-Protokolle desselben in den amtlichen Blättern ver¬ öffentlicht und man ist danach jetzt erst im Stande, sich einen Gesammt- Ueberblick über die fruchtbare Thätigkeit dieser Versammlung in ihrer zweiten Session und über die Resultate ihrer Berathungen zu verschaffen. Diese Uebersicht, die selbstverständlich nach Maßgabe des mir verstatteten Raumes nur eine cursorische in den allgemeinsten Umrissen sein kann, dürfte insofern doch von einigem Nutzen und zeitgemäßen Interesse sein, als der deutsche Reichstag, wie neuerdings wiederholt bestätigt wird, sich noch in seiner nächsten Herbstsession mit einzelnen Vorlagen des Landes-Ausschusses auf Grund der Berathschlagungen desselben eingehender zu befassen haben wird. Die diesjährige Session des Landes-Ausschusses hat bekanntlich gerade den Zeitraum von einem Monat ausgefüllt und vom 17. Mai bis 17. Juni gedauert. Die beiden ersten Sitzungen, zwischen denen übrigens ein Zeitraum von 10 Tagen lag, waren vornehmlich geschäftlichen Anordnungen gewidmet. Zum Präsidenten wurde bekanntlich Herr Schina berger ge¬ wählt, der in seiner Antrittsrede den Mitgliedern den Wahlspruch empfahl; „Wenig unnütze Worte, aber viel sachliche Gründe!" Dieser Devise ist denn auch der Ausschuß, wie man nicht anders sagen kann, nach besten Kräften treu geblieben. Nur in einzelnen „brennenden" Localfragen, beispielsweise bei der Schulfrage, der Theaterfrage, der Wein- und Branntweinsteuer ist lst hier und da die Grenze des Nöthigen, Nützlichen und Angenehmen von einzelnen sehr wortreichen und redegewandten Mitgliedern überschritten worden. Im Uebrigen aber kann man die Mäßigung, Besonnenheit und den praktischen Sinn dieser schlichten und anspruchslosen Männer aus dem Volke, welche zum ersten Male berufen sind, ihre localen und Bezirks-Interessen aus allgemeinern und höhern Gesichtspunkten zu erwägen und zu besprechen, nicht rühmend genug hervorheben. In der dritten Sitzung, vom 30. Mai, wurde nach Erledigung einer großen Anzahl Petitionen der Etat des Ober-Präsidiums mit einer^ Einnahme von 13,201 M. und einer Ausgabe von 429,000 M. in Angriff genommen. Unter den Letztern figurirt auch der bekannte „geheime Dispositionsfonds"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/483>, abgerufen am 19.10.2024.