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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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sind ebenso unfindbar. wie der Stein der Weisen. Die einzige AbHülse
liegt im Staatsbesitz aller Eisenbahnen, in Deutschland also im Reichs-
besitz. Wohlthuend war es, daß Laster am Schluß seines Vortrages aner-
kennen konnte, daß an den Mißbräuchen des Eisenbahnwesens nirgend Organe
des Staats, was Preußen anlangt, betheiligt oder mitschuldig erfunden
worden sind.

In der Sitzung vom 31. März handelte es sich um die erste Berathung
zweier Gesetzentwürfe, betreffend den Staatsankauf zweier Bahnlinien und
den indirecten Erwerb mittelst Zinsgarantie und Uebernahme der Verwaltung
einer dritten Bahnlinie. Beide Gesetzentwürfe wurden der Budgetkommission
zur Vorberathung überwiesen. Bis zur zweiten Berathung auf Grund des
Berichts der Budgetcommission wollen wir uns das Eingehen auf diese Vor¬
0 -- r. lage versparen.




Me Mtenzeche zu Mehles.

Seit den ältesten Zeiten haben die Deutschen die Gewohnheit gehabt,
keine wichtige Familien-, Gemeinde- oder Staats "Angelegenheit ohne einen
guten Trunk zu thun. Konnten sich doch unsere heidnischen Vorfahren ihren
höchsten Gott, Wodan, nicht anders vorstellen als in Walhalla sitzend beim
Trinkgelage inmitten der abgeschiedenen Helden, unter welchen das mit Meth
oder Gerstensaft gefüllte Büffelhorn fleißig in der Runde herumging. Und
Tacitus berichtet von den alten Germanen ausdrücklich, daß sie über den
Ausgleich von Streitigkeiten, über die Verlobung eines Paares, über die
Wahl von Fürsten, über Krieg und Frieden gewöhnlich bei Trinkgelagen
verhandelten. Denn sie waren der Meinung, daß sich zu keiner Zeit in gleicher
Weise das Herz in Treue und Wahrheit aufthue oder für hohe Dinge be¬
geistere. Diese uralte Sitte hatte sich im Mittelalter insbesondere bei der
Ritterschaft so ausgebildet, daß man sich eine Gesellschaft edler Ritter von
echtem Schrot und Korn ohne die vor ihnen stehenden mächtigen Humpen
gar nicht vorzustellen vermag. Bei der Krönung eines deutschen Kaisers zu
Frankfurt am Main floß für das Volk aus vier Röhren des sog-tzannten
Römerbrunnens weißer und rother Wein. Dort, in Frankfurt, bestanden
ehemals auch mehrere große Trinkstuben für geschlossene Gesellschaften, unter
welchen die von Alt-Limbach und Frauenstein deshalb die angesehensten waren,
weil aus ihren Mitgliedern die beiden ersten Rathsbänke besetzt wurden; für
die Fremden, welche die Frankfurter Messen bezogen, war die Trinkstube in


Grenzboten II. 1876. 10

sind ebenso unfindbar. wie der Stein der Weisen. Die einzige AbHülse
liegt im Staatsbesitz aller Eisenbahnen, in Deutschland also im Reichs-
besitz. Wohlthuend war es, daß Laster am Schluß seines Vortrages aner-
kennen konnte, daß an den Mißbräuchen des Eisenbahnwesens nirgend Organe
des Staats, was Preußen anlangt, betheiligt oder mitschuldig erfunden
worden sind.

In der Sitzung vom 31. März handelte es sich um die erste Berathung
zweier Gesetzentwürfe, betreffend den Staatsankauf zweier Bahnlinien und
den indirecten Erwerb mittelst Zinsgarantie und Uebernahme der Verwaltung
einer dritten Bahnlinie. Beide Gesetzentwürfe wurden der Budgetkommission
zur Vorberathung überwiesen. Bis zur zweiten Berathung auf Grund des
Berichts der Budgetcommission wollen wir uns das Eingehen auf diese Vor¬
0 — r. lage versparen.




Me Mtenzeche zu Mehles.

Seit den ältesten Zeiten haben die Deutschen die Gewohnheit gehabt,
keine wichtige Familien-, Gemeinde- oder Staats «Angelegenheit ohne einen
guten Trunk zu thun. Konnten sich doch unsere heidnischen Vorfahren ihren
höchsten Gott, Wodan, nicht anders vorstellen als in Walhalla sitzend beim
Trinkgelage inmitten der abgeschiedenen Helden, unter welchen das mit Meth
oder Gerstensaft gefüllte Büffelhorn fleißig in der Runde herumging. Und
Tacitus berichtet von den alten Germanen ausdrücklich, daß sie über den
Ausgleich von Streitigkeiten, über die Verlobung eines Paares, über die
Wahl von Fürsten, über Krieg und Frieden gewöhnlich bei Trinkgelagen
verhandelten. Denn sie waren der Meinung, daß sich zu keiner Zeit in gleicher
Weise das Herz in Treue und Wahrheit aufthue oder für hohe Dinge be¬
geistere. Diese uralte Sitte hatte sich im Mittelalter insbesondere bei der
Ritterschaft so ausgebildet, daß man sich eine Gesellschaft edler Ritter von
echtem Schrot und Korn ohne die vor ihnen stehenden mächtigen Humpen
gar nicht vorzustellen vermag. Bei der Krönung eines deutschen Kaisers zu
Frankfurt am Main floß für das Volk aus vier Röhren des sog-tzannten
Römerbrunnens weißer und rother Wein. Dort, in Frankfurt, bestanden
ehemals auch mehrere große Trinkstuben für geschlossene Gesellschaften, unter
welchen die von Alt-Limbach und Frauenstein deshalb die angesehensten waren,
weil aus ihren Mitgliedern die beiden ersten Rathsbänke besetzt wurden; für
die Fremden, welche die Frankfurter Messen bezogen, war die Trinkstube in


Grenzboten II. 1876. 10
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/77>, abgerufen am 27.11.2024.