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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Häuser. Der Aufruf zum Kriege gegen die Pforte hatte in der Krajna und
Pohawina Erfolg. Auf verschiedenen Punkten des Paschaliks sammelten sich
Jnsurgentenhaufen, und Einzelne zogen aus andern Theilen Bosniens zu
Hülfe. Die Burgen der Aga wurden die Mittelpunkte des Aufstandes. Die
muhamedanischen Grundbesitzer traten in ihnen zusammen und verpflichteten
sich eidlich zu gemeinsamem Handeln. Die Christen wurden von Ali Keditsch
als Brüder und Freunde begrüßt und ermahnt, sich ruhig zu verhalten, auch
ihr hartes Loos solle durch ihn und seine Genossen gebessert werden. Sie
blieben ruhig, hatten aber in der Folge von den Türken ebenso viel und hier
und da noch mehr zu leiden als ihre dem Islam ""gehörigen Stammgenossen.

Inzwischen wuchs der Anhang dieses Jnsurgentenführers, neben dem
sich bald noch zwei andere, Mehemed Pascha von Tusla und der Kadi
Kapitsch von Wranogratscha geltend machten. Mehrere tausend Mann stark
rückten die Aufständischen nach Bihatsch, der Hauptstadt des Paschaliks. vor
und belagerten den dortigen Pascha in seinem Konak. Vergebens schickte
dieser Boten über Boten an den Wesir nach Travnik, umsonst befahl dieser
dem Pascha von Serajewo, ein Heer zu sammeln, und gegen die Insurgenten
zu ziehen. Die Anarchie wurde von Tage zu Tage größer und erschien
wegen der damaligen Lage der Verhältnisse in der Moldau und Walachei
bedrohlicher wie je vorher ein Aufstand in diesen Gegenden erschienen war.
So sandte denn der Divan den besten General, den die Türkei damals be¬
saß, Omer Pascha, zur Niederwerfung desselben mit regulären Truppen nach
Bosnien. Dessen Erscheinen veränderte die Situation erheblich. Die Jnsur-
rection, der anfänglich zum Theil persönliche Motive, die Rachbegierde
Keditsch's wegen der gegen ihn von den türkischen Beamten verübten Gewalt¬
thätigkeiten und wohl nur nebenher dunkle Gedanken dieses Führers, sich und
die Serben Bosniens der Herrschaft der Osmanli ganz zu entziehen, dann
nur das Bestreben des muslimischen Adels, seine Vorrechte zu wahren und
die theilweise Gleichstellung mit der Raja wie früher abzuwehren, zu Grunde
lagen, nahm eine völlig neue Gestalt an. Sie hatte, wie es scheint, Anfangs
keinen bestimmten Plan und keinen Leiter, der mit ganz Bosnien mit Einschluß
der Herzegowina rechnete. Jetzt gewann sie diesen Plan und diesen Letter. Die
Sendung Omer Paschas zeigte, daß die Pforte mit ihrer Forderung Ernst
zu machen gewillt sei. Er war ein guter General, und er war kein geborner
Muslim, kein Türke, er sah nicht durch die Finger, ließ sich nicht für Geld
schlagen und meinte es mit der Gleichstellung der Christen, soweit der Divan
sie beabsichtigte, aufrichtig.

Omer Pascha war ein Serbe aus dem Grenzlande. Er hatte ursprünglich
in der österreichischen Armee gedient. Ein Proceß, der ungerechter Weise
gegen seine Familie entschieden wurde, empörte sein Gerechtigkeitsgefühl der


Häuser. Der Aufruf zum Kriege gegen die Pforte hatte in der Krajna und
Pohawina Erfolg. Auf verschiedenen Punkten des Paschaliks sammelten sich
Jnsurgentenhaufen, und Einzelne zogen aus andern Theilen Bosniens zu
Hülfe. Die Burgen der Aga wurden die Mittelpunkte des Aufstandes. Die
muhamedanischen Grundbesitzer traten in ihnen zusammen und verpflichteten
sich eidlich zu gemeinsamem Handeln. Die Christen wurden von Ali Keditsch
als Brüder und Freunde begrüßt und ermahnt, sich ruhig zu verhalten, auch
ihr hartes Loos solle durch ihn und seine Genossen gebessert werden. Sie
blieben ruhig, hatten aber in der Folge von den Türken ebenso viel und hier
und da noch mehr zu leiden als ihre dem Islam ««gehörigen Stammgenossen.

