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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Waagen, Ed. His. Woltmann, Lützow, Ambros. A. v. Zahn u. A.. freilich
zum Theil nicht ohne große Bedenken und Zweifel, annehmen, der Anfangs¬
buchstabe des Vornamens Sigmund oder wie I. A. Crowe (im Neuen Reich
1871 Bd. II. Seite 425) und zuletzt auch Woltmann anzunehmen geneigt
scheinen, der letzte Buchstabe des Vornamens Hans sein. In Folge dessen
schieben die Erstern das in Rede stehende Bild dem Sigmund Holbein, die
Letztern dem Hans Holbein zu. Hans und Sigmund waren Brüder. Letzterer,
welcher zuerst im Jahre 1604 urkundlich genannt wird, und im Jahre 1340
zu Bern starb, war zwar ebenfalls Maler; doch wissen wir von ihm sehr
wenig; kennen kein einziges beglaubigtes Bild von ihm. Er scheint ein
nur ganz untergeordnetes Talent gewesen zu sein.

Das zweite Bild, in der Moritz-Capelle (No. 126), ist etwas kleiner
0.46 M. hoch, 0.32 M. breit. Die Madonna, von ganz ähnlicher Gesichts-
bildung. ebenfalls im blauen, weiß geränderten Kleide und langem, faltenrei¬
chen rothen Mantel sitzt auf einem Throne von kostbarem Stein, dessen Rück-
lehnen und Boden mit Teppichen belegt sind, welche ein primitives, aus der
Technik sich ergebendes, aus geometrischen Figuren gebildetes, schönes Muster
zeigen. Das Kind, ebenfalls nackt und nur theilweise mit einem ganz dünnen,
durchsichtigen Schleier bedeckt, steht auf dem Schooße seiner Mutter und wird
von ihr liebevoll an die. Brust gedrückt. Zu beiden Seiten stehen Engel mit
langen Flügeln, und blauen Gewändern, welche dem Christuskinde den Reichs¬
apfel und Blumen darreichen. Das Scepter scheint der eine Engel auf dem
Throne niedergelegt zu haben. Der Fußboden hat ein ähnliches Marmor-
Mosaik wie auf dem ersten Bilde. Links im Vordergrunde steht eine Vase
von gleicher Form, jedoch mit blauem Ornament auf weißem Grunde ver¬
sehen, wahrscheinlich Italienischen Fabrikats, aus welcher eine schöne Lilie,
ganz ähnlich wie vorher emporwächst. Auf dem Bauche des Gefäßes steht
ganz deutlich mit Lateinischen Lettern der Name des Künstlers und die Jahres¬
zahl it^NL H0I.L0N. 1499. geschrieben.*) Auf einem Pfosten des Thrones
sitzt ein Vogel, ganz ähnlich den Vögeln des ersten Bildes. Der Thron steht
in einer Maueröffnung, welche oben durch reich ausgebildetes in der Maleret
sehr sorgfältig durchgeführtes, spätgothisches Maßwerk geschlossen wird. Ganz
oben befinden sich rechts und links die Wappen der Augsburger Geschlechter
Gossenbrot und Eggenberger. Der Hintergrund ist gold, doch über und über
mit kleinen braunen Punkten bedeckt.

Das Bildchen ist von bewunderungswürdig zarter Vollendung dabei aber



-) Das Facsimile in Zahn's Jahrbüchern Bd. IV. Seite 21S ist nicht ganz genau. Wolt¬
mann und nach ihm Andere haben 1492 oder 93 gelesen. Doch heißt die Jahreszahl un¬
zweifelhaft 1499, wie auch schon Fr. Wagner und Essenwein, der im Anzeiger für Kunde
deutscher Vorzeit 1875 Ur. 8, eine Abbildung der Vase gegeben hat, gelesen haben.

Waagen, Ed. His. Woltmann, Lützow, Ambros. A. v. Zahn u. A.. freilich
zum Theil nicht ohne große Bedenken und Zweifel, annehmen, der Anfangs¬
buchstabe des Vornamens Sigmund oder wie I. A. Crowe (im Neuen Reich
1871 Bd. II. Seite 425) und zuletzt auch Woltmann anzunehmen geneigt
scheinen, der letzte Buchstabe des Vornamens Hans sein. In Folge dessen
schieben die Erstern das in Rede stehende Bild dem Sigmund Holbein, die
Letztern dem Hans Holbein zu. Hans und Sigmund waren Brüder. Letzterer,
welcher zuerst im Jahre 1604 urkundlich genannt wird, und im Jahre 1340
zu Bern starb, war zwar ebenfalls Maler; doch wissen wir von ihm sehr
wenig; kennen kein einziges beglaubigtes Bild von ihm. Er scheint ein
nur ganz untergeordnetes Talent gewesen zu sein.

Das zweite Bild, in der Moritz-Capelle (No. 126), ist etwas kleiner
0.46 M. hoch, 0.32 M. breit. Die Madonna, von ganz ähnlicher Gesichts-
bildung. ebenfalls im blauen, weiß geränderten Kleide und langem, faltenrei¬
chen rothen Mantel sitzt auf einem Throne von kostbarem Stein, dessen Rück-
lehnen und Boden mit Teppichen belegt sind, welche ein primitives, aus der
Technik sich ergebendes, aus geometrischen Figuren gebildetes, schönes Muster
zeigen. Das Kind, ebenfalls nackt und nur theilweise mit einem ganz dünnen,
durchsichtigen Schleier bedeckt, steht auf dem Schooße seiner Mutter und wird
von ihr liebevoll an die. Brust gedrückt. Zu beiden Seiten stehen Engel mit
langen Flügeln, und blauen Gewändern, welche dem Christuskinde den Reichs¬
apfel und Blumen darreichen. Das Scepter scheint der eine Engel auf dem
Throne niedergelegt zu haben. Der Fußboden hat ein ähnliches Marmor-
Mosaik wie auf dem ersten Bilde. Links im Vordergrunde steht eine Vase
von gleicher Form, jedoch mit blauem Ornament auf weißem Grunde ver¬
sehen, wahrscheinlich Italienischen Fabrikats, aus welcher eine schöne Lilie,
ganz ähnlich wie vorher emporwächst. Auf dem Bauche des Gefäßes steht
ganz deutlich mit Lateinischen Lettern der Name des Künstlers und die Jahres¬
zahl it^NL H0I.L0N. 1499. geschrieben.*) Auf einem Pfosten des Thrones
sitzt ein Vogel, ganz ähnlich den Vögeln des ersten Bildes. Der Thron steht
in einer Maueröffnung, welche oben durch reich ausgebildetes in der Maleret
sehr sorgfältig durchgeführtes, spätgothisches Maßwerk geschlossen wird. Ganz
oben befinden sich rechts und links die Wappen der Augsburger Geschlechter
Gossenbrot und Eggenberger. Der Hintergrund ist gold, doch über und über
mit kleinen braunen Punkten bedeckt.

Das Bildchen ist von bewunderungswürdig zarter Vollendung dabei aber



-) Das Facsimile in Zahn's Jahrbüchern Bd. IV. Seite 21S ist nicht ganz genau. Wolt¬
mann und nach ihm Andere haben 1492 oder 93 gelesen. Doch heißt die Jahreszahl un¬
zweifelhaft 1499, wie auch schon Fr. Wagner und Essenwein, der im Anzeiger für Kunde
deutscher Vorzeit 1875 Ur. 8, eine Abbildung der Vase gegeben hat, gelesen haben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/73>, abgerufen am 27.07.2024.