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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Königlichen Hoheit des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen. Der wieder ge¬
füllte Pokal machte sodann die Runde um die Tafel, wobei er fleißig geleert
und wieder gefüllt wurde. Hieraus geschah ein Gleiches von Seiten des kur¬
hessischen landesherrlichen Commissars, indem dieser aufs Wohlergehen Seiner
Hochfürstlichen Durchlaucht des Herzogs von Gotha den Pokal leerte. Derselbe
wurde alsbald wieder gefüllt und machte noch einmal die Runde um die
Tafel. Dann setzte man sich wieder, und die Speisen wurden aufgetragen.
An Forellen, Krebsen, Wildpret war damals in dem Thüringer Wald noch
kein Mangel, und den auserlesenen Weinen wurde wacker zugesprochen. Es
war eine lange und schwere Sitzung, die bei dieser Gelegenheit abgehalten
werden mußte. Jedoch es ist männiglich bekannt, daß die Hessen, gleich ihren
Ahnen, den tapferen Katren, nicht allein auf dem Schlachtfelde, sondern auch
beim Becherklang ihren Mann zu stellen wissen.

Während im oberen Rathhaussaal die Beamten, Rathsherren und übrigen
Honoratioren mit ihren Gästen tafelten, wurden in den unteren Räumen des
Hauses die hessischen Forstläufer und Hirten ebenfalls festlich bewirthet. Nach
aufgehobener Tafel wurde ein gemeinschaftlicher Spaziergang nach dem nahe
gelegenen Amtshauptort, der Stadt Zella, gemacht, welche durch ihre gro߬
artigen Gewehrfabriken und sonstigen Eisenwaaren weltbekannt ist.

Von diesem Spaziergang erfrischt und gestärkt, wurden die Gäste wieder
nach Mehlis in das Rathhaus geführt. Dort hatte sich inzwischen alles um¬
gestaltet: die Festtafel war verschwunden, und die schöne Welt von Mehlis
und Zella füllte den Saal; von zarten Händen wurde jetzt der Kaffee herum¬
gereicht, und unter Scherz und Freude verstrich der spätere Nachmittag, bis
gegen Abend ein ganz vortreffliches Musikcorps erschien, welches alsbald zum
fröhlichen Tanze munter aufspielte. Jetzt war es für einen jeden Gast Ehren¬
sache, die schönen Töchter des Gebirges zum Reigen zu führen, und da ich
selbst kaum 26 Jahre alt und die Jugend damals noch nicht so tanzsaul war,
wie die blasirten Jünglinge unserer Tage, so brauche ich wohl nicht erst zu
versichern, daß ich keinen Tanz ausließ und namentlich dem holdseligen Töch¬
terlein meines Wirthes die gebührende Ehre erwies. Doch hatten wir übrigen
Beamten einen schweren Stand; denn gegen die jungen Forstcandidaten .und
Förster, die schmucken Burschen des Waldes in ihren kleidsamen grünen Uni¬
formen, war nicht auszukommen. Sie waren und blieben die Löwen des
Tages oder vielmehr der Nacht.

Bis zur Morgendämmerung wurde flott getanzt, dann begaben sich die
Gäste mit ihren Wirthen ins Quartier, um die wenigen Stunden des Frühen¬
morgens zu einem kurzen Schlummer zu benutzen. Nach eingenommenem Früh¬
stück schied ich unter herzlicher Danksagung für die erwiesene Gastfreundschaft
von der höchst liebenswürdigen Familie meines Wirthes.


Königlichen Hoheit des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen. Der wieder ge¬
füllte Pokal machte sodann die Runde um die Tafel, wobei er fleißig geleert
und wieder gefüllt wurde. Hieraus geschah ein Gleiches von Seiten des kur¬
hessischen landesherrlichen Commissars, indem dieser aufs Wohlergehen Seiner
Hochfürstlichen Durchlaucht des Herzogs von Gotha den Pokal leerte. Derselbe
wurde alsbald wieder gefüllt und machte noch einmal die Runde um die
Tafel. Dann setzte man sich wieder, und die Speisen wurden aufgetragen.
An Forellen, Krebsen, Wildpret war damals in dem Thüringer Wald noch
kein Mangel, und den auserlesenen Weinen wurde wacker zugesprochen. Es
war eine lange und schwere Sitzung, die bei dieser Gelegenheit abgehalten
werden mußte. Jedoch es ist männiglich bekannt, daß die Hessen, gleich ihren
Ahnen, den tapferen Katren, nicht allein auf dem Schlachtfelde, sondern auch
beim Becherklang ihren Mann zu stellen wissen.

Während im oberen Rathhaussaal die Beamten, Rathsherren und übrigen
Honoratioren mit ihren Gästen tafelten, wurden in den unteren Räumen des
Hauses die hessischen Forstläufer und Hirten ebenfalls festlich bewirthet. Nach
aufgehobener Tafel wurde ein gemeinschaftlicher Spaziergang nach dem nahe
gelegenen Amtshauptort, der Stadt Zella, gemacht, welche durch ihre gro߬
artigen Gewehrfabriken und sonstigen Eisenwaaren weltbekannt ist.

