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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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wesens wie des Eisenbahnbaues und ferner des Actienwesens entgegenzutreten
wissen. Die wichtigste Rede der Berathung war diejenige des Abg. Laster.
Im Ganzen hatte der Redner seinen guten Tag, er sagte viel vortreffliches,
freilich auch einiges durchaus unrichtige. Unrichtig war die Klage, daß anstatt
einer parlamentarischen Untersuchungscommission, eine königliche eingesetzt
worden sei. Der Redner mußte selbst eingestehen, daß durch die königliche
Ernennung der Commission die willigste Auskunft aller Behörden erzielt
worden ist. Dagegen tadelte er, daß das Verfahren der Commission nicht
öffentlich gewesen und daß dieselbe das Recht des Zeugnißzwanges entbehrt
habe. Aber der Nutzen der Oeffentlichkeit ist in solchen Fällen grade so
zweifelhaft, wie bei der Voruntersuchung im Criminalprozeß. Was das Recht
des Zeugnißzwanges anlangt, so hätte eine parlamentarische Commission grade
wie die königliche dieses Recht nur durch ein besonderes Gesetz erlangen können.
Wenn das Recht nun erst vermißt wurde, als der Landtag nicht versammelt,
folglich dem Mangel nicht abzuhelfen war, so hätte derselbe die parlamen¬
tarische Commission gerade so getroffen, wie die königliche. Vortrefflich und
sogar der höchsten Anerkennung würdig waren dagegen die Ausführungen
Laster's über den schlechten Weg der Eisenbahnpolitik, welchen das Abgeord¬
netenhaus von 1858 in der ersten Legislatur der neuen Aera zum Schaden
des Landes eingeschlagen und durchgesetzt hat. Die Grundlagen der Eisen¬
bahnpolitik waren durch das Gesetz von 1838 höchst rationell und einsichtig
gelegt. Auf Grund dieses Gesetzes wurde eine Abgabe von den Eisenbahnen
erhoben, um die auf derselben ruhende Actienschuld zu amortisiren und die
Bahnen damit zum Eigenthum des Staats zu machen. Zur Zeit der neuen
Aera hatte die Herrschaft der Manchester-Doctrin in Deutschland den Höhe¬
punkt erreicht und unter Anrufung dieser Doctrin wurde die Regierung durch
das Abgeordnetenhaus gezwungen, die Eisenbahnabgabe ihrem Zweck zu ent¬
fremden, um dieselbe zu einer gewöhnlichen Staatseinnahme zu machen. Bis
zur neuen Aera hatte der Handelsminister von der Heydt nicht nur die Aus¬
wüchse des Privatbetriebs der Eisenbahnen streng im Zaume gehalten, sondern
auch beständig auf den Erwerb der Eisenbahnen für den Staat hingewirkt.
Im März 1862 übernahm von der Heydt das Finanzministerium und Gras
Jtzenplitz trat an die Spitze des Handelsministeriums. Unter der Verwaltung
dieses höchst gemüthlichen und biederen, aber seinem Posten technisch nicht
gewachsenen Ministers entwickelten sich nun die Mißbräuche des Privat-Eisen-
bahnbaues und -Betriebes, welche das Nationalcapital in unberechenbarer Weise
geschädigt haben und an deren Folgen wir alle mit leiden, auch wer niemals
eine Actie besessen. Wenn Laster eine grundsätzliche Regelung der Methode
bei Concessionirung und Ueberwachung von Privatbahnen forderte, so forderte
er freilich etwas unmögliches. Die unfehlbaren Grundsätze für diese Methode


wesens wie des Eisenbahnbaues und ferner des Actienwesens entgegenzutreten
wissen. Die wichtigste Rede der Berathung war diejenige des Abg. Laster.
Im Ganzen hatte der Redner seinen guten Tag, er sagte viel vortreffliches,
freilich auch einiges durchaus unrichtige. Unrichtig war die Klage, daß anstatt
einer parlamentarischen Untersuchungscommission, eine königliche eingesetzt
worden sei. Der Redner mußte selbst eingestehen, daß durch die königliche
Ernennung der Commission die willigste Auskunft aller Behörden erzielt
worden ist. Dagegen tadelte er, daß das Verfahren der Commission nicht
öffentlich gewesen und daß dieselbe das Recht des Zeugnißzwanges entbehrt
habe. Aber der Nutzen der Oeffentlichkeit ist in solchen Fällen grade so
zweifelhaft, wie bei der Voruntersuchung im Criminalprozeß. Was das Recht
des Zeugnißzwanges anlangt, so hätte eine parlamentarische Commission grade
wie die königliche dieses Recht nur durch ein besonderes Gesetz erlangen können.
Wenn das Recht nun erst vermißt wurde, als der Landtag nicht versammelt,
folglich dem Mangel nicht abzuhelfen war, so hätte derselbe die parlamen¬
tarische Commission gerade so getroffen, wie die königliche. Vortrefflich und
sogar der höchsten Anerkennung würdig waren dagegen die Ausführungen
Laster's über den schlechten Weg der Eisenbahnpolitik, welchen das Abgeord¬
netenhaus von 1858 in der ersten Legislatur der neuen Aera zum Schaden
des Landes eingeschlagen und durchgesetzt hat. Die Grundlagen der Eisen¬
bahnpolitik waren durch das Gesetz von 1838 höchst rationell und einsichtig
gelegt. Auf Grund dieses Gesetzes wurde eine Abgabe von den Eisenbahnen
erhoben, um die auf derselben ruhende Actienschuld zu amortisiren und die
Bahnen damit zum Eigenthum des Staats zu machen. Zur Zeit der neuen
Aera hatte die Herrschaft der Manchester-Doctrin in Deutschland den Höhe¬
punkt erreicht und unter Anrufung dieser Doctrin wurde die Regierung durch
das Abgeordnetenhaus gezwungen, die Eisenbahnabgabe ihrem Zweck zu ent¬
fremden, um dieselbe zu einer gewöhnlichen Staatseinnahme zu machen. Bis
zur neuen Aera hatte der Handelsminister von der Heydt nicht nur die Aus¬
wüchse des Privatbetriebs der Eisenbahnen streng im Zaume gehalten, sondern
auch beständig auf den Erwerb der Eisenbahnen für den Staat hingewirkt.
Im März 1862 übernahm von der Heydt das Finanzministerium und Gras
Jtzenplitz trat an die Spitze des Handelsministeriums. Unter der Verwaltung
dieses höchst gemüthlichen und biederen, aber seinem Posten technisch nicht
gewachsenen Ministers entwickelten sich nun die Mißbräuche des Privat-Eisen-
bahnbaues und -Betriebes, welche das Nationalcapital in unberechenbarer Weise
geschädigt haben und an deren Folgen wir alle mit leiden, auch wer niemals
eine Actie besessen. Wenn Laster eine grundsätzliche Regelung der Methode
bei Concessionirung und Ueberwachung von Privatbahnen forderte, so forderte
er freilich etwas unmögliches. Die unfehlbaren Grundsätze für diese Methode


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/76>, abgerufen am 27.11.2024.