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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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darzustellen. Nur haben sie nicht bedacht, daß eben dadurch die Fälschung
sich handgreiflich verräth."

Wir übergehen die weiteren Beweise für die Unechtheit der Raritäten
der Herren Rollin und Feuardent, um zunächst Raum für eine gedrängte
Darstellung des Verfahrens Herr Mommsen's dieser Bergl'schen Kritik gegen¬
über zu gewinnen. Dasselbe bestand in einer vollständigen Frontveränderung.
Mommsen's kritische Methode, die früher destructiv war, wurde, sagt der Ver¬
fasser unsrer Schrift, plötzlich conservativ; er stand mit seinem Namen für
die Authenticität der von Desjardins beschriebenen Sammlung ein, "nicht
sowohl auf Grund besseren Wissens und gereifter Erfahrung -- denn nichts
verräth eine vertrautere Bekanntschaft mit den bisher bekannten echten Exem¬
plaren --" "fodern entweder aus Eigensinn und Widerspruchsgeist, oder
weil er sich für die Echtheit einmal verbürgt hatte, als er der Verwaltung des
Berliner Museums den Ankauf dieser Sammlung empfahl."

Mommsen hatte sich aber auch diesmal übereilt. "Die Wahrheit kommt
früher oder später zur Geltung", schrieb Herr Bergl am 29. December v. I.
"jede Fälschung, mag auch gelehrter Eigendünkel sie noch so eifrig in Schutz
nehmen, wird zuletzt enthüllt", und schon am 15. April d. I. konnte er sagen,
daß der Betrug vollständig entlarvt sei, sodaß selbst die eifrigsten Vertheidi¬
ger der vollständigen Echtheit der ehemaligen pariser Sammlung, zu der
Feuardent inzwischen eine neue erworben und davon einen Theil zur Vermeh¬
rung der Berliner Museumsschätze ausgewählt hatte, verstummten. "Meine
Gegner", sagt Bergl in Bezug hierauf, "meinten durch den hochfahrenden
Ton und die unlauteren Mittel einer rücksichtslosen Polemik meine Entdeckung
zurückzuweisen und mich zu vernichten; setzt sind sie gezwungen, alle Argu¬
mente, womit sie noch vor sechs Monaten die Falsifieate vertheidigten, fallen
zu lassen und einen handgreiflichen industriellen Betrug anzuerkennen."

Näheres über diese Entwickelung der Sache giebt theils die erste Ab¬
handlung .unsrer Schrift ("Ueber moderne Fälschungen"), theils eine Nach¬
schrift zur Vorrede. Wir theilen daraus Folgendes mit. Bergl hatte seinen
Angriff auf die Echtheit der von den Herren Rollin und Feuardent erwor¬
benen Schleudergeschosse veröffentlicht, das Berliner Museum die größte Hälfte
derselben, 444 Stück von 609, auf Mommsen's Antrag erworben und den Dr.
Zangemeister in Heidelberg mit der Katalogisirung dieser Exemplare beauftragt,
als Berliner Zeitungen einen Bericht über die Sitzung der Archäologischen
Gesellschaft vom I.Juni I87S brachten, welcher Desjardins' Publication als
durchaus unzuverlässig, die Echtheit der betreffenden Schleuderbleie und ihrer
Aufschriften dagegen als unanfechtbar bezeichnete. Darauf folgte im Novem¬
ber v. I. in den Monatsberichten der Berliner Akademie vom Juli ein Be¬
richt Zangemeister's nebst einem Nachworte von Mommsen. "Zangemeister",


darzustellen. Nur haben sie nicht bedacht, daß eben dadurch die Fälschung
sich handgreiflich verräth."

Wir übergehen die weiteren Beweise für die Unechtheit der Raritäten
der Herren Rollin und Feuardent, um zunächst Raum für eine gedrängte
Darstellung des Verfahrens Herr Mommsen's dieser Bergl'schen Kritik gegen¬
über zu gewinnen. Dasselbe bestand in einer vollständigen Frontveränderung.
Mommsen's kritische Methode, die früher destructiv war, wurde, sagt der Ver¬
fasser unsrer Schrift, plötzlich conservativ; er stand mit seinem Namen für
die Authenticität der von Desjardins beschriebenen Sammlung ein, „nicht
sowohl auf Grund besseren Wissens und gereifter Erfahrung — denn nichts
verräth eine vertrautere Bekanntschaft mit den bisher bekannten echten Exem¬
plaren —" „fodern entweder aus Eigensinn und Widerspruchsgeist, oder
weil er sich für die Echtheit einmal verbürgt hatte, als er der Verwaltung des
Berliner Museums den Ankauf dieser Sammlung empfahl."

Mommsen hatte sich aber auch diesmal übereilt. „Die Wahrheit kommt
früher oder später zur Geltung", schrieb Herr Bergl am 29. December v. I.
„jede Fälschung, mag auch gelehrter Eigendünkel sie noch so eifrig in Schutz
nehmen, wird zuletzt enthüllt", und schon am 15. April d. I. konnte er sagen,
daß der Betrug vollständig entlarvt sei, sodaß selbst die eifrigsten Vertheidi¬
ger der vollständigen Echtheit der ehemaligen pariser Sammlung, zu der
Feuardent inzwischen eine neue erworben und davon einen Theil zur Vermeh¬
rung der Berliner Museumsschätze ausgewählt hatte, verstummten. „Meine
Gegner", sagt Bergl in Bezug hierauf, „meinten durch den hochfahrenden
Ton und die unlauteren Mittel einer rücksichtslosen Polemik meine Entdeckung
zurückzuweisen und mich zu vernichten; setzt sind sie gezwungen, alle Argu¬
mente, womit sie noch vor sechs Monaten die Falsifieate vertheidigten, fallen
zu lassen und einen handgreiflichen industriellen Betrug anzuerkennen."

Näheres über diese Entwickelung der Sache giebt theils die erste Ab¬
handlung .unsrer Schrift („Ueber moderne Fälschungen"), theils eine Nach¬
schrift zur Vorrede. Wir theilen daraus Folgendes mit. Bergl hatte seinen
Angriff auf die Echtheit der von den Herren Rollin und Feuardent erwor¬
benen Schleudergeschosse veröffentlicht, das Berliner Museum die größte Hälfte
derselben, 444 Stück von 609, auf Mommsen's Antrag erworben und den Dr.
Zangemeister in Heidelberg mit der Katalogisirung dieser Exemplare beauftragt,
als Berliner Zeitungen einen Bericht über die Sitzung der Archäologischen
Gesellschaft vom I.Juni I87S brachten, welcher Desjardins' Publication als
durchaus unzuverlässig, die Echtheit der betreffenden Schleuderbleie und ihrer
Aufschriften dagegen als unanfechtbar bezeichnete. Darauf folgte im Novem¬
ber v. I. in den Monatsberichten der Berliner Akademie vom Juli ein Be¬
richt Zangemeister's nebst einem Nachworte von Mommsen. „Zangemeister",


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/336>, abgerufen am 20.10.2024.