Von diesem Spaziergang erfrischt und gestärkt, wurden die Gäste wieder
nach Mehlis in das Rathhaus geführt. Dort hatte sich inzwischen alles um¬
gestaltet: die Festtafel war verschwunden, und die schöne Welt von Mehlis
und Zella füllte den Saal; von zarten Händen wurde jetzt der Kaffee herum¬
gereicht, und unter Scherz und Freude verstrich der spätere Nachmittag, bis
gegen Abend ein ganz vortreffliches Musikcorps erschien, welches alsbald zum
fröhlichen Tanze munter aufspielte. Jetzt war es für einen jeden Gast Ehren¬
sache, die schönen Töchter des Gebirges zum Reigen zu führen, und da ich
selbst kaum 26 Jahre alt und die Jugend damals noch nicht so tanzsaul war,
wie die blasirten Jünglinge unserer Tage, so brauche ich wohl nicht erst zu
versichern, daß ich keinen Tanz ausließ und namentlich dem holdseligen Töch¬
terlein meines Wirthes die gebührende Ehre erwies. Doch hatten wir übrigen
Beamten einen schweren Stand; denn gegen die jungen Forstcandidaten .und
Förster, die schmucken Burschen des Waldes in ihren kleidsamen grünen Uni¬
formen, war nicht auszukommen. Sie waren und blieben die Löwen des
Tages oder vielmehr der Nacht.

Bis zur Morgendämmerung wurde flott getanzt, dann begaben sich die
Gäste mit ihren Wirthen ins Quartier, um die wenigen Stunden des Frühen¬
morgens zu einem kurzen Schlummer zu benutzen. Nach eingenommenem Früh¬
stück schied ich unter herzlicher Danksagung für die erwiesene Gastfreundschaft
von der höchst liebenswürdigen Familie meines Wirthes.


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[0080] Königlichen Hoheit des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen. Der wieder ge¬ füllte Pokal machte sodann die Runde um die Tafel, wobei er fleißig geleert und wieder gefüllt wurde. Hieraus geschah ein Gleiches von Seiten des kur¬ hessischen landesherrlichen Commissars, indem dieser aufs Wohlergehen Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht des Herzogs von Gotha den Pokal leerte. Derselbe wurde alsbald wieder gefüllt und machte noch einmal die Runde um die Tafel. Dann setzte man sich wieder, und die Speisen wurden aufgetragen. An Forellen, Krebsen, Wildpret war damals in dem Thüringer Wald noch kein Mangel, und den auserlesenen Weinen wurde wacker zugesprochen. Es war eine lange und schwere Sitzung, die bei dieser Gelegenheit abgehalten werden mußte. Jedoch es ist männiglich bekannt, daß die Hessen, gleich ihren Ahnen, den tapferen Katren, nicht allein auf dem Schlachtfelde, sondern auch beim Becherklang ihren Mann zu stellen wissen. Während im oberen Rathhaussaal die Beamten, Rathsherren und übrigen Honoratioren mit ihren Gästen tafelten, wurden in den unteren Räumen des Hauses die hessischen Forstläufer und Hirten ebenfalls festlich bewirthet. Nach aufgehobener Tafel wurde ein gemeinschaftlicher Spaziergang nach dem nahe gelegenen Amtshauptort, der Stadt Zella, gemacht, welche durch ihre gro߬ artigen Gewehrfabriken und sonstigen Eisenwaaren weltbekannt ist. Von diesem Spaziergang erfrischt und gestärkt, wurden die Gäste wieder nach Mehlis in das Rathhaus geführt. Dort hatte sich inzwischen alles um¬ gestaltet: die Festtafel war verschwunden, und die schöne Welt von Mehlis und Zella füllte den Saal; von zarten Händen wurde jetzt der Kaffee herum¬ gereicht, und unter Scherz und Freude verstrich der spätere Nachmittag, bis gegen Abend ein ganz vortreffliches Musikcorps erschien, welches alsbald zum fröhlichen Tanze munter aufspielte. Jetzt war es für einen jeden Gast Ehren¬ sache, die schönen Töchter des Gebirges zum Reigen zu führen, und da ich selbst kaum 26 Jahre alt und die Jugend damals noch nicht so tanzsaul war, wie die blasirten Jünglinge unserer Tage, so brauche ich wohl nicht erst zu versichern, daß ich keinen Tanz ausließ und namentlich dem holdseligen Töch¬ terlein meines Wirthes die gebührende Ehre erwies. Doch hatten wir übrigen Beamten einen schweren Stand; denn gegen die jungen Forstcandidaten .und Förster, die schmucken Burschen des Waldes in ihren kleidsamen grünen Uni¬ formen, war nicht auszukommen. Sie waren und blieben die Löwen des Tages oder vielmehr der Nacht. Bis zur Morgendämmerung wurde flott getanzt, dann begaben sich die Gäste mit ihren Wirthen ins Quartier, um die wenigen Stunden des Frühen¬ morgens zu einem kurzen Schlummer zu benutzen. Nach eingenommenem Früh¬ stück schied ich unter herzlicher Danksagung für die erwiesene Gastfreundschaft von der höchst liebenswürdigen Familie meines Wirthes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/80>, abgerufen am 27.11.2024.