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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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den dadurch verletzt sein sollenden Gesetzesparagraphen gar nicht mehr: man
erfand nur, wunderbare Schlagworte wie "objectiv e T end enziosi tat",
und wo man diese zu wittern glaubte, da ward Clubbeschluß über die Wahl¬
vernichtung gefaßt -- und der liberale Abgeordnete betrat als Todes -
candidat den Saal. Eine jener genannten juristischen Größen bestieg die
Tribüne, vielleicht half ihm auch noch einer der casuistisch'geschulten geistlichen
Herren, man sing das alte Lied von der prinzipiellen Unterdrückung des
katholischen Volkes durch die "Wahlkreisgeometrie" wieder an. schloß es mit
jenem Vers von der "objectiven Tendenz" und ließ nun ruhig vom Minister¬
tische, wie von den Koryphäen der Linken, Stauffenberg, Fischer, Volk u. A.
sich den nachgewiesenen Vorwurf der Lüge u. s. w. machen, sich die bittersten
Wahrheiten ins Gesicht sagen -- die "über den Zinnen der Partei stehenden"
Ehrenvesten focht das nicht an, man schnitt xar doree majoure den liberalen
Rednern einfach das Wort ab, stimmte die Linke nieder und warf so --
das war das Facit -- nacheinander die Abgeordneten des Wahlkreises Zwei¬
brücken, Schwetnfurt. Würzburg. Salzbach, Regensburg, in Summa 10 an
der Zahl, sänftiglich zur Thüre hinaus.

Es war eben von Anfang bis zu Ende in dieser Session, vom October
vorigen bis zum Juli dieses Jahres der Krieg der Kleinlichkeit, der Nörgelei
und der Nadelstiche, den die Majorität gegen das Ministerium führte. Von
Haß gegen dieses erfüllt, und doch kein Sichaufraffen zu einer entscheidenden
That! Bei jeder Budgetspalte die Erklärung, einschneidende Abstriche machen
zu wollen, und schließlich brachte jeder Ressortminister sein Schäfchen lächelnd
ins Trockene. Nur der Cultusmtnister, Herr v. Lutz, der in den Augen der
Klerikalen Verfehmteste seiner Collegen, mußte den Rothstift des in seiner
Mehrheit natürlich auch ultramontanen Finanzausschusses empfindlich fühlen.
Aber es war nicht nur seine Person, die man damit treffen wollte, sondern
der Feldzug, den die deutsche und internationale Centrumspartei überall gegen
Wissenschaft und Bildung unternimmt, mußte auch in der bayrischen Kammer
seine Etappe haben: darum lehnte man mit Clubbeschluß und demnach mit
unverfrorener Einmüthigkeit alle Regierungspostulate für die nothwendigsten
Universitätsattribute, den erst vor zwei Jahren ins Leben gerufenen obersten
Schulrath, die analog den andern deutschen Gymnasien gebildete fünfte Latein¬
schulklasse ab -- und verweigerte vor allem die Aufbesserungszuschüsse an die
Volksschullehrer, trotzdem, daß die finanziellen Mittel für all das reichlich
vorhanden waren und das Budget mit keinem Defizit abgeschlossen haben
würde. Die Versuche der ersten Kammer, die in der zweiten gefallenen
Summen durch das Votum des Neichsraths wieder zu gewinnen, schlugen fehl,
denn wenn auch die "hohen" Herrn, wie so manchmal schon seit dem ultra¬
montanen Regiment der zweiten Kammer, sich liberaler als diese zeigten, so


den dadurch verletzt sein sollenden Gesetzesparagraphen gar nicht mehr: man
erfand nur, wunderbare Schlagworte wie „objectiv e T end enziosi tat",
und wo man diese zu wittern glaubte, da ward Clubbeschluß über die Wahl¬
vernichtung gefaßt — und der liberale Abgeordnete betrat als Todes -
candidat den Saal. Eine jener genannten juristischen Größen bestieg die
Tribüne, vielleicht half ihm auch noch einer der casuistisch'geschulten geistlichen
Herren, man sing das alte Lied von der prinzipiellen Unterdrückung des
katholischen Volkes durch die „Wahlkreisgeometrie" wieder an. schloß es mit
jenem Vers von der „objectiven Tendenz" und ließ nun ruhig vom Minister¬
tische, wie von den Koryphäen der Linken, Stauffenberg, Fischer, Volk u. A.
sich den nachgewiesenen Vorwurf der Lüge u. s. w. machen, sich die bittersten
Wahrheiten ins Gesicht sagen — die „über den Zinnen der Partei stehenden"
Ehrenvesten focht das nicht an, man schnitt xar doree majoure den liberalen
Rednern einfach das Wort ab, stimmte die Linke nieder und warf so —
das war das Facit — nacheinander die Abgeordneten des Wahlkreises Zwei¬
brücken, Schwetnfurt. Würzburg. Salzbach, Regensburg, in Summa 10 an
der Zahl, sänftiglich zur Thüre hinaus.

Es war eben von Anfang bis zu Ende in dieser Session, vom October
vorigen bis zum Juli dieses Jahres der Krieg der Kleinlichkeit, der Nörgelei
und der Nadelstiche, den die Majorität gegen das Ministerium führte. Von
Haß gegen dieses erfüllt, und doch kein Sichaufraffen zu einer entscheidenden
That! Bei jeder Budgetspalte die Erklärung, einschneidende Abstriche machen
zu wollen, und schließlich brachte jeder Ressortminister sein Schäfchen lächelnd
ins Trockene. Nur der Cultusmtnister, Herr v. Lutz, der in den Augen der
Klerikalen Verfehmteste seiner Collegen, mußte den Rothstift des in seiner
Mehrheit natürlich auch ultramontanen Finanzausschusses empfindlich fühlen.
Aber es war nicht nur seine Person, die man damit treffen wollte, sondern
der Feldzug, den die deutsche und internationale Centrumspartei überall gegen
Wissenschaft und Bildung unternimmt, mußte auch in der bayrischen Kammer
seine Etappe haben: darum lehnte man mit Clubbeschluß und demnach mit
unverfrorener Einmüthigkeit alle Regierungspostulate für die nothwendigsten
Universitätsattribute, den erst vor zwei Jahren ins Leben gerufenen obersten
Schulrath, die analog den andern deutschen Gymnasien gebildete fünfte Latein¬
schulklasse ab — und verweigerte vor allem die Aufbesserungszuschüsse an die
Volksschullehrer, trotzdem, daß die finanziellen Mittel für all das reichlich
vorhanden waren und das Budget mit keinem Defizit abgeschlossen haben
würde. Die Versuche der ersten Kammer, die in der zweiten gefallenen
Summen durch das Votum des Neichsraths wieder zu gewinnen, schlugen fehl,
denn wenn auch die „hohen" Herrn, wie so manchmal schon seit dem ultra¬
montanen Regiment der zweiten Kammer, sich liberaler als diese zeigten, so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/342>, abgerufen am 19.10.2024.