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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Könige in feierlicher Procession eine Adresse überreicht hatten, welche der
"Rebellion" in Massachusetts den Krieg auf Tod und Leben erklärte. Dort
aber begann man sich zu rüsten, um dem Feinde begegnen zu können, man
bot die Wehrfähigen auf, überschlug die Vorräthe an Munition, ernannte
Offiziere, angefeuert durch den Geist und den Patriotismus von Samuel
Adams; die Steuern wurden den königlichen Beamten nicht mehr gezahlt,
für die Truppen wurde nicht gearbeitet, und John Adams war der Meinung:
"Der fortwährende Fehler des Volkes ist nicht Undankbarkeit gegen seine
Herrscher, sondern zu viel Liebe." Lord North dachte noch immer an die
Wahrscheinlichkeit, daß Massachusetts sich unterwerfe, sobald der Schrecken
zur Herrschaft gelange, und kam dadurch auf Einschränkung des Handels von
Neu-England und Verbot der Fischerei für seine Einwohner an den Küsten
von New-Foundland. Als er gleichzeitig mildere Saiten gegen Amerika
anschlug, fand er nirgends Unterstützung; denn wer für die Colonien war,
dachte freier als er, bei weitem die Meisten aber waren Feinde derselben.
Nur im Volke von England begann eine freundlichere Richtung sich zu
zeigen, hier wollte man nichts von einem Bürgerkriege wissen, der geführt
würde, um dem Parlamente ein Besteuerungsrecht zu gewährleisten und
Freibriefe zu vernichten; der englische Stolz hätte sich begnügt, wenn man,
wie Franklin versprach, die ostindische Compagnie für den verlorenen Thee
entschädigte. Nicht aber die Regierung; sie wollte den Rebellen ihren Arm
zeigen. Zu dem unfähigen Gage entsandte sie den ebenso unbedeutenden
Sir William Howe, dessen Familie in Amerika die höchste Popularität
genoß, als General und den Admiral Lord Howe als Befehlshaber der See¬
macht nach den Colonien.

In Frankreich harrte der Minister Vergennes mit Sehnsucht des Augen¬
blickes, wo der Krieg aufbreche, und der Gesandte in London meinte,
wenn er recht unterrichtet sei, so würden die Amerikaner sich nicht unter¬
werfen. Am 3. März feierte Boston wieder den Jahrestag des Blutbades, und
etwa 40 englische Offiziere, die dem Feste beiwohnten, mußten die ärgste
Schilderung britischer Uebergriffe anhören -- von da an versäumte das
Militair keine Gelegenheit das Volk zu reizen und zu beleidigen. In Eng¬
land bediente sich jetzt die Tyrannei der Feder eines gemietheten Greises, Samuel
Johnson; in seinen, besonders auf den großen Haufen berechneten Schriften
vertheidigte er mit voller Gewissenlosigkeit jeden Schritt seiner Auftraggeber
und höhnte die unglücklichen Colonien ins Angesicht -- währenddem verließ
Franklin England, wo er keinen Frieden hatte schließen können, und eilte
nach Amerika heim, am 23. März, und als Edmund Burke für die Versöhnung
eine schwung- und geistvolle Rede am 22. März hielt, wurde er von allen Seiten
überstimmt. Tags darauf aber sprach Patrick Henry in Vtrginien: "Wollen


Könige in feierlicher Procession eine Adresse überreicht hatten, welche der
„Rebellion" in Massachusetts den Krieg auf Tod und Leben erklärte. Dort
aber begann man sich zu rüsten, um dem Feinde begegnen zu können, man
bot die Wehrfähigen auf, überschlug die Vorräthe an Munition, ernannte
Offiziere, angefeuert durch den Geist und den Patriotismus von Samuel
Adams; die Steuern wurden den königlichen Beamten nicht mehr gezahlt,
für die Truppen wurde nicht gearbeitet, und John Adams war der Meinung:
„Der fortwährende Fehler des Volkes ist nicht Undankbarkeit gegen seine
Herrscher, sondern zu viel Liebe." Lord North dachte noch immer an die
Wahrscheinlichkeit, daß Massachusetts sich unterwerfe, sobald der Schrecken
zur Herrschaft gelange, und kam dadurch auf Einschränkung des Handels von
Neu-England und Verbot der Fischerei für seine Einwohner an den Küsten
von New-Foundland. Als er gleichzeitig mildere Saiten gegen Amerika
anschlug, fand er nirgends Unterstützung; denn wer für die Colonien war,
dachte freier als er, bei weitem die Meisten aber waren Feinde derselben.
Nur im Volke von England begann eine freundlichere Richtung sich zu
zeigen, hier wollte man nichts von einem Bürgerkriege wissen, der geführt
würde, um dem Parlamente ein Besteuerungsrecht zu gewährleisten und
Freibriefe zu vernichten; der englische Stolz hätte sich begnügt, wenn man,
wie Franklin versprach, die ostindische Compagnie für den verlorenen Thee
entschädigte. Nicht aber die Regierung; sie wollte den Rebellen ihren Arm
zeigen. Zu dem unfähigen Gage entsandte sie den ebenso unbedeutenden
Sir William Howe, dessen Familie in Amerika die höchste Popularität
genoß, als General und den Admiral Lord Howe als Befehlshaber der See¬
macht nach den Colonien.

In Frankreich harrte der Minister Vergennes mit Sehnsucht des Augen¬
blickes, wo der Krieg aufbreche, und der Gesandte in London meinte,
wenn er recht unterrichtet sei, so würden die Amerikaner sich nicht unter¬
werfen. Am 3. März feierte Boston wieder den Jahrestag des Blutbades, und
etwa 40 englische Offiziere, die dem Feste beiwohnten, mußten die ärgste
Schilderung britischer Uebergriffe anhören — von da an versäumte das
Militair keine Gelegenheit das Volk zu reizen und zu beleidigen. In Eng¬
land bediente sich jetzt die Tyrannei der Feder eines gemietheten Greises, Samuel
Johnson; in seinen, besonders auf den großen Haufen berechneten Schriften
vertheidigte er mit voller Gewissenlosigkeit jeden Schritt seiner Auftraggeber
und höhnte die unglücklichen Colonien ins Angesicht — währenddem verließ
Franklin England, wo er keinen Frieden hatte schließen können, und eilte
nach Amerika heim, am 23. März, und als Edmund Burke für die Versöhnung
eine schwung- und geistvolle Rede am 22. März hielt, wurde er von allen Seiten
überstimmt. Tags darauf aber sprach Patrick Henry in Vtrginien: „Wollen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/190>, abgerufen am 27.09.2024.