Inzwischen wuchs der Anhang dieses Jnsurgentenführers, neben dem
sich bald noch zwei andere, Mehemed Pascha von Tusla und der Kadi
Kapitsch von Wranogratscha geltend machten. Mehrere tausend Mann stark
rückten die Aufständischen nach Bihatsch, der Hauptstadt des Paschaliks. vor
und belagerten den dortigen Pascha in seinem Konak. Vergebens schickte
dieser Boten über Boten an den Wesir nach Travnik, umsonst befahl dieser
dem Pascha von Serajewo, ein Heer zu sammeln, und gegen die Insurgenten
zu ziehen. Die Anarchie wurde von Tage zu Tage größer und erschien
wegen der damaligen Lage der Verhältnisse in der Moldau und Walachei
bedrohlicher wie je vorher ein Aufstand in diesen Gegenden erschienen war.
So sandte denn der Divan den besten General, den die Türkei damals be¬
saß, Omer Pascha, zur Niederwerfung desselben mit regulären Truppen nach
Bosnien. Dessen Erscheinen veränderte die Situation erheblich. Die Jnsur-
rection, der anfänglich zum Theil persönliche Motive, die Rachbegierde
Keditsch's wegen der gegen ihn von den türkischen Beamten verübten Gewalt¬
thätigkeiten und wohl nur nebenher dunkle Gedanken dieses Führers, sich und
die Serben Bosniens der Herrschaft der Osmanli ganz zu entziehen, dann
nur das Bestreben des muslimischen Adels, seine Vorrechte zu wahren und
die theilweise Gleichstellung mit der Raja wie früher abzuwehren, zu Grunde
lagen, nahm eine völlig neue Gestalt an. Sie hatte, wie es scheint, Anfangs
keinen bestimmten Plan und keinen Leiter, der mit ganz Bosnien mit Einschluß
der Herzegowina rechnete. Jetzt gewann sie diesen Plan und diesen Letter. Die
Sendung Omer Paschas zeigte, daß die Pforte mit ihrer Forderung Ernst
zu machen gewillt sei. Er war ein guter General, und er war kein geborner
Muslim, kein Türke, er sah nicht durch die Finger, ließ sich nicht für Geld
schlagen und meinte es mit der Gleichstellung der Christen, soweit der Divan
sie beabsichtigte, aufrichtig.

Omer Pascha war ein Serbe aus dem Grenzlande. Er hatte ursprünglich
in der österreichischen Armee gedient. Ein Proceß, der ungerechter Weise
gegen seine Familie entschieden wurde, empörte sein Gerechtigkeitsgefühl der


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[0107] Häuser. Der Aufruf zum Kriege gegen die Pforte hatte in der Krajna und Pohawina Erfolg. Auf verschiedenen Punkten des Paschaliks sammelten sich Jnsurgentenhaufen, und Einzelne zogen aus andern Theilen Bosniens zu Hülfe. Die Burgen der Aga wurden die Mittelpunkte des Aufstandes. Die muhamedanischen Grundbesitzer traten in ihnen zusammen und verpflichteten sich eidlich zu gemeinsamem Handeln. Die Christen wurden von Ali Keditsch als Brüder und Freunde begrüßt und ermahnt, sich ruhig zu verhalten, auch ihr hartes Loos solle durch ihn und seine Genossen gebessert werden. Sie blieben ruhig, hatten aber in der Folge von den Türken ebenso viel und hier und da noch mehr zu leiden als ihre dem Islam ««gehörigen Stammgenossen. Inzwischen wuchs der Anhang dieses Jnsurgentenführers, neben dem sich bald noch zwei andere, Mehemed Pascha von Tusla und der Kadi Kapitsch von Wranogratscha geltend machten. Mehrere tausend Mann stark rückten die Aufständischen nach Bihatsch, der Hauptstadt des Paschaliks. vor und belagerten den dortigen Pascha in seinem Konak. Vergebens schickte dieser Boten über Boten an den Wesir nach Travnik, umsonst befahl dieser dem Pascha von Serajewo, ein Heer zu sammeln, und gegen die Insurgenten zu ziehen. Die Anarchie wurde von Tage zu Tage größer und erschien wegen der damaligen Lage der Verhältnisse in der Moldau und Walachei bedrohlicher wie je vorher ein Aufstand in diesen Gegenden erschienen war. So sandte denn der Divan den besten General, den die Türkei damals be¬ saß, Omer Pascha, zur Niederwerfung desselben mit regulären Truppen nach Bosnien. Dessen Erscheinen veränderte die Situation erheblich. Die Jnsur- rection, der anfänglich zum Theil persönliche Motive, die Rachbegierde Keditsch's wegen der gegen ihn von den türkischen Beamten verübten Gewalt¬ thätigkeiten und wohl nur nebenher dunkle Gedanken dieses Führers, sich und die Serben Bosniens der Herrschaft der Osmanli ganz zu entziehen, dann nur das Bestreben des muslimischen Adels, seine Vorrechte zu wahren und die theilweise Gleichstellung mit der Raja wie früher abzuwehren, zu Grunde lagen, nahm eine völlig neue Gestalt an. Sie hatte, wie es scheint, Anfangs keinen bestimmten Plan und keinen Leiter, der mit ganz Bosnien mit Einschluß der Herzegowina rechnete. Jetzt gewann sie diesen Plan und diesen Letter. Die Sendung Omer Paschas zeigte, daß die Pforte mit ihrer Forderung Ernst zu machen gewillt sei. Er war ein guter General, und er war kein geborner Muslim, kein Türke, er sah nicht durch die Finger, ließ sich nicht für Geld schlagen und meinte es mit der Gleichstellung der Christen, soweit der Divan sie beabsichtigte, aufrichtig. Omer Pascha war ein Serbe aus dem Grenzlande. Er hatte ursprünglich in der österreichischen Armee gedient. Ein Proceß, der ungerechter Weise gegen seine Familie entschieden wurde, empörte sein Gerechtigkeitsgefühl der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/107>, abgerufen am 20.10.2024.