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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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wir frei sein, so müssen wir Schlachten schlagen. Bei Gott, wir müssen
Schlachten schlagen!" und beantragte die Versetzung Virginiens in Ver¬
theidigungszustand; sein Antrag wurde von der freiheitliebenden Versammlung
angenommen, und ein Comite, in dem neben ihm Washington, Richard Henry
Lee, Jefferson u. A. saßen, begann eine reguläre Miliz zu bilden. Dagegen ließ
der Gouverneur Lord Dunmore am 21. April das Pulver der Colonie weg¬
nehmen und sprach sich für die Freigebung der Sklaven aus -- gegen Rebel¬
len schien ihm Alles erlaubt und zu rechtfertigen. Auch Massachusetts rüstete
sich und entwarf Verordnungen für die werdenden Truppen, zugleich corre-
spondirte es mit den arideren Colonien wegen Aufstellung einer Vertheidi¬
gungsarmee, und auch New-York, auf welches die Krone am meisten traute,
hielt sich zu der Sache der Union.

Gage plante schon längere Zeit die Wegnahme der Munition von Massa¬
chusetts in Concord, wurde aber durchschaut, und man ergriff Vorsichtsma߬
regeln gegen einen derartigen Akt. Ueberall fanden die Truppen Vorberei¬
tungen, und am 19. April begann der Revolutionskrieg. Der Rubicon war
überschritten, sobald Major Pitcairn bei Lexington Feuer gegeben und etwa
acht bewaffnete Dorfleute getödtet hatte. Mit Riesenschritten nahte sich die
Göttin der Freiheit und Unabhängigkeit, zwischen dem Könige und seinen
transatlantischen Unterthanen floß als unüberschreitbares Hinderniß ein Blut¬
strom; bei Lexington wurde das Königthum in Amerika begraben. In Con¬
cord einrückend, nahmen oder vernichteten die englischen Soldaten Munition
und Vorräthe, verbrannten den Freiheitsbaum, begingen greuliche Plünde¬
rungen. Um ihnen den Rückzug abzuschneiden, eilten Schaaren von Milizen
herbei und trieben die Briten bei Concord in heißem Gefechte am 19. April
zurück, bei Lexington aber begannen diese vor den Söhnen der Freiheit davon
zu laufen, und nun kannte der Jubel, aber auch die Uebertreibung keine Grenzen
auf Seite der Amerikaner. Nicht nur datirte man die Freiheit der amerika¬
nischen Welt vom Tage von Lexington an, sondern man überschätzte den Sieg
und stellte ihn den ersten der Geschichte mindestens ebenbürtig zur Rechten.
Von allen Theilen des Landes eilten die Landleute in den Waffen herbei, und ein
Volk in Waffen muß (? D. Red.) jedem Heere der gefährlichste Gegner werden.

Allerwärts erscholl der ungebändigte Ruf "Freiheit oder Tod!" auf dem
ganzen Continente von Amerika; man wollte Gage und seine Regimenter ins
Meer werfen. So ungenügend man gerüstet und mit Munition versehen
war, so sehr es buchstäblich an Allem fehlte, so riesenhaft war der Muth
und die Ueberzeugung vom Siege der gerechten Sache. Am 22. April beschloß
der Congreß von Massachusetts die Errichtung eines Heeres von 30,000 Mann
für Neu-England, zu dem die Colonie selbst 13,600 stellen wollte; bald machten
sich die Truppen der anderen Staaten auf den Weg nach Boston. Die dri-


wir frei sein, so müssen wir Schlachten schlagen. Bei Gott, wir müssen
Schlachten schlagen!" und beantragte die Versetzung Virginiens in Ver¬
theidigungszustand; sein Antrag wurde von der freiheitliebenden Versammlung
angenommen, und ein Comite, in dem neben ihm Washington, Richard Henry
Lee, Jefferson u. A. saßen, begann eine reguläre Miliz zu bilden. Dagegen ließ
der Gouverneur Lord Dunmore am 21. April das Pulver der Colonie weg¬
nehmen und sprach sich für die Freigebung der Sklaven aus — gegen Rebel¬
len schien ihm Alles erlaubt und zu rechtfertigen. Auch Massachusetts rüstete
sich und entwarf Verordnungen für die werdenden Truppen, zugleich corre-
spondirte es mit den arideren Colonien wegen Aufstellung einer Vertheidi¬
gungsarmee, und auch New-York, auf welches die Krone am meisten traute,
hielt sich zu der Sache der Union.

Gage plante schon längere Zeit die Wegnahme der Munition von Massa¬
chusetts in Concord, wurde aber durchschaut, und man ergriff Vorsichtsma߬
regeln gegen einen derartigen Akt. Ueberall fanden die Truppen Vorberei¬
tungen, und am 19. April begann der Revolutionskrieg. Der Rubicon war
überschritten, sobald Major Pitcairn bei Lexington Feuer gegeben und etwa
acht bewaffnete Dorfleute getödtet hatte. Mit Riesenschritten nahte sich die
Göttin der Freiheit und Unabhängigkeit, zwischen dem Könige und seinen
transatlantischen Unterthanen floß als unüberschreitbares Hinderniß ein Blut¬
strom; bei Lexington wurde das Königthum in Amerika begraben. In Con¬
cord einrückend, nahmen oder vernichteten die englischen Soldaten Munition
und Vorräthe, verbrannten den Freiheitsbaum, begingen greuliche Plünde¬
rungen. Um ihnen den Rückzug abzuschneiden, eilten Schaaren von Milizen
herbei und trieben die Briten bei Concord in heißem Gefechte am 19. April
zurück, bei Lexington aber begannen diese vor den Söhnen der Freiheit davon
zu laufen, und nun kannte der Jubel, aber auch die Uebertreibung keine Grenzen
auf Seite der Amerikaner. Nicht nur datirte man die Freiheit der amerika¬
nischen Welt vom Tage von Lexington an, sondern man überschätzte den Sieg
und stellte ihn den ersten der Geschichte mindestens ebenbürtig zur Rechten.
Von allen Theilen des Landes eilten die Landleute in den Waffen herbei, und ein
Volk in Waffen muß (? D. Red.) jedem Heere der gefährlichste Gegner werden.

Allerwärts erscholl der ungebändigte Ruf „Freiheit oder Tod!" auf dem
ganzen Continente von Amerika; man wollte Gage und seine Regimenter ins
Meer werfen. So ungenügend man gerüstet und mit Munition versehen
war, so sehr es buchstäblich an Allem fehlte, so riesenhaft war der Muth
und die Ueberzeugung vom Siege der gerechten Sache. Am 22. April beschloß
der Congreß von Massachusetts die Errichtung eines Heeres von 30,000 Mann
für Neu-England, zu dem die Colonie selbst 13,600 stellen wollte; bald machten
sich die Truppen der anderen Staaten auf den Weg nach Boston. Die dri-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/191>, abgerufen am 26.09.2